Kategorie: Betrachtungen

Jedes Wort hat seine Zeit

„Vom Wandel der Wörter. Ein Deutschlandbericht“ von Ingo Schulze, Regie Christoph Frick, Uraufführung am Staatsschauspiel Dresden, gesehen am 21. Juni 2013

Eine Erzählung in Form eines Briefes, ein junger Schriftsteller schreibt an den Museumsdirektor des „Deutschland-Gerätes“, einer Installation von Reinhard Mucha. Es geht um seine Beziehung zu B.C., einem namhaften, ausgebürgerten DDR-Schriftsteller und um dessen „Ernährerin“ Elzbieta. Und zugleich geht es um ein Vierteljahrhundert deutscher Geschichte.

Am Anfang betrachten drei Schulzes (kenntlich gemacht durch den prägnanten Wuschelkopf) das Werk aus Buchstaben, schon vor Beginn des Stückes. Zögerlich, skeptisch sind sie. Die ersten Textfetzen flattern aus dem Off durch den Raum, es beginnt eine Dekonstruktion einschließlich Neuaufbau, ganz neue Wörter entstehen. Ein erstes starkes Bild. Schließlich bricht der ganze Haufen zusammen.

Man ahnt bald schon, worauf es hinausläuft. B.C., eine fiktive Figur, vielleicht ein bisschen an Biermann angelehnt, wird nach seinem ersten Buch gegen seinen Willen aus der DDB ausgebürgert und anfangs im Westen als Dissident hofiert. Als er aber beginnt, sich auch zu westdeutschen Zuständen zu äußern, ist es mit dem guten Willen vorbei, fortan ist er nirgendwo zuhause, zudem fehlt ihm die Reibefläche. Der Kapitalismus ist halt viel elastischer …
C. leidet an seinem Bedeutungsverlust, veröffentlicht kaum mehr etwas. Zwar wird er von der Ärztin Elzbieta materiell und auch sonst aufgefangen, aber Vollgas gibt er nur noch im Leerlauf. Und die Aufregung ist auch gar nicht gut für seine Gesundheit.

Trotz eines assoziationsreichen, starken Bühnenbildes (Alexander Wolf) aus einer hydraulisch betriebenen schiefen Ebene, die mit einem flauschigen DDR-Fahnen-Teppich mit fehlendem Emblem bedeckt ist, kann man die Aufführung sicher noch als szenische Lesung beschreiben. Und diese lebt von großartigen Schauspielern, die ihre Figuren zum Leben erwecken. Holger Hübner als mal selbstgefälliger, mal kleinmütiger, mal wütender B.C., Matthias Reichwald als Ich-Erzähler mit einer glaubhaften Wandlung von Anbetung zu kritischer Distanz und ganz besonders die frisch gekürte Erich-Ponto-Preisträgerin Sonja Beißwenger, deren Elzbieta sich von einer in Betrachteraugen fast zwielichtigen Figur in einem fulminanten Monolog zur wahrhaften Muse des B.C. emanzipiert.

Die Schilderung des Mit-Leidens des C., als er ´89 nicht dabei sein kann, in Leipzig, Plauen und anderswo, und wie er schließlich wie so viele Intellektuelle vom weiteren Ablauf der Ereignisse mehr und mehr enttäuscht wird, gehört zu den besten Passagen des ohnehin starken Textes. Der Anpassungsdruck, dem er fortan unterliegt, lässt sich fast körperlich spüren. Er weigert sich, seine Sätze „von früher“ zu wiederholen, weil die heute etwas anderes bedeuten als damals. Der „Unrechtsstaat“ war ein legitimer Begriff vor der Wende, heute ist er zu undifferenziert. Aber das versteht die Medienwelt nicht. Als Kronzeuge ist er nicht mehr zu gebrauchen.
C. hat das Gefühl, er müsse seine Bücher umschreiben, die Wörter stimmen alle nicht mehr. Doch ehe er das ernsthaft beginnen kann, nimmt ein gnädiger Tod ihm die Schreibmaschine aus der Hand.
Wird der Ich-Erzähler seinen Faden aufnehmen? Man möchte es zu gern glauben.

Ingo Schulze hat diesen Text für das Staatsschauspiel Dresden wenn nicht geschrieben, so doch für die Bühne bearbeitet. Ein Geschenk zum Hundertsten, sozusagen. Nach „Adam und Evelyn“, das in der Inszenierung deutlich opulenter, aber nicht weniger packend war, ein neues Meisterwerk. Wir haben zu danken.
Die regionalen Besprechungen der Premiere waren dennoch nicht sehr freundlich, lediglich die Süddeutsche war begeistert. Und ich jetzt auch.

Es steigen einem die Tränen in die Augen, wenn man hört …

„Elf.“
Marion Brasch, meine Lieblingsmoderatorin seit einem Vierteljahrhundert, kündigt gewohnt lakonisch die Nachrichten an. Na wolln mal hören, was die letzten zwölf Stunden so gebracht haben an der News-Front.

„Eklat um Merkel-Besuch in Petersburg?“ Die wird doch nicht etwa?

Ich meine, Themen gäbe es ja genug.
Die Progromstimmung gegen Schwule (darf Westerwelle eigentlich noch einreisen?), die Waffen für Assad, die Pressefreiheit russischer Art, die gigantischen Umweltverbrechen, von denen in Europa kaum einer weiß, der Neo-Zarismus allgemein oder die politischen Gefangenen.
Aber das ging uns doch bisher offiziell gar nichts an, solange wir Gas bekommen und Autos liefern dürfen?

Hat sie nun endlich mal gesagt: „Lieber Wladimir Stalinowitsch, so geht das nicht!“ Schön. Respekt. Ein Anfang. Mein Herz weitet sich.

Doch wie jetzt?
Es geht um Kunst? Das war mir als Schwerpunktthema von Merkel noch gar nicht bekannt.
Ach so, Beutekunst … Na dann.
Alles halb so wild. Die Grußworte zur Ausstellungseröffnung waren dem sowjetischen Protokoll nicht genehm. Aber unser Tapfer-Merkel lässt sich nicht den Mund verbieten. Zumindest nicht, wenn es um drittrangige Themen geht.

Was bleibt?
Putin darf weiter ungerügt die wilde Sau spielen, nur unsere Schinken in Öl, die hätten wir gern zurück. Eine Schande.

Der Kollateralnutzen

Ein bei der Bilanzierung von Unwetterereignissen wie dem aktuell auch in den mittelostdeutschen Ländern wirkenden Starkregen mit daraus resultierendem Hochwasser, Überflutungen und Erdrutschen gern übersehener Aspekt ist die Tatsache, dass eine kleine Gruppe von Menschen daraus durchaus auch einen Nutzen zieht: jene der (regierenden) Politiker.

Wo anders ließen sich Tatkraft, Empathie und Volksnähe besser demonstrieren als hinter einer Sandsackbarrikade, im offenen Hemd, mit Wetterjacke und Gummistiefeln, der Blick ernst, um die Bürde der Verantwortung wissend, aber entschlossen, dieses Ereignis zu seinem Ereignis zu machen?
Wo kann man heute noch ungestraft nach der Bundeswehr im Inneren rufen, um die gewaltbereiten Wassermassen im Zaum zu halten?
Wo wird endlich mal durchregiert, wo können Notstandsverordnungen erlassen werden, wo kennt man keine Parteien mehr, sondern nur noch Helfer?
Genau. Sonst nirgends.

Nicht erst seit dem Deichgraf vom Platz-Eck ist das Phänomen bekannt, dass sich Regionalpolitiker dabei wie Phönix aus der Woge zu ungeahntem Ruhm aufschwingen können. Sie surfen auf der Scheitelwelle des Hochwassers zum Erfolg. Jenem bescherte das immerhin das Amt des brandenburgischen Ministerpräsidenten auf Lebenszeit, was ihm auch kein Südberliner Nicht-Flughafen nehmen wird.

Sogar Bundestagswahlen wurden schon mit viel Wasser gewonnen, was nicht schlecht sein muss. Immerhin blieb uns so ein Ede Stoiber erspart.

Nun also mal wieder die Regenfronten aus Tschechien und Polen, die Jahrhunderte zwischen den Ereignissen werden auch immer kürzer. Natürlich kann der sächsisch-sorbische Bauernpräsident da nicht nach der Türkei reisen, und der Führer der etwa viertgrößten Oppositionspartei im Freistaat natürlich auch nicht. Sie werden zuhause gebraucht. Was sollte die Tagessschau sonst zwischen die immergleichen Bilder von strömenden Wässern, blaulichtbewaffneten Fahrzeugkolonnen, schippenden Soldaten im Unterhemd und Betroffenen (vorzugsweise vor auf der Straße stehendem unbrauchbaren Hausrat) schneiden, wenn nicht einen Politiker im Einsatz? Den O-Ton könnte man zur Not noch aus dem Archiv nehmen, aber das nun noch bekanntere Gesicht mit Sandsack und sorgenvoller Miene an den aktuellen Brennpunkten ist unverzichtbar.

Dabei zeichnet sich der katastrophenerfahrene Regierungschef dadurch aus, dass er im Interview auch nach vorne blickt. Nun müsse endlich mal Schluss sein mit der Versiegelung von Versickerungsflächen, der Fluss braucht mehr Raum, und – ganz wichtig – man müsse nachhaltiger denken und handeln. Ohne nachhaltig geht es heute nicht mehr. Aber auch das könnte man aus dem Archiv nehmen.

Der Oppositionspolitiker hat es jedoch besonders schwer in diesen Tagen. Offene Kritik an den Hilfsmaßnahmen verbietet sich, man will ja nicht als Vaterlandsverräter dastehen. Sich in den Schlepptau des MP zu begeben, wäre kommunikativ genauso tödlich. Man muss eigene Themen besetzen, vorzugsweise solche, wo die jetzige Regierung geschlampt hat, die man dann nach der nächsten Wahl mit hoher Priorität angehen will. Mit etwas Glück schafft man es damit immerhin in die Hauptnachrichten des Regionalfernsehens.

Aber die mediale Lufthoheit hat unbestritten die Regierung. Das Volk, also die Presse, lechzt nach jeder Verlautbarung, und sei sie noch so banal. Der Pegel in Hinterposemuckel an der Oberen Knatter sinkt um sieben Zentimeter? Ein Erfolg des klugen Krisenmanagements der Partei- und Freistaatsführung.
Wenn es sich dann auch noch so glücklich fügt, dass die regierende Bundesmutti prinzipiell der selben Partei angehört, steht dem gemeinsamen Ausflug zum Sandsack nichts mehr im Wege. Ich prophezeie, spätestens am Dienstag wird Angies Hubschrauber über Dresden knattern. Vielleicht zuvor noch über Passau, auch in Bayern sind bald Wahlen.

Bevor man dann wieder zur Tagesordnung übergeht – auch das längste Hochwasser ist mal vorbei – wird noch schnell ein Aktionsplan entwickelt. Dort kommt alles rein, was gut klingt, die Preisschilder lassen wir erstmal weg. Das Hilfsprogramm für die aktuellen Opfer steht dann aber unter Haushaltsvorbehalt.

Das Wasser geht, die Muster bleiben. Zurück ins Funkhaus.

Faust: 1, Mephisto: 2

„Faust 1 + 2“ von Johann Wolfgang v. Goethe, Inszenierung des Thalia-Theaters Hamburg in der Regie von Nicolas Stemann, Gastspiel am Staatsschauspiel Dresden, 25./26. Mai 2013

Faust 1: Nur wetten kann man nicht alleine

Nein, heute keine Nacherzählung. Ich verweise auf die allgemeine Schulbildung und/oder Besuche anderer Stücke dieses Namens.
Allerdings, wer beides nicht nachweisen konnte, hatte schlechte Karten im Saal. Stemann lässt seine drei phantastischen Schauspieler (Patrycia Ziolkowska, Sebastian Rudolph und Philipp Hochmair) nacheinander antreten, nur selten miteinander. Und so muss man sich schon ein wenig auskennen im Stoff, um dem – zugegeben perfekten – Rollenzapping der Drei folgen zu können. Ein Ausblick auf das Neue Deutsche Budgettheater (als „Baddsched“ auszusprechen)? Einer spielt alles? Ich hoffe nicht.
Die erste ernstzunehmende Regie-Idee: Faust als eine Art Jonathan Meese in der Schaffenskrise. Das ist sehenswert, das erzielt Wirkung. Er baut sich nach und nach zum Wahnsinn auf, greift zum Benzinkanister, wird doch nicht … das Haus ist doch fast frisch renoviert! Nein, Wagner (Haha, schöner Joke in Dresden) kommt und verhindert das Schlimmste.
Das ominöse Fläschchen ist hier eine Pistole. Aber auch hier bewahren die Osterglocken den latent Suizidgefährdeten vor dem Abgang. Osterspaziergang zum Teil auf plattdütsch, warum nicht. Die Übertragung ins Sächsische hat man uns erspart.

Auftritt eines Pudels namens Mephisto. Der ist ein Zwilling von Faust, nicht neu, die Idee, aber gut. Jener holt schnell auf im Text und übernimmt. Der alte Faust/Mephisto/Wagner/Gott/3xErzengel/Theaterdirektor usw. schleicht sich, schaut noch ein bisschen zu, hat aber ersichtlich Pause.
Ein ergreifender Gesang von Friederike Harmsen (Microport oder Playback? Egal. Wunderschön.), dann die Wette. Das kann man nicht alleine, es kommt erstmals zum Dialog und dann zu Intimitäten unter Männern. „Und ach, sein Kuß …“, die IG Schauspiel dürfte kurz den Atem angehalten haben, aber das war eine großartige Szene.

Auerbachs Keller als Schwulenbar, OK, passt ja im Anschluss, ist auch gut gemacht, toller Video-Einsatz.
Nun Gretchen, aber nicht nur, auch Faust, Mephisto, Marthe. Sie lernt sich sozusagen selber kennen und will sich selbst heim begleiten, lehnt das aber ab (und geht dann doch mit sich selber mit, höhö. Auch diese Form hat also Grenzen.). Nur die Beleuchtung muss sie nicht selbst machen. Das Stilmittel erschöpft sich und mich. Gretchen ist übrigens am bestens als: Überraschung, Gretchen.
Genug genörgelt. Das Stück wird sofort um Klassen besser, wenn miteinander gespielt wird. Faustens Schuld ist hervorragend bebildert, bei der Gretchenfrage muss ihm Mephisto soufflieren, sie ist also in der Unterzahl, was ihr aber zumindest amourös gesehen nicht missfällt.
Berührend der Zwinger, die Walpurgisnacht wird mit der Nacht zuvor vermischt, Gretchens Defloration ist eher nebensächlich, Musik und Video sind wieder großartig. Der Kerker schließlich ist am Anfang ergreifend, nur, da muss man sich ohnehin schon viel Mühe geben, diese Lehrbuch-Szene zu versemmeln. Doch Stemann gelingt das fast mit einem zwanghaft modernen Ende.

Fazit dieses Teils: In der Summe toll, wenn man sich auf den Regieansatz einlassen will. Aber es ist dann doch ein Elitentheater, eines für Deutschlehrer, für Theaterroutiniers, eins fürs Feuilleton, für das Umfeld des Theatertreffens. Selbst in Hamburg wird nicht jeder den Faust auswendig können, und dies schränkt dann den Genuss schon ein. Dennoch, ein Erlebnis.

Faust 2: Der Vieles bringt

Am Anfang die Umkehrung der Situation: Zwei Herren – die einer beliebten Unsitte folgend sich nicht vorstellen – erläutern den Inhalt, allerdings derart unbeholfen, dass mich Mitleid überkommt.
Dann eine Art „Was in den letzten Folgen geschah“. Glaubt man, es sind Zuschauer hinzu gekommen? Goethe tritt im langen Kleid auf, sie zählt die Zeilen fortan mit und hakt ab. Eine alberne Vorstellung der restlichen Akteure folgt, die Verse plätschern bei moderner Klassik so dahin. Etwa achttausend haben wir noch vor uns. Ungestrichen, ja, wir haben’s dann beim vierten Mal auch kapiert.
Der Kaiser hält eine Rede mit visueller Kurvendiskussion, die Lage ist nicht gut. Mummenschanz folgt, irgendwie –tainment, weiß nur nicht welches. Aus Protest wird „Konsum“ an die Wand geschrieben, was in Dresden lustig ist. Das Volk im Blaumann protestiert gegen irgendetwas, aber das Großstadttheater traut sich dann lustigerweise nur, „Sch..e“ in den Übertitel zu schreiben. Da helfe ich doch gerne: Scheiße. Scheiße. So leicht geht das. Einfach nachmachen: Scheiße.
Man tastet und kalauert sich durch den Text. Wenn man mit dem schon nichts anzufangen weiß, kann man ihn immerhin noch verarschen. Eine schwierige Lage, bis das Papiergeld erfunden wird. Von Mephisto, klar. Da haben alle was davon. Helena tritt düster auf und wieder ab. Auch ein Affe ist immer dabei. Der erste Akt, eine Stunde, null Effekt.

Im zweiten Akt wird es nicht viel besser. Eine Knäbin liest mit Eifer, einige Requisiten aus Teil 1 tauchen auf. Die Postdramatik wird erklärt von einem Macher der ersten Stunde, der im Pflegeheim residiert, man ist also zur Selbstironie fähig, ein Pluspunkt.
Muppets übernehmen das Kommando, man muss selber lachen auf der Bühne. Spielt man jetzt auf Zeit? Man liegt doch gar nicht in Führung!
Faust krümmt sich auf der Bühne, ich mich in meinem Sessel, als ein absurder, sturzdummer Dialog über Goethe in Dresden beginnt. Nun ist der Tiefpunkt erreicht.
Ich überlege, womit ich werfen soll, aus dem 2. Rang täte das seine Wirkung, aber … im Deutschen lügt man, wenn man höflich ist. Und hier ist man immer höflich.
Der Glaskasten ist an sich eine gute Idee, manchmal blitzen auch andere auf, nur die Wüste bleibt trocken trotz dieser Tropfen. Vor der Pause noch was zur Klampfe, no, no, nono. Genau.
(Für meinen verbalen Ausrutscher in einem mehr oder weniger sozialen Medium um diese Zeit möchte ich mich aber in aller Form entschuldigen)

Erstaunlicherweise sind noch viele da nach der Pause. Und die werden belohnt. Trotz der wieder gestammelten Erläuterung zur griechischen Geschichte nimmt die Angelegenheit Fahrt auf, ein ganz anderer Stil, reduziert in den Mitteln, konzentriert auf den Text. Ich reibe mir die Augen. Ist das die gleiche Inszenierung? Die Kulisse dröhnt bedrohlich, Helena und Faust kriegen sich mit unlauterer Hilfe von Mephisto, jetzt passt das auch, auch wenn ein buntes Potpourri am Ende wieder einen Rückfall befürchten lässt.
Dann verdingen sich Faust und Mephisto als Söldner, gewinnen einen Krieg für den Kaiser, Helena ist schwanger, familiäres Idyll am Buddelkasten (mit schönem Gretchenfragen-Dialog), dann aber der Absturz, als der gemeinsame Sohn zu Tode stürzt. Helena entschwindet nach dem Begräbnis.

Der letzte Teil ist zweifellos der beste. Das macht nun richtig Spaß. Faust in großer Pose. Hitler? Ich bin mir nicht sicher. Im Video eine Kakophonie von Gelehrten, die einem alle den Faust erklären wollen.
Ein Gezeitenkraftwerk soll es nun werden als bleibende Tat, dafür müssen Menschen weichen. Es trifft ein altes Paar, bei der Umsiedlung geht leider ihr Haus in Flammen auf, die alten Leutchen gleich mit. Mephisto ist nur der Vollstrecker des Faustschen Willens.
Dieser Faust ist nun alt, es geht ins Endspiel. Nein, kein Graben wird das, es wird ein Grab. In jeder Art ist er verloren. Sieben Schauspieler rezitieren im Chor seine letzten Verse. Schön. Dankeschön. Ein guter Schluss.

Trotzdem geht es noch ein bisschen weiter. Der Kampf der Heerscharen (himmlisch und höllisch) muss noch geschildert werden.
Mephisto erliegt dem Charme der Engel, ist kurz unaufmerksam, schon ist die Seele weg, zum Himmel entschwunden. Alles war umsonst.
Ein honigsüßes Ende, passend mit einem Schlager vertont, großes Finale. Schön die Verlesung der Beteiligten, wie bei der großen Samstagabendshow.
Begeisterung dort, wo die Zuschauer sitzen, Jubelstürme. Es hat gefallen, das Ende war die Wende.

In diesem Sinne: Danke für den Besuch, Thalia. Gern mal wieder.
Ach so, die Überschrift. Ich denke, Faust ist eher so Dortmund. Er mag der Sieger der Herzen sein, aber die Abendkasse hat Mephisto an sich genommen. Jede Wette.

Das schöne, arme Geld

„CASH. Das Geldstück“, ein Projekt von Melanie Hinz und Sinje Kuhn sowie der Bürgerbühne am Staatsschauspiel Dresden, gesehen am 19. Mai 2013

Es ist eine Lanze zu brechen. Für das liebe, gute, schöne Geld, das im Stück doch sehr schlecht behandelt wird. Aber dazu später.

Zwölf Menschen-Markt-Teilnehmer stehen anfangs in ihrer Weißwäsche vor dem Publikum und werden mit ihren finanziellen Verhältnissen und ihrem Kontostand vorgestellt. Es ist ein breites Spektrum, auch wenn keiner von ihnen richtig reich ist, die Palette reicht vom taschengeldberechtigten Schüler über einen hoffnungsvollen Jungbanker und einer, die das schon hinter sich hat, bis zum glücklichen Hartzer. Die Durchschnittsverdienerin ist ebenso dabei wie ein Amateurspekulant, den Manne Krug damals für die T-Aktie geworben hat, dem das Glück aber nicht erhalten blieb.

Uns wird ein Geldregen nebst –rausch vorgeführt, dann kommt Marx aus der Kiste. Geld ist Scheiße, aber kein Geld auch, so lässt sich die Disputation zusammenfassen.
Es ist immer wieder ein bewegender Moment an der Bürgerbühne, wenn die einzelnen Biographien zur Sprache kommen, das ist diesmal DDR- und Wende-Geschichte par excellence. Das Begrüßungsgeld gleich auf den Polenmarkt geschafft, für Korbmöbel, ja, so war das. Und dass der russische Laden in Kamenz so eine Art Kirche der verlorenen Heimat war, kann ich gut verstehen. Aber Eduard (Zhukov) beißt sich durch und steigt in den boomenden Markt für Pokemon-Karten ein. Köstlich sein Verkaufsgespräch mit Konstantin (Burudshiew), der Junge kann es mal weit bringen. Beide Darsteller sind mir eine Extra-Erwähnung wert, letzterer auch wegen seines Gesangs.

Die These, dass man das, was man nicht hat, auch nicht verlieren kann, wird uns dann plausibel nahegebracht. Freedom is just another word for nothing let to lose … Hätte hier gut hergepasst. Die Sterntalergeschichte mit ihrem Goldregen am Ende ist in diesem Zusammenhang vielleicht nicht ganz so passend.
Der wahre Reichtum ist Zeit, genau, völlig d’accord.

Die Maskottchenkarriere von Katharina Heider ist beeindruckend, auch wenn sie vor falschen Gesten nicht gefeit ist. Beim Escort-Service war hingegen schon am Anfang Schluss, die Unterwäschepauschale und die damit erworbene Bekleidung zweckentsprechend einzusetzen, scheiterte an den moralischen Werten.
Die These aber, dass letztlich das Verkaufen seiner Arbeitskraft auch nichts anderes als Prostitution wäre, hätte einer tieferen Diskussion bedürft, so einfach ist das glaub ich nicht. Zwar lässt schon einer, dem die Bürgerbühne heute sicher viel Spaß machen würde, seinen Peachum „Was ist die Ermordung eines Mannes gegen dessen Anstellung?“ fragen, aber die Arbeit hat sehr viele Facetten.

Nun gibt es eine Auffrischung in Scheidungsmathematik. Die Noch-Ehefrau fühlt sich auch ein bisschen wie die Nutte ihres Ex, wenn sie Geld von ihm bekommt und das mit früheren Gefälligkeiten in Beziehung bringt, aber dazu gibt es keinen Grund, Gnädigste.
Anrührend auch die Geschichte der Mannheimer Ex-Bankerin vom Aufstieg und Fall einer Karrierefrau. Den heutigen Mäzen gönn ich ihr von ganzem Herzen.
Fast schon klischeehaft der Werdegang des Ballonfliegers und Luftikus, der durch sein Glück bei Ron Sommers großer Volksverarsche Blut leckte, mal kurz am Reichtum schnupperte, dann aber doch wieder unsanft landete.
Nicht zuletzt der Kellner aus Berufung, der heute nicht mehr kellnern kann. Seine Geschichten aus der Mitropa lassen die Älteren im Saal wissend grinsen.

Nun werden Träume in Szene gesetzt, sehr schön das Ganze, sowohl optisch als auch akustisch. Money makes the world go … down? No Sir. Ich erhebe fristwahrend Einspruch und begründe ihn später.
Ein kluger Text des Diakon über das Verhältnis zum und die Bedeutung des Geldes weist eigentlich den richtigen Weg. Es ist eine Krise des Geldes, der Kredite, aber vor allem des Glaubens (daran).
Aber nun okkupiert Occupy die Bühne, die Parolen werden holzschnittartig, Gutmenschen-Attitüde, Sozialromantik. Einzig mit der kurz aufblitzenden Forderung nach einem bedingungslosen Grundeinkommen bin ich voll einverstanden, alles andere ist doch sehr simpel gestrickt.
Dank des Sparkassenbediensteten (Guido Droth sehr souverän), der dem Treiben erst skeptisch zusieht, dann aber darauf hinweist, dass es auch Falschgeld nicht umsonst gibt, kriegt man die Kurve noch zu einem plausiblen Finale.

Über Geld spielt man nicht? Im Gegenteil. Vor allem dann, wenn man so authentisch daherkommt wie dieser Abend. Auch wenn der Girokontostand sicher nicht die ganze Wahrheit ist: Hier enthüllen zwölf Menschen aus Dresden eines ihrer intimsten Details und verraten das persönliche Bankgeheimnis. Aber noch viel wichtiger, sie sprechen über ihre Geldgeschichte und über ihr Verhältnis zum Mammon. Das ist hochinteressant, da kann jeder mitdenken und –reden, das kommt in den besten Momenten sehr ergreifend daher, lässt uns aber auch lachen. Ein erneuter, schöner Beweis: Die Bürgerbühne lebt von dem (offenbar unerschöpflichen) Potential der Mitwirkenden, und von den großartigen Stück-Ideen der künstlerischen Leitung.

Wenn ich doch nicht ganz zufrieden abstieg aus dem KH3, lag das an einigen inhaltlichen Untiefen. Man kann natürlich auf das Geld schimpfen, aber … man prügelt den Sack damit und meint doch den Esel. Mit Maschinenstürmerei wird nichts besser.
Das Problem am Geld (eine der segensreichsten Erfindungen neben dem Rad im Allgemeinen und der Eisenbahn im Besonderen sowie der Anti-Baby-Pille) ist nicht dessen Existenz, sondern der Umgang damit.

Das Grundproblem ist doch ein ganz anderes:
Warum wohl ist sowohl in der Bibel als auch im Koran der Zins verboten? Welcher Idiot hat dieses verdammte Wachstumsdogma erfunden, das nicht nur unsere Umwelt, sondern auch unsere Gesellschaft kaputtmacht? Ist nicht das private Eigentum an Produktionsmitteln und allen anderen Gütern der Kern aller Ungerechtigkeit?
Ich glaube manchmal, unsere Weisheit nimmt in dem Maße ab, wie unser Wissen zunimmt.

Geld war am Anfang nichts anderes als eine große Erleichterung des Tauschhandels, aber auch der Vorratshaltung. Für eine arbeitsteilige Wirtschaft ist ein Hilfsmittel, das die produzierten Güter wertmäßig zueinander ins Verhältnis setzt, absolut unverzichtbar. Ich habe große Sympathie für die diversen Tauschbörsen, die dem Naturalhandel frönen, aber das sind Nischen. Keiner kann seine Miete mit Dienstleistungen zahlen (von speziellen Konstellationen mal abgesehen, um mir nicht den Anschein von Weltfremdheit zu geben).
Deswegen hätte ich gehofft, die großen Themen Eigentum, Zins und Wachstum wären zumindest angerissen worden. Im Programmheft geht man da leider nicht viel weiter, die „Geldkritik“ von Dieter Schnaas kratzt auch nur an der Oberfläche.

Dennoch, die „Experten des Alltags“ (wie die Bürgerbühne kurz und treffend beschrieben wird) haben auch zu diesem Thema viel Bedenkenswertes zu sagen. Allen, die sich auch für Geld interessieren, sei diese Aufführung als gewinnbringend empfohlen.

Mitleid mit Hoeneß

Zum Interview in der ZEIT vom 02.05.13 mit Uli Hoeneß, Fußballheld, -funktionär und mutmaßlicher Steuerbetrüger

Nein, der Titel ist kein bisschen ironisch zu verstehen. Ich habe wirklich Mitleid mit dem Mann.

Dabei mag ich ihn nicht besonders. Er war mir zu sehr der „Mia san mia“ – Typ, zu arrogant wirkte er meist, zu machtversessen. Respektiert habe ich ihn aber immer, seine deutlichen Worte hoben sich angenehm ab vom üblichen weichgespülten Geschwafel seiner Kollegen. Der Hoeneß war halt einer, den man in Kauf nahm zum FC Bayern, wie Rummenigge und Sammer.

Dann die große Nachricht, breaking news: Hoeneß ist der Steuerhinterziehung verdächtig. Und später: Gegen ihn läuft ein Haftbefehl, der nur gegen eine wahnwitzige Kaution von 5.000.000 Euro außer Vollzug gesetzt wurde.
Die Absetzbewegungen waren fortan im Stundentakt zu verfolgen. Auch Frau Kanzlerin ließ ausrichten, sie sei menschlich enttäuscht.
Und Hoeneß? Saß auf der Tribüne und sagte: Nichts.

Bis heute. Da ließ er die ZEIT kommen und ihn interviewen. Eine kluge Wahl, bei der FAZ oder dem Fokus hätte man vielleicht von Gefälligkeitsjournalismus gesprochen, der SZ und dem Spiegel wollte er diese Story wohl nicht gönnen und von BILD wurde ihm – falls er da nicht selbst draufkam – sicher abgeraten.

Nun also die Edelfedern aus Hamburg. Zwar war so ein Experiment, an der Medienfront wieder in die Offensive zu kommen, beim Guttenberg grandios gescheitert, aber da lag der Fall auch anders.
Nun also spricht der über Nacht vom Paulus zum Saulus gewordene erstmals über „die Sache“. Wenn sich einer wie Hoeneß dabei des moralischen Beistands seines Sohnes und nicht eines hochkarätigen Strafverteidigers versichert, müssen die Dinge wirklich schlimm liegen. Nicht nur materiell, vor allem auch emotional.

Vorweg: Der ZEIT gelingt ein glaubwürdiges, seriöses Interview ohne Anbiederung, aber auch ohne öffentliches Schlachten. Fast wie bei einer Vernehmung wird die Geschichte aufgerollt, von den Anfängen (die Zockerkumpanei mit dem Adidas-Chef) bis zur heutigen Angst vor dem Gefängnis.
Am Ende sitzt einer da, der mit der jahrelangen Verdrängung seines Problems letztlich seine Lebensleistung entwertet und sich in alle Ewigkeit kompromittiert hat. Um dem das nur zu deutlich bewusst ist.

Uli Hoeneß ist krank. Das darf man vermuten, ohne ihm zu nahe zu treten, seitdem Spielsucht in ihren vielen Variationen als psychische Krankheit anerkannt ist. Er selber sieht das nicht so, seine Familie aber durchaus, wie sein Sohn zu Protokoll gibt. Dieser Moment im Interview dürfte sich dem ehemals stolzen Hoeneß eingebrannt haben.

Über Jahrzehnte hat er – zunächst mit fremdem Geld – ein Konto in der Schweiz gehalten und über dieses seine riskanten Börsenspekulationen abgewickelt. Hier war ein ganz anderer Hoeneß am Werk, nicht der erfolgreiche Wurstfabrikant, nicht der toughe, aber urmoralische Bayern-Präsident. Sein Mr. Hyde tobte sich auf dem Parkett aus, nicht ohne auch Unsummen zu verlieren dabei.
Steuern hat er auf seine Schweizer Gewinne nie gezahlt. Diesen Teil seines Lebens hat er – nicht nur bei der Steuererklärung – erfolgreich verdrängt, es sollte ja auch niemand wissen. Hätte nicht ins Bild gepasst.
Das Konto lief übrigens bei der Vontobel-Bank, nicht nur das schreit nach theatralischer Aufarbeitung. „Der Räuber“?, „Aufstieg und Fall des Uli H.“? Roger, übernehmen Sie!

Das Stichwort „Monopoly“ fällt. Ich glaube ihm, dass er das so ähnlich gesehen hat, ein Spiel im Verborgenen, die dunkle, reizvolle Seite des Geldes. Brauchte einer wie Hoeneß solche Kicks? Wenn die These von der Spielsucht zutrifft, dann schon.

Irgendwann hat Hoeneß reinen Tisch gemacht, nachdem das Problem aus seinem Hinterkopf nicht mehr rausging. Drei Steuer-Profis haben seine Selbstanzeige formuliert. Dennoch jetzt der Haftbefehl. Waren sie so schlampig oder ist da noch mehr? Erstaunlich unprofessionell agierte der Verdächtige hier, als die Staatsanwaltschaft eines Morgens an der Villa klingelte, hatte er nicht mal einen Anwalt, der er anrufen konnte.

Inzwischen ist das geklärt und Hoeneß wieder auf freiem Fuß, vorerst. Fluchtgefahr scheint wirklich nicht zu bestehen, wo sollte er auch hin? Sein Gesicht kennt man auf der ganzen Welt.

Ohme mehr als die Aussagen aus dem Interview zu kennen, ist es schwer, sich ein Urteil zu bilden. Egal, ob er bewusst Steuern hinterzog, um noch reicher zu werden oder diesen Teil seines Lebens komplett ausblendete, sein Lebenswerk liegt in Trümmern. Selbst der große FC Bayern ist von der öffentlichen Meinung abhängig, die Tage als Aufsichtsratschef sind sicher gezählt, und ob von seiner Firma noch jemand ein Stück Wurst nimmt? Alles andere als gute Aussichten.

„Menschlich“, um mal so banal zu sein, ist die Sache tragisch. Wie viele andere auch allerdings. Der Beispiele gibt es viele, in ganz unterschiedlicher Art und Größe. Auch die Schwarzarbeit der Putzfrau ist steuerliches Unrecht, und viele von denen, die jetzt die ersten Scheine werfen, sitzen im selben Tresorraum.

Ja, ich habe Mitleid mit Hoeneß. Mitleid deswegen, weil er nicht die Kraft und Weitsicht hatte, schon früher auszusteigen oder gar nicht erst damit anzufangen. Dass er jetzt viel Häme und Spott ob seines vormaligen Saubermann-Images einstecken muss, ist hingegen nur gerecht. Hätte er mal geschwiegen früher, dann wäre er ein einfacher Steuersünder geblieben.

Ich wünsche ihm einen fairen Prozess ohne Promi-Bonus oder –Malus und ohne Medien-Hype (was wohl unrealistisch ist). Und falls er ins Gefängnis muss, familiären Rückhalt und viel Besuch. Und danach ein ruhiges Leben als Rentier, irgendwo in den bayerischen Bergen.

Uli, Du hast ´76 schonmal einen wichtigen Elfmeter verschossen. Diesen jetzt hast Du noch viel weiter in die Tribünen geballert. Und es gibt leider kein Rückspiel.

Who the fuck ist eigentlich dieser Götze?

Der Livekommentar vom Sessel aus, in Facebook festgehalten.

„Man hat sich am deutschen Fußball vergangen“, sagt ein alter Mann mit Brille, der soll wohl populär sein. Das geht ja gut los beim ZDF.
Auch sonst sehr dramatisch.

Schicke Brille hat der Klopp, der Ollie könnte mal zum Friseur.

So ein Wirbel um diesen Bubi? Justin Bieber in sportlich. Dass die Gesetze des Marktes auch und gerade beim Fußball wirken, sollte doch bekannt sein.

„Real weghaun“, genau. Ich geh auch lieber in den Konsum.

So richtig nett sieht eigentlich keiner aus, doch, Mourinho.

Um Gottes Willen, was haben die denn an? Hier vergeht man sich nun wirklich am deutschen Fußball.

„Der Scalp von Klopp fehlt ihm noch“, aha, deswegen die viele Polizei.

Nach 1.52 min beginne ich mich zu langweilen.

Rote Schuhe, schick.

Kann das sein, dass Mourinho dicker geworden ist? Was nimmt der denn?

Auf dem Feld herrscht Freude. Zumindest bei einem Teil der Spieler.

Die himmelblauen Hemdchen haben was. Zumindest deutlich mehr als dieser Design-Unfall in schwarz und gelb.

Die können das Tor so oft zeigen wie sie wollen, es gilt trotzdem nur einmal.

Ich hab den Eindruck, es sind mehr Gelbe als Weiße. Ob das Mourinho merkt? Oder ist das so üblich bei Heimspielen?

Übrigens, Borussia ist der latinisierte Name des ehemaligen deutschen Königreichs Preußen.

Ob das jeder im Stadion weiß? Ist ja auch egal.

Allerdings: Die Borussia – Stiftung und Kulturgemeinschaft Olsztyn / Allenstein ist eine auf kulturellem Gebiet tätige Nichtregierungsorganisation im Nordosten Polens.

Uns so schließt sich schön der Kreis zu den frühen Gastarbeitern in den Ruhrzechen, die heute so schön den deutschen Fußball speisen.

Auf dem Rasen ist nicht so viel los, da kann ich weiter wiki-en.

Auweia, hingefallen isser.

Und so kanns kommen. Viva l’Espagna, viva Don Carlos.

Eigentlich wollte ich schreiben, dass mir bei „Borussia“ auch Diederich Heßling einfällt, obwohl der Teutone war. Egal, derselbe Krempel.

„Kollektiv“, lange nicht gehört, dieses schöne Wort. Nun Pausentee, wie wir Reporter sagen.

Ob der Hoeneß den Götze von der Steuer absetzen kann?

Aha: Die dritte Borussia der Hamburg-Amerikanischen Packetfahrt-Actien-Gesellschaft (Hapag) war ein von der Krupp´schen Germaniawerft in Kiel gebautes Einzelschiff, das als Truppentransport- oder Auswandererschiff eingesetzt werden sollte.
Am 22. Oktober 1907 kenterte die Borussia bei der Kohlenübernahme auf dem Tejo nahe Lissabon. Drei Personen kamen dabei ums Leben.
Und wer kommt aus Lissabon? Richtig. Ein schlechtes Omen.

Die schönen Tage von Aranjuez sind für Borussia erstmal vorbei. Können Sie mir folgen?

Der Palacio Real de Aranjuez (span. „Königlicher Palast von Aranjuez“) ist ein Schloss in der gleichnamigen Stadt in Spanien, ca. 50 Kilometer südlich von Madrid.

Was der Löw so erzählt … Was ist der eigentlich von Beruf?

Die Frisur von dem Reus hab ich in den achtziger Jahren mal gesehen.

Viva Polonie! Aber die Bäuche könn’se wieder einpacken bitte.

Wenn man eine gelbe Karte bekommt, kann man die dann behalten?

Hoijoijoi …

Und ne vernünftige Frisur hat er auch, der Reinmacher.

K. S.
Noch ein Tor darf er aber nicht schießen, sonst wird er von Bayern gekauft.

„Ich werde nie zum FC Bayern gehen …“

Ohne seinen Migrationshintergrund sähe der teutsche Fußball ziemlich alt aus.

Der Reporter bemerkt, dass B. noch richtig was draufgelegt hat nach der Pause. Das überrascht mich nun doch.

Drei Ecken, ein Elfmeter. Das würde das Spiel aufwerten, fernsehtechnisch.

Nein, kein Elfmeter, höchstens neun.

Angesichts der wirtschaftlichen Gesamtsituation in Europa wären ein paar spanische Tore nun angebracht.

Zu Zeiten Philip II. war Madrid übrigens der Mittelpunkt der Welt, machtpolitisch gesehen. Ist aber schon eine Weile her.

Herr Reus hätte sich aber „Gelb“ reichlich verdient.

K. M.
Ich lese parallel den live Kommentar von der Konkurrenz – deiner ist amüsanter – nur weiter so 🙂

Ich hätte Don Carlos eingewechselt. Kaka, das klingt ja albern.

Großes Theater. An welches Haus geht der denn in München?

Was den Franzosen die Algerier, ist dem Ruhrpott offenbar Schlesien.

Blöd ist ja, dass man am Ende gar nicht weiß, wer weitergekommen ist. Könn die das nicht gleich ausspielen? Kann mich doch unmöglich nochmal so lange vor die Glotze setzen.

Wenn einer so große Handschuh hat, ist es ja auch kein Wunder, dass der alles hält.

Aha, er hat also schon an drei Paraden teilgenommen.

Wenn einer „Kevin“ heißt, kann man getrost Landsmann zu ihm sagen.

K. M.
Kriegst Du das beim Endspiel als Livestream-Hörbuch hin?

Bei schönen Frauen bin ich willenlos. (Offtopic)

Schieber, Schieber … hab ich früher auch gerufen, als der BFC immer in Dresden gewonnen hat.

„Schluss, aus, vorbei“. Welch überraschende Worte zum Ende. „Der Wahnsinn“. Auch das.

Dann also im Finale doch Preußen gegen Bayern. Dann könn die aber auch in Leipzig spielen. Spart Reisekosten, und die Hütte dort ist eh leer.

Freuen wir uns nun auf das Livekabarett mit Ollie & Ollie.

Ich sollte übrigens auch mal Oliver heißen, der Kelch ging aber an mir vorüber.

Ein 4:1 ist allerdings kein 4:0, das wollte ich nur mal gesagt haben.

Ach, Ollie … Ein Sakko wie von Präsent20 und dann noch reden über Dinge, zu denen Dir der Zugang fehlt … Aber rechnen geht.

„Ja gut, äh …“ Mir hat schon was gefehlt. Obwohl der Froanz gar nicht dabei ist. Das Bullshit-Bingo kann beginnen.

Ollie hat genau beobachtet. Er ist ja auch ZDF-Experte von Beruf.

Und das 2:1 war doch Abseits, sagt der Sessel-Experte.

Tänzerisch ist das 3:1 aber zwei Tore wert, das gleicht sich also wieder aus.

Hat der Welke eigentlich einen Hals? Fällt mir grad so auf.

Wir müssen gucken. Genau. Erst mal gucken, dann mal sehn.

Vollmond, nicht im Fernsehen, sondern draußen. Schön.

Im Gegensatz zum Blödel-TV muss man bei der Quiz-Frage richtig nachdenken. Gab’s zu Netzers Zeiten schon die Champignon-Liga?

Ich bin emotional ein Bayern-Fan. Keine Ahnung warum.

Dante … auch ein schöner Name.

Ach, Rüberie … tu es grand.

Darf man hier „Schweinchenbesteiger“ schreiben? Ich mag den einfach nicht.

Karl-Heinz will sich den FC Bayern nicht ohne Hoeneß vorstellen. Ja gut, äh, aber im Knast hat man doch auch fernsehen?

Herr Mourinho hat es nicht genau gesehen. Hätte TV gucken sollen.

Also: Die Borussia ist nicht vor Lissabon gesunken, Preußens Glanz strahlt durchaus.

Jetzt reicht es aber mit Fußball. Zurück in die Funkhäuser.

Der Besuch der jungen Katze

Etwas weckt mich. An meiner rechten Hand spüre ich eine weiche, wollige Berührung, ganz zart. Noch sind meine Augen geschlossen.

Ich vermute, die Hand hängt aus dem Bett heraus. Das tut sie morgens öfter, ich hab da wenig Einfluss. Also muss das draußen sein, außerhalb des Bettes. Und obwohl die Berührung alles andere als unangenehm war, bin ich erleichtert.

Die Augen weiter geschlossen, überlege ich, was es sein könnte, das mich da touchierte. Meine Wohnung ist gewöhnlich menschenleer, vor allem wenn ich nicht da bin. Ein Tier? Besitze ich nicht, leider, aber von Guppys abgesehen, könnte ich das auch keinem antun. Und Guppys mag ich nicht besonders.

Es könnte das Rätsel lösen, wenn ich die Augen öffnete. Aber der Wecker, oder besser keiner der vier, hat noch nicht geklingelt. Sollte ich da wirklich schon mit der Welt Kontakt aufnehmen? Ich zögere.

Die Neugier siegt, die Lider heben sich. Nein! Vor mir, in etwa einem Meter Abstand, sitzt auf dem Laminat, das noch nicht einmal versucht, wie Parkett auszusehen, ein wunderhübsches, grauweißgetigertes Fellhäufchen und mustert mich interessiert. Erschrocken kneife ich die Augen wieder zu und nähere mich dem Problem zunächst theoretisch.

Habe ich vielleicht Besuch? Besuch mit Katze? Vorsichtig strecke ich meinen Hintern in den bisher nicht von mir belegten Teil des Bettes. Da ist nichts.

Kurz öffne ich die Augen. Die Katze ist noch da.

Bin ich vielleicht gar nicht zu Hause? Was war eigentlich gestern? So spät war es doch gar nicht, und soweit ich mich erinnere, mündeten die freundlichen Plaudereien nicht in einen Hausbesuch. Und so häufig kommt das ja nun auch nicht mehr vor. Auch ich werde älter.

Doch ganz sicher bin ich mir nicht. Erneut öffne ich die Augen, diesmal einen Moment länger. Doch, hinter der Katze erkenne ich ein Schrankregal und den Sessel, auf den ich abends schwungvoll meine Klamotten zu werfen pflege. Das muss meine Wohnung sein.

Nochmal Augen zu, zum Nachdenken. Wenn ich ich bin und ich hier, dann kann die Katze nicht gleichzeitig auch hier sein. Ich habe keine.
Träum ich? Schon möglich.
Eine erneute Sichtkontrolle. Die Katze ist immer noch da. Aber was ist das? Sie erhebt sich von den Hinterpfoten, wendet sich gelangweilt ab und trabt in Richtung Wohnzimmer.

„Kätzchen!“ versuche ich zu rufen. Es ist mein erstes Wort an diesem Tage, entsprechend klingt es. Nichts, womit man Katzen beeindrucken könnte. Natürlich reagiert sie nicht.

Was nun? Aufstehen und das Kätzchen vielleicht erschrecken? „Miau, miau“ machen und sich damit vor dem Kätzchen blamieren? Die Polizei rufen (das Telefon liegt bereit)? Über diesen Überlegungen schlafe ich ein.

Irgendwann danach.
Jeder der vier Wecker hat mich auftragsgemäß gequält, eine halbe Stunde später steh ich dann auch auf. Da war doch was? Richtig, eine Katze! Eine Katze? Ich nenne mich einen Spinner und starte das übliche Morgenprogramm. Das heißt ich schlurfe ins Bad und bringe das Notwendige hinter mich, um dann die Kaffeezubereitung anzugehn.

Auf dem Weg in die Kleinküche muss ich durchs Wohnzimmer. Warum liegt mein Monatsblatt auf dem Fußboden? Der Wind. Klar, wenn man – seitdem der Frühling vor ein paar Tagen schuldbewusst, also umso heftiger von meinem Stadtviertel Besitz ergriff – alle Fenster auf Kipp stehen hat, kann das schon mal passieren. Zugluft halt.

Der Wasserkocher wird lauter, mein Kaffee mit Migrationshintergrund ist bald fertig. Der Kühlschrank bietet ein Bild, das Hilfsorganisationen auf den Plan rufen würde, wenn er öffentlich wäre. Aber das ist er zum Glück nicht.

Vorsichtig am Heißen nippend und dabei wie immer eine kräftige Portion Kaffeesatz schluckend, fällt mir eine Begebenheit von vor zwei Tagen ein. Auf dem breiten Fensterbrett des Wohnzimmers bewahre ich in einer flachen Schale Sand von Hiddensee auf, in welchem eine Figur von Wanitschke steht. Bisschen kitschig, aber ich mag die Komposition.

Aber vor zwei Tagen lag die Figur mit dem Gesicht im Sand, als ich nach Hause kam, und Teile von jenem bedeckten das Fensterbrett und das darunter befindliche Tischchen. Auch da hatte ich kurz gegrübelt und dies dann ebenfalls auf die Zugluft und eine lokal begrenzte Windverwirbelung geschoben, ohne gänzlich überzeugt davon zu sein.

Konnte das ein Zufall sein? Gibt es einen Poltergeist in meiner Wohnung, der sich in verschiedenen Gestalten zeigt, mal als Windhose, mal als Kätzchen? Nein, ich glaube an gar nichts, nur an die Physik. Und manchmal auch an die Biologie.

Misstrauisch mustere ich meine hässlichen Plastefenster. Durch diesen schmalen Kippspalt konnte doch unmöglich …
Eine weitere Begebenheit fällt mir ein. Vor einigen Wochen begegnete ich vor meiner Wohnungstür dem Nachbarsfräulein, welches freudestrahlend zwei winzige Katzenwesen um ihre Beine streichen ließ. Auch ich hatte das Vergnügen, den später mal männlichen Teil dieses wie ich erfuhr Geschwisterpaares zu kraulen und vernahm, dass jenes Duo nun auch hier wohnen würde. Ich gab meiner Verblüffung Ausdruck, dass im Januar Kätzchen geboren würden (denn älter waren die Winzlinge nicht) und ging meiner Wege.

Sollte ich tatsächlich nicht geträumt und Besuch von nebenan bekommen haben? Katzen können alles, da sind wir uns sicher einig. Noch ein Blick zum gekippten Fenster. Für ein erwachsenes Katzentier wäre der Spalt sicher zu eng, aber … für die Zwerge? Doch, so musste es sein. Die katzentypische Neugier, begünstigt durch zwei gekippte Fenster und ein Schrägdach, auf dem sich das Tierchen sicher wohlfühlte, und der Hausfriedensbruch der schönsten Art war vollbracht.

Ein Strahlen erhellt mein Antlitz. Vielleicht war sie ja noch da? „Kätzchen, Kätzchen!“ rufe ich in allen Wohnungsecken, doch kein Kätzchen lässt sich blicken. Dennoch war bin gerührt. Von allen Lebewesen auf diesem Planeten sind die Katzen mir die liebsten.

Ein Untertellerchen stelle ich bereit, gefüllt mit Lassi, was anderes war halt nicht da. Aber Bio, immerhin. Mein Besuch soll sich doch wohlfühlen. Fröhlich geh ich duschen.

Meinen Aufbruch in den Alltag zögeree ich so lang es geht hinaus. Doch kein Kätzchen ist zu sehn. Ob sie jemals wiederkommt?

Dank der fußläufigen Entfernung meines Arbeitsortes kann ich bereits am Mittag wieder nach dem Kätzchen sehen. Das glänzt aber weiterhin mit Abwesenheit. Schade.

Einkauf am Nachmittag. Meinen Konsum-Korb (Konnsum, nicht Konsuhm) ziert auf einmal eine Dose Katzenfutter, vom besten natürlich. An der Kasse summe ich Manne Krug vor mich hin, „da bist du ja“. „Ich gehe los und kauf dir ein Frikassee …“ Genau.

Zuhause: Keine Katze. Das Tellerchen nicht angerührt. Keine Figur umgekippt. Enttäuschung.

Ich glaube, seit heute morgen hat sich mein Leben verändert. Ich werde immer darauf lauern, ob das Kätzchen sich wieder einschleicht. Und wenn ja, werde ich es kraulen, bis es schnurrt.

Doch irgendwann wird es nicht mehr durch den Fensterspalt passen.

Heissa Hopsasa in Salastros Tempel

„Die Zauberflöte“ von W.A. Mozart, Regie Rudolf Frey, gesehen am 13. April 2013 im Landestheater Eisenach

Die Geschichte, wie ich in diese Aufführung gelangte, wär auch was für die Oper, muss aber aus Datenschutzgründen unerzählt bleiben. Nur soviel: Sechs Stunden zuvor wähnte ich mich noch am Abend bei einem gemütvollen Konzert der Musikformation Tocotronic in Dresden. Doch es kam anders.

Strandest Du in Eisenach, Fremder, hast Du zwei Möglichkeiten. Du kannst Dich zur Wartburg hochquälen, welche 18 Uhr schließt, und Dich nachher der gutbürgerlichen Thüringer Küche widmen oder durch die erstaunlich gesichtslose Innenstadt schlendern und hoffen, dass es am Abend Kultur gibt.

Ja, gibt es. Das Theater kenne ich, ohgottohgott, von vor fast zwanzig Jahren, die „Maßnahme“ vom Brecht hab ich hier gesehen. Die Zauberflöte ist nur bedingt vergleichbar.
Doch es sei.

Das Theater hat sich kaum verändert, im Gegensatz zu mir. Vor drei Wochen war Premiere, ausverkauft und umjubelt hoffe ich, aber auch heute ist der Saal gut gefüllt.

Vorneweg: Ich habe von Oper schlicht keine Ahnung. Aber ich kann auch nicht kochen. Darf ich deshalb nicht sagen, ob es mir schmeckt?

Das Werk ist ein Klassiker: Wie üblich hält eine Humbug-Story die Arien notdürftig zusammen.
Ohne die Geschichte zu wichtig zu nehmen, sollte man doch mal anmerken, dass es sich bei den „Eingeweihten“ um eine Sekte handeln muss, die erst das Töchterlein der Königin der Nacht entführt und dann noch den männlichen Haupthelden das Hirn mit 60 Grad wäscht. Die Massenhochzeit am Ende passt dann auch ins Bild.
Insofern sind meine Sympathien eindeutig verteilt, zumal die wunderschöne Königin (Elif Aytekin) herzzerreißend singt.

Eine recht kleine Bühne, als Hotelzimmer gestaltet. Ein Paar, das sich sichtlich nichts mehr zu sagen hat,kommt an und geht gemeinsam getrennt zu Bett. Man wird eine Weile brauchen, um diesen Regieeinfall zu verstehen.
Prinz Tamino, der männliche Part dieses Idylls (Häh? Warum reist der mit Dame?) hat schwere Träume. Er wird von einer Schlange mit dicken Brüsten bedroht, was wohl Freud dazu sagen würde?
Ein Damenteam rettet ihn, aber den Dank bekommt Papageno ab, der aus dem Schrank auftaucht. Dann erscheint noch die Königin der Nacht, zeigt ein Bildchen des entführten Töchterchens und vergattert den Prinzen zur Rettung. Dazu erhält er u.a. die Zauberflöte. Der Vogelfänger wird Knappe wider Willen.
Zur Plausibilität des Librettos hatte ich mich ja schon geäußert.

Beide marschieren dann getrennt, geraten aber fast gemeinsam in Gefangenschaft und werden blitzschnell umgedreht. Die Königin ist nämlich böse, ihr faktenschaffend das Sorgerecht zu entziehen ist eigentlich eine gute Tat. Soso.
Eine echte böse Mutter zur Abwechslung also, sonst spielt sich sowas ja eher im Patchworkbereich ab.

Erfolgreich gewendet, sollen die beiden nun der Sekte beitreten. Wenn sie denn die Aufnahmeprüfungen bestehen.
Pause.

Der zweite Aufzug, der Beginn ist langweilig. Lächerliches Outfit bestraft die Helden, die Kostüme sind grausam, Tamino in knielangen Hosen und Halbschuhen, aua!
Sie haben Prüfungen zu bestehen, danach erfolgt die Frauenzuteilung durch Salastro, der offenbar einen Stock verschluckt hat.

Die Hässlichkeit des Monostatos wird mit einem Faschingskostüm illuminiert, sein BlackFace würde anderswo Diskussionen auslösen. Der Versuch der sexuellen Nötigung wird vom Hohepriester damit begründet, dass seine Seele so schwarz sei wie sein Gesicht. Auweia. Wenn das mal keine Spiegel-Story gibt.

Die Königin ist trotz einem tantchenhaftem Kostüm in ihrem letzten Auftritt großartig, ja, der mit der berühmten Arie. Heftiger Szenenapplaus.

Eine der Prüfungen ist das Schweigegebot, anderswo Omertá genannt. Das sollte für Männer doch kein Problem sein?
Es folgen Albernheiten und leider sehr dünne Knabenstimmen. Eine naheliegende Pantomime hätte Pamina viel Kummer erspart, die ist doch gestraft genug mit ihrem Kostüm in Schweinchenfarbe.

Papageno gleitet immer mehr in eine Karikatur ab, ist aber sängerisch stark. Dann folgen noch ein paar Altenwitze.

Finale. Wer bläst welche Flöte hinterm Vorhang? Nee, auf solche Ideen kommt man hier sicher nicht. Die Protagonisten kriegen sich ordnungsgemäß.

Schöne Schlusspointe, man landet wieder im Hotelzimmer vom Anfang, Pamina ist die frustrierte Ehefrau.
Leider endet es dann doch mit einem Happy End.

Das Stück wird über die Saison in einer (fast) Doppelbesetzung gegeben, ich sah die andere (zweite möchte ich nicht sagen) Mannschaft. Leider lag dem Programmheft kein tagesaktueller Besetzungszettel bei, manchmal bin ich also auf Vermutungen angewiesen.
Für mich herausragend: Neben der erwähnten Elif Aytekin Maria Rosendorfsky als Pamina (auch schauspielerisch) sowie Ernst Garstenauer als Sarastro und Francis Bouyer als Papageno, erkennbar auch der Publikumsliebling. Xu Chang als Tamino fiel leider etwas ab, auch weil man seine Sprechtexte kaum verstand.

Was bleibt? Ein insgesamt schöner Abend, kein Ersatz für Tocotronic, aber ein Trost.
Die schlechtesten Kostüme ever, aber vieles, was den Gesamteindruck über Null riss. Und nach langem Suchen eine Kneipe namens Schorschl, in der man solche Texte in Ruhe schreiben kann.

Von der systemstabilisierenden Wirkung der Ungeheuer

„Der Drache“ von Jewgeni Schwarz, Regie Wolfgang Engel, Dramaturgie Robert Koall, gesehen zur öffentlichen Hauptprobe Zwei am Staatsschauspiel Dresden, 9. April 2013

Die besten Regieeinfälle hat dann doch das Leben.
Ein freundlicher älterer Herr sitzt zu Beginn rechts der Bühne und erklärt, wegen der dicken Mandeln des Benjamin P. müsse er nun dessen Rolle lesen. Er heiße übrigens Wolfgang Engel.
Und wie das dann geschieht! Ein Fest, ein Festspiel, ein Wolfgangengelfestspiel! Mit welcher Grandezza da auch die unvermeidlichen Pannen überspielt werden! Fast wird die richtige Inszenierung Nebensache. Als er am Ende verhaftet und von der Bühne geführt wird, ruft Holger Hübner völlig zu Recht: „Das ist doch der Regisseur!“ Diesen Abgang hat er wahrlich nicht verdient.
Ohne Benjamin Pauquet zu nahe zu treten, aber das nochmal zu sehn, wär schon witzig.

Über ein Stück vor der Premiere zu schreiben gehört sich nicht, es grenzt an Hochverrat. Das ist wie Weihnachtsgeschenke vorher zeigen.
Ich beschränke mich also fortan auf die Handlung und einige geheimnisvoll-bedeutungsschwere Andeutungen.
Die erste davon: Mein nächster Kater heißt Clauß.

Man hat es mit einer Stadt zu tun, die seit 400 Jahren von einem Drachen beherrscht wird. Der frisst das halbe Bruttosozialprodukt und einmal jährlich ein Jungfrau seiner Wahl. Aber beides ist eingeplant, man hat sich arrangiert. Stabilität ist wichtig, und Ruhe, und Ordnung. Wer sollte daran etwas ändern wollen?

Da kommt zufällig ein Drachentöter des Wegs, erblickt das für den Drachen vorgesehene schöne Fräulein und – wie es märchengerecht heißen muss – entbrennt in heißer Liebe zu ihr. Jene ist allerdings schicksalsergeben und sich der hohen Ehre des Drachenfutters bewusst. Auch ihr Vater Charlesmagne sieht in diesem Akt seinen Sinn und will höchstens mit seinem eigenen Abgang protestieren.

Die vom Helden angebotene Dienstleistung „1 x pauschal Drachen töten“ will aber keiner haben, vor allem der Bürgermeister rät ab. Dessen Sohn Heinrich sollte zwar ursprünglich das Fräulein Elsa ehelichen, wurde aber mit einem schönen Posten beim Drachen abgefunden. Also alles in Ordnung. Was soll die Aufregung?

Auftritt Drache, in Menschengestalt, wegen der Augenhöhe. Die gängigen Einschüchterungsrituale verfangen beim Helden Lancelot nicht, jener fordert gar den Drachen heraus. Fauch!!! Das hat sich das letzte Mal vor 200 Jahren jemand getraut! Und verloren!
Werden Drachen älter? Jenem ist nicht ganz wohl in seiner Schuppenhaut.

Aber das Volk steht zu ihm. Verkrüppelte Seelen, gebeugte Häupter, man will ja gar nicht gerettet werden. Die Wahrheit sagt man nicht mal sich selbst.
Lancelot wird deshalb mit Küchengeschirr ausgerüstet für den Kampf, der Speer ist auch grad zur Reparatur. Aber das hat man amtlich beglaubigt, der Held soll das Papier mit sich führen und auf Verlangen vorweisen.
Der Drache arbeitet trotzdem an Plan B: Die Jungfrau soll Lancelot erdolchen, zum Dank soll eine andere dran glauben.

Wunder gibt es immer wie-hieder. Elsa ist vom Helden angetan, der Dolch fliegt in die Kulisse. Und dazu gibt es auch noch Wunderwaffen für Lancelot aus dem Untergrund. Dann kann es ja losgehn. Was wir kurz vor der Pause zu sehen bekommen, muss hier leider noch ein Geheimnis bleiben.

Der Kampf. Geschildert mit offiziellen Kommuniqués der städtischen Selbstverwaltung von Drachens Gnaden (W. Engel in Hochform). Drei Köpfe hat jener (der Drache, nicht Engel). Als der erste zu Boden plumpst, wird plausibel begründet, warum das militärstrategisch viel viel besser ist. Beim Fall des zweiten spricht man von einer Frontverkürzung. Nur beim dritten hat der Sender technische Probleme. Wir unterbrechen kurz die Übertragung, Musik bitte.

Eine Wende ist eingetreten.
An der Spitze der Bewegung: Der Bürgermeister. Endlich kann er mal so, wie er schon immer wollte. Das böse Untier ist tot. Aber die Stadt darf nicht in Anarchie versinken. Ruhe und Ordnung sind nun erste Bürgerpflicht.
Schwer verwundet schleppt sich Lancelot vom Schlachtfeld.

Ein Jahr später. Der Bürgermeister ist nun Präsident, sein Sohn hat einen neuen schönen Posten: Der Bürgermeisterstuhl wurde ja grade frei.
Das Volk hat sich gefügt, was sollen sie auch tun? Gar nichts können sie tun. Die Privilegien gehen nahtlos über, die Stafette des Machtmissbrauchs wird weitergegeben. Ist der Drache vielleicht gar nicht tot?

Gebt dem Präsidenten, was des Präsidenten ist. Im Konkreten zunächst einmal Elsa und dann jährlich eine Jungfrau. Kontinuität ist wichtig in der Politik. Morgen soll die Hochzeit sein.

Elsa hat Lancelot aufgegeben, er ist sicher tot. Ihr Vater widersetzt sich dem Embedding, aber mehr bleibt ihm auch nicht. Immerhin, ein Auftritt wie der Hofmusiker Miller, halten zu Gnaden.
Dann doch Auftritt Lancelot, sichtlich gezeichnet. Dennoch läuft das Volk über. Der böse Präsident und sein noch viel böserer Sohn hauen sich gegenseitig in die Pfanne und werden in Gewahrsam genommen. Happy end.

Und nun? Deswegen wird nach’m Happy end im Film gewöhnlich abgeblend’t. Die Bürger können mit der neuen Freiheit wenig anfangen, Chaos bricht aus. Ein Retter muss her, ein Lenker, ein … Führer? Lancelot lässt sich nur ein bisschen betteln. Es gibt einen neuen Bräutigam, das Fest kann beginnen.

Nur Elsa schwant was. Irgendwo hinten tanzt der Drache schon wieder mit.

Kein Wort zur Inszenierung, wie versprochen. Lassen wir es dabei bewenden, dass man das gesehen haben sollte. Ein weiterer Höhepunkt dieser Saison, die uns am Ende wahrscheinlich sehr verkatert zurücklassen wird. Die nächste Spielzeit wird schwer.

Aber das Grundthema des Stücks, die Abwägung zwischen Freiheit (und Verantwortung) und Unterdrückung (und „geordneten Verhältnissen“) ist noch einige Sätze wert. Wozu ein Drache gut ist, sehen wir ja grad in Korea, wo Kim Jong Dings den seinen wacker aufbläst für die innere Ordnung. Aber eigentlich sind die Drachen heute ganz andere, wie wär’s mit dem Häusle-Kredit, der guten Stellung, den Boni, dem Club-Urlaub? Das alles muss man sich auch leisten können. Da macht man schonmal Kompromisse.

Dass Jewgeni Schwarz sein 1943 in der Sowjetunion erschienenes Stück überlebt hat, mag ein Wunder sein. Dass es heute noch aktuell ist, sicher nicht.