Kategorie: Ausstellungen

Sag mir wo Du gestanden hast

Sag mir wo Du gestanden hast

„Spiegelungen“, Fotografien von Peter Zimolong, eine Ausstellung im DREWAG-Treff Dresden vom 12. März bis 21. Juni 2014

 

Digitale Fotos von Spiegelungen, soso. Wo doch heutzutage jeder Tragfernsprecher immer bereit ist, gestochen scharfe Schnappschüsse von jedweder Situation zu machen. Will man zu solchen Bildern wirklich „Kunst“ sagen?

Ja, man will. Weil man kann. Denn sehr viele fühlen sich berufen, doch nur wenige sind auserwählt.

Peter Zimolong scheint einer davon zu sein. Der 1973 geborene Dresdner Fotograf, der sich eher in der unbelebten Materie zu Hause fühlt, hat nach seiner beachtlichen „Urbanen Tektonik“ nun eine Sammlung von Spiegelungen ausgewählt. Das klingt zunächst unspektakulär und ist es auf den ersten Blick auch. Doch es lohnt sich, näher hinzuschauen.


http://www.livekritik.de/kultura-extra/kunst/feull/ausstellung_peterzimolong_spiegelungen.php

Une petite Marseillaise.

Fünf Tage in Marseille, man hat was zu erzählen.

Le premier jour

Reisen kann durchaus angenehm sein. Zum Beispiel, wenn man im Obergeschoss des TGV in einem bequemen Sessel lümmelt, die südfranzösische Landschaft an sich vorbeiziehen lässt und im Reiseführer blättert. Um nichts in der Welt hätte ich fliegen wollen (die Frage nach dem Auto stellte sich erst gar nicht). Acht Uhr morgens in meinem Quartier abgefahren, noch vor zehn Uhr abends die mediterrane Abendluft gespürt. Ein Tag zum Reisen halt, nicht contre la montre, sondern so, dass die Seele noch mithalten kann.

Marseille also.
Purer Zufall, dass es mich jetzt wieder in die Stadt verschlägt, die ich vor zwanzig Jahren schonmal kurz besuchte, als ich für einen Sprachkurs bei der feindlichen Cousine Aix weilte. Aber ein schöner Zufall.
Unentschlossen zwischen den Schönen und aufregenden Städten in Europa, hätte ich wohl ewig zwischen Istanbul und Barcelona, zwischen Rom und Stockholm und zwischen Athen und Lissabon hin und her geschwankt. Eine sollte es sein in diesem Jahr, mindestens.
Nun entschied man also für mich, und ich folgte dankbar.

In der Hektik der letzten Tage vor der Abreise – die mich dann auch noch den Nachtschlaf kosteten, den ich notdürftig im Zug ab Dresden nachholte – hatte ich es versäumt, mir eine grobe Karte der Region, die ich durchfahren würde zu besorgen. Geographisch war ich bislang in anderen Gegenden zuhause, die „hier unten“ sagten mir nicht viel. Strassbourg am Rhein und im Elsass, OK, aber dann fällt die landschaftliche Zuordnung schon schwer. … Mulhouse in der Bourgogne? Hier kämpf ich grad mächtig mit dem Schlaf, die Klärung entfällt.
Lyon an der … Rhone? Keine Ahnung. Aber schön gelegen auf jeden Fall. Und interessante Gebäude, neue wie alte. „Part-Dieu“ heißt der Bahnhof. Teil-Gott (wie Teil-Auto)? Gottesteil? Halbtagsgott? Mein Französisch ist nicht wirklich verhandlungssicher.

Noch knapp zwei Stunden Fahrt. Heute ist Feiertag in Frankreich, hab ich grad bemerkt. Der 8. Mai, wie früher bei uns, auch aus demselben Grund. Das ist schon mal sehr sympathisch. Warum wird das in Deutschland eigentlich nicht mehr mit einem freien Tag begangen? Ach ja, die Weltmarktfähigkeit.
Morgen dagegen kommen wir zu etwas völlig anderem, Himmelfahrt, l’Ascension, wie das hier heißt. Nur am Freitag ist leider nichts.

Während ich so sinniere, breche ich nebenbei meinen eigenen erdgebundenen Geschwindigkeitsrekord. 298 „Ka-Emm pro Ha“, wie wir Experten sagen, wenn wir uns als solche ausweisen wollen. Und dabei ein Fahrverhalten, dass mich angesichts des hohen Schwerpunkts des Doppelstöckers staunen lässt: Das Ding liegt wie ein Brett auf der Schiene.

Kommen wir wieder zu etwas ganz anderem. Meine erste Begegnung mit der französischen Gastronomie findet zwangsläufig an Bord statt. In meinem Paketpreis war außer dem 1. Klasse – Sitz (was angesichts acht Stunden Fahrt und meiner Überlänge eher Notwendigkeit als Luxus ist) auch ein Imbiss enthalten, zur Selbstabholung. Ich schlängele mich also vom Wagen 1, den ich bewohne, durch die fast voll besetzten anderen beiden Erstklasswagen zum Bistro, bemerke dabei, dass man nur oben durchlaufen kann und stehe dann in einem zweckmäßig eingerichteten Raum ohne großes Brimborium. Man versucht gar nicht erst, einen auf frisch gekocht etc. zu machen, das Angebot kommt aus der Dose, Plasteflasche oder ist eingeschweißt. Aber das ist OK, man sollte bei der Zuggastronomie ohnehin die Kirche im Dorf und die Edelköche in ihren Chalets lassen. Mein Menü ist übersichtlich, aber schmackhaft, und ich darf mir einen Rosé dazu wählen. Noch ein Dreieckssandwich – doch deutlich teurer als bei der DB – und ich trolle mich mit einem niedlichen Pappbeutel in meinen Wagen. Auf der Tüte ist grob die Reiseroute dieses TGV von DB und SNCF dargestellt, Paris wird zwar nicht angefahren, muss aber natürlich mit drauf sein.

Die Berge links und rechts werden höher, riesige Brückenbauwerke für die Eisenbahn, nächster Halt Avignon. Ein Bahnhof in luftiger Höhe. Ich assoziiere Papst, Spatz und Helmfrisur, verfolge die Gedanken aber nicht weiter.
Die Unterwegshalte dauern generell meist länger als beim ICE, ein Zeichen dafür, dass man die berechneten Fahrzeiten in Frankreich etwas großzügiger bemisst. Auch so kann man etwas für die Pünktlichkeit tun.

Gelegentlich sind in der Landschaft große Kühltürme versteckt. Frankreich ist auch das Land der Atomenergie. Die sehr niedrigen und kleinen Windräder wirken dagegen eher niedlich. Die deutsche Debatte um den Ausstieg steht den Franzosen sicher noch bevor. Ohne überheblich zu sein: Manche Dinge gehen rechtsrheinisch einfach schneller, die Berge von Verpackungsmüll, die ich aus den Neunzigern von hier noch in Erinnerung habe, sind heute so sicher auch nicht mehr da.
Nun ist es fast völlig dunkel. Ich presse meine Stirn an die Scheibe, aber es sind nur Schemen zu erkennen. Einige Steinbrüche kann ich noch ausmachen, der schneeweiße Kalkstein scheint begehrt zu sein.
Es geht noch schneller: 315 km/h. Korrekterweise muss ich natürlich sofort an die Energiebilanz denken, aber geil isses schon. On roule …

Aix, ach ja. Aix-en-Provence, so viel Zeit muss sein. Als Student quälte ich mich bei gefühlt 40 Grad durch einen vierwöchigen Sprachkurs hier, aber schön war es trotzdem. Die Ausflüge nach Arles, in die Gorges, in die Höhlen … und die Promenade von Aix. Da muss ich unbedingt nochmal hin.
Den futuristisch-schönen TGV-Bahnhof gab es damals noch nicht, wer mit dem Zug nach Aix wollte, musste über Marseille fahren. Das wird den Aix’ern nicht gefallen haben.

Hier stoße ich auch zum ersten Mal auf „Marseille-Provence 2013 capitale européenne de la culture“. Bisschen sperring vielleicht, aber ordentlich ausgesprochen klingt das nach was. Wobei ein FAZ-Speciàl von voriger Woche mir soufflierte, dass man in Aix der Meinung sei, das gar nicht nötig zu haben und nur pro forma mitmache. Na ja, on verra.

Das Ziel kommt näher, nous arrivons à Marseille-St. Charles … Fünf Tage Zeit, eine Stadt zu entdecken. Allez!

Le deuxieme jour

Ein Nachtrag natürlich noch: Auf die Sekunde pünktlich rollte mein Zug ein, eine milde, warme Nachtlust empfing mich. Gefühlt zwanzig Grad mehr als zuhause. Tout va bien.

Auch der nächste Tag ist wie schon berichtet einer zum Feiern. Erstmal die nähere Umgebung erkunden, schmale Straßen, vierstöckige Häuser, verblichener bürgerlicher Charme. Erste Überraschung: Den Boulevard Longchamp schmückt eine Straßenbahn. Wo vor wenigen Jahren noch der übliche embouteillage (Stau, Eselsbrücke: Flaschenhals) herrschte, wie meine Begleitung berichtet, verkehren jetzt futuristische anmutende Stadtbahnen im Fünf-Minuten-Takt (in der Spitzenstunde). 1:0 für Marseille.
Die nächste Überraschung ereilt auch meine Gastgeberin. Man geht halt nicht mit Touristenaugen durchs Viertel, wenn man hier wohnt. Das Palais Longchamp erstrahlt wie neu, auch der Park dahinter wurde stark aufgewertet. Wirklich sehr hübsch gemacht, wenn man von den bonbonfarbenen Plastiktieren mal absieht.
MP13 zeigt sein segensreiches Wirken. Nein, das ist nicht die übernächste Generation der digitalen Musikspeicherung, „Emm-Pe treize“ ist der griffige Kurzname für alles, was heuer mit der Kulturhauptstadt zu tun hat. Das wird mir noch häufig begegnen.

Wie alle Landratten zieht es mich zum Hafen. Dabei ist die Metro behilflich, jede Station soll hier ein gänzlich anderes Aussehen haben. Na gut, es gibt ja auch nur zwei Linien.
Die Station Cinq Avenues Longchamps beeindruckt mich sehr, eine wirkliche Lichtinstallation. Den Wagen der U-Bahn ist die Herkunft aus den Siebzigern deutlicher anzusehen, die warmen Ockertöne lassen mich an Lockenmähnen und Schlaghosen denken. Wird ja sicher bald wieder modern.
Die Wände allerdings weisen Schäden auf, das Grundwasser drückt rein und wird nur notdürftig im Zaum gehalten. Das wird wohl in Kürze ein bisschen was kosten.

Bis vor einigen Jahren war der Vieux Port von Marseille der Sündenpfuhl in Gomorrha. Nepper, Schlepper, Bauernfänger, schmuddelige Kneipen, Kriminaltango. Das ist vorbei, alles ist jetzt trés chic. Segelboote so weit das Auge reicht, eine mondäne Uferpromenade und „gehobene Gastronomie“. Der Tourist wird jetzt eleganter abgezogen. Aber dazu ist er ja auch da, das ist in der Münzgasse nicht anders.

Ein Muss: Das, nun ja, Sonnendach von Norman Foster an der Stirnseite des Quais. Hat der doch einfach eine Fläche von vielleicht 20 mal 40 Meter auf zehn Meter hohe Säulen gestellt und unten verspiegelt? Tolle Effekte, man kann sich z.B. selbst ins Dekollete gucken. Oder auch anderen.
Wir wandern zum Pharo, einem Viertel links der Hafenausfahrt mit Kastell und Palais. Hübsch. Die Sonne brennt, ein Platz im schattigen Café mit Meerblick tut not. Der Kellner mault, als er bemerkt, dass wir unschlüssig sind, ob wir essen wollen. „Jusqu’ 3 heures seulement pour manger“, oder so ähnlich. Na gut. Geteiltes Menü ist halbes Menü.
Meine erste vollwertige französische Mahlzeit: Eine fangfrische Dorade an geschmortem Gemüse und Reis. So kann es weitergehen. Auch der Rosé schmeckt.

Kommen wir zu etwas ganz anderem: Ein kleiner Elektrobus pendelt entlang der Kais des alten Hafens, niedlich und gut für fußlahme Touries. Die supermoderne Fähre, die den Hafen durchqueren soll, tut dies heute mal wieder nicht. Technische Gründe, ah ja. Meine Begleiterin schimpft mit Marseiller Zunge, ich nicke dazu tapfer.
Das MUCEM ist einerseits das Museum der Mittelmeerregion (das früher – warum auch immer – in Paris beheimatet war) und andererseits der ideelle Mittelpunkt der MP13. Leider ist es noch nicht ganz fertig … Nein, ich verkneife mir jeglichen Querverweis.
Immerhin kann man die bauliche Hülle bewundern, ein transparenter Kubus wird von einer zweiten, organisch anmutenden Haut umgeben und durch einen luftigen Steg mit dem Fort Saint-Jean nebenan verbunden.
Direkter Nachbar ist das „Regionale Zentrum des Mittelmeers“, ein nicht nur statisch interessantes Gebäude, dessen oberste Etage unwirklich weit über das Hafenbecken auskragt.
In der Umgebung gibt es weitere Baulichkeiten, die alle zum Projet Euroméditerranée gehören, einem Entwicklungsprogramm für die von alten Docks und heruntergekommenen Stadthäusern geprägte La Joliette. Dies ist langfristiger angelegt, ein Wahrzeichen ist allerdings schon fertig: Der elegant verdrehte Büroturm der Reederei CMA-CGM, entworfen von Zaha Hadid.

Und wieder etwas ganz anderes, man muss es nicht mehr extra erwähnen: Le Panier, ältestes und verwinkeltes Viertel oberhalb des Hafens. Hier ist der Euro-Fortschritt nicht ganz so offensichtlich. Immerhin, der Place du Lenche hat ein neues Gesicht bekommen. Mein Vorsatz, hier ausschließlich Wein zu trinken, zerschellt am ersten Straßencafé. Pourquoi pas, warum auch nicht, die Franzosen tun’s ja auch.
La Bière erscheint hier mit Akzent, über dem „e“, wird (auch) als pression (mit Druck, also gezapft) getrunken und kostet im Prinzip dasselbe wie in Dresden. Es ist aber leider nur die Hälfte drin im Glas. Auch wenn es überraschend gut schmeckt, selbst jenes, das nicht aus dem Elsass kommt: Der Preis ist schon heftig Aber dafür schließen die Lokale spätestens um Zwei und limitieren somit den Verzehr. Tout va bien.

Abends sind wir im Belsunce, dem Kreuzberg auf nordafrikanisch (auch hier ziehen übrigens die Hipster langsam ein). Ein bzw. das Couscous-Haus, eng, laut, heiß und mit wunderbaren Tagines voll Taboulé. Ich habe mindestens sechs verschiedene Formen von Lammfleisch gesehen. Alkohol gibt es nicht, Allah wäre not amused.

Le troisieme jour

Frühmorgens 12 Uhr (ich hatte verschlafen, vermutlich eine Nachwirkung der Anreise-Vorgeschichte, und den vereinbarten Treffpunkt Station Castellane zu spät erreicht) ein Markt am Prado, einem langen Boulevard in Richtung Süden. Ich kaufe zehn verschiedene Marseiller Seifen und damit höchstens ein Zehntel des Sortiments. Nun muss ich sie nur noch den entsprechenden Empfängern (bzw. deren Charakteren) zuhause zuordnen. Auch meine Begleitung findet einige Wässerchen.

Erstes großes Ziel: La Cité Radieuse. Von Le Corbusier 1952 fertig gestellt, nennt mein Reiseführer das neunetagige Gebäude eine Ikone des Aufbruchs. Ich tituliere es ein vertikales Stadtviertel und bin nicht minder begeistert. Eigentlich dem sozialen Wohnungsbau zuzurechnen, locken die grandiosen architektonischen Ideen des Meisters seit jeher eine Klientel in Haus, die das zu schätzen weiß und eine gewisse Zahlungsbereitschaft mitbringt. 108 qm sind schon für 350.000 Euro zu haben, auf dem Komfortstandard der fünfziger Jahre wohlgemerkt. Aber die scheinen es wert, das Haus bietet neben Wohnraum für etwa 1.000 Menschen unter anderem auch ein Restaurant mit Hotel, eine Laden- und Büroetage, eine Kita unter dem Dach sowie eine Dachterrasse mit Pool, Sporthalle und Gemeinschaftsräumen. Aber auch die Kleinigkeiten sind zu beachten, u.a. die Beleuchtung: indirekt mit Lampen, die an Trillerpfeifen erinnern, so modern, dass sie heute wie noch gar nicht erfunden wirken.
Man muss das unbedingt gesehen haben, auch den kleinen Park, der sich um die Stelzenfüße des eleganten Kolosses windet. Nein, eine Tiefgarage gibt es nicht hier.

Nach soviel Baukultur: Á la Plage! Das zieht zwar eine längere Busfahrt nach sich, weil der Avenue du Prado die längst fällige Straßenbahn noch nicht beschieden wurde, aber immerhin fahren wir mit dem ersten Gelenkbus, den die Stadt angeschafft hat. Kaum vorstellbar, wie die Menschenmengen in der Hauptverkehrszeit transportiert werden sollen (von „befördern“ ist nicht die Rede), wenn schon gegen drei Uhr nachmittags die Stehplätze umkämpft sind.

Das Nahverkehrssystem ist für eine de facto Millionenstadt (es gibt in Frankreich kein richtiges Meldewesen) ohnehin unterdimensioniert. Zwar sind die beiden U-Bahn-Linien klug angelegt und kreuzen sich zweimal am Rande der Innenstadt, zwar sind die beiden Stadtbahnlinien eine sinnvolle Ergänzung und kommen dank eigener Gleiskörper gut durch, zwar gibt es dazu noch siebzig Buslinien, die teils im 4-Minuten-Takt fahren, zwar sind die Bedürfnisse hier vielleicht ein wenig anders, dennoch: Was täglich auf den Straßen rumsteht, hupt und meterweise vorwärts rückt, spricht für einen weiteren Ausbau. Ein S-Bahn-System gibt es bisher gar nicht, die Vorortbahnhöfe werden eher sporadisch bedient, P+R scheint unbekannt. Viel zu tun, Kollegen.
(Übrigens, eben auf der Rückfahrt im TGV noch eingefügt: Die Vielzahl der wirklich schönen neuen Straßenbahnen in fast jeder größeren Stadt, in der wir halten, ist beeindruckend und macht neidisch.)

Zurück zum Strand, etwas völlig anderem. Der Marseiller verfügt dank der Lage seiner Stadt im Halbkreis am Meer über mehrere Badewannen, die schickste ist vielleicht La Plage du Prado im Süden. Es weht ein sanfter Wind, der zehn Meter breite Sandstrand ist schon gut gefüllt, als wir am Pointe Rouge den Bus verlassen. „Die Urlauber liegen wie tote Robben am Strand“, jener Satz, der mir mal an der Ostsee einfiel, passt hier nicht, es aalt sich der Einheimische.
Anfang Mai, so früh im Jahr waren meine Füße noch nie mit Meerwasser in Kontakt. Der restliche Körper muss noch warten, wir wollen mal nicht übertreiben.

Für die Rückfahrt nimmt man hier das Schiff. Stündlich fährt ein Boot, das etwa 100 Leute fasst, von hier zum vieux Port. Man erreicht den Ableger durch einen Marsch entlang der Bootswerften, die die Lieblinge hier im Hochregallager stapeln. Drei übereinander sind normal. Die Schlange ist zum Glück kürzer als hundert Menschen, wir kommen also beim ersten Mal mit, und das Boot fährt auch bald. Tout va bien.

Nicht mehr ganz so gut geht es, als das Hafenbecken verlassen wird. Der Wind ist hier alles andere als sanft. Die Wellen nicht höher als zwei Meter, aber für unsere Nussschale durchaus genug. Wir wurden gewarnt, auf dem Vorderdeck würde es nass, und hatten gelächelt. Und siehe, es wurde nass.
Während mich die regelmäßigen Duschen– in Gegensatz zu den meist quietschenden Mitpassagieren – eher erfreuen als schrecken, macht sich mein Magen ebenso regelmäßig in Richtung des Kopfes auf den Weg. Nur mühsam kann ich ihn an der Flucht hindern und muss dabei immer noch tapfer lächeln, dank meines großen Mauls zuvor.

Die Gefängnisinsel mit dem Château d’If, die wir passieren, soll schon den Grafen von Monte Christo beherbergt haben. Immerhin hatte der da festen Boden unter den Füßen, was man im normalen Leben gar nicht richtig zu schätzen weiß.
Aber auch diese Prüfung nimmt ein Ende.

Abends dann noch ein Bummel durch La Plaine, jenem Quartier, das der Dresdner Neustadt am nächsten kommt.
Neulich beim Männergespräch im Thalia thematisierten wir das Folgende schon: Automatisch den Bauch einziehen, wenn einem eine schöne Frau entgegenkommt, dokumentiert den Beginn einer neuen Lebensphase. Dazu ist reichlich Gelegenheit hier, ich absolviere ein veritables Bauchmuskeltraining.

Erst haben wir wunderbar gegessen, dann gut getrunken, sind dann nett geschlendert – schwarze Schönheiten stöckeln leicht unbeholfen im La Teranga, es gibt eine Modenschau mit Tanzeinlagen – und dann mit dem Roller meiner Gastgeberin wieder heimgefahren.
Diese Roller sind – wenn einem die Bedienung geläufig ist und man ein wenig Mut mitbringt – zumindest abends das beste Fortbewegungsmittel. Der öffentliche Verkehr macht noch vor Eins Feierabend, und Taxis sind in diesem Viertel nicht häufig und zudem teuer.

Letzte Station für diesen Abend. Eine Bar im Quartier. Merke: Alle Menschen sind gleich. Die Kneipe könnte auch in Schöneberg sein. Oder in Pieschönn. Sehr angenehm, trotzdem. Aus dem Wurlitzer dröhnt Johnny Halliday. Tout va bien.

Le quatrieme jour

Wir machen einen Ausflug, nach Arles, mit der Bahn.
Und erstmal eine Erfahrung: Was die SNCF-Homepage verspricht, muss mit der Realität nicht viel zu tun haben. Das Sonderticket zur MP13 gibt es nicht am Automaten, wär ja auch zu einfach, drei Knöpfe drücken, bezahlen, Ticket ziehen. Nein, man muss zum Schalter, wo etwa fünfzig Leute mit vielleicht ähnlichen, aber vielleicht auch ganz anderen Problemen warten.
Erklärt wird einem das mit einer wahrhaft königlichen Herablassung vom schnöseligen Auskunftsbeamten, der auf seinem Podest inmitten der Bahnhofshalle sitzt, nein, thront. Danke fürs Gespräch. Dann also regulär zahlen, zehn Euro mehr pro Nase. Zum Trost werden wir nicht kontrolliert.

Trost spendet auch das mitgenommene Croissant. Im Gegensatz zu den Dingern in l’Allemagne ist dies kein aufgeblasenes Häufchen Nichts, sondern ein vollwertiges Nahrungsmittel, das vor allem nach Butter schmeckt.

Die SNCF bietet übrigens weder im Fern- noch im Nahverkehr einen richtigen Taktfahrplan an, auch wenn sich die Abfahrtsminuten oft gleichen. Aber es gibt empfindliche Lücken am Vor- und Nachmittag und dafür ein paar mehr Züge in den Spitzenstunden. Was nun besser ist, mag ich nicht entscheiden, rechne jedoch ohnehin damit, dass auch bei uns die Lücken am Vormittag wiederkehren werden. Das Geld halt.

Arles an der Rhone, inmitten der Camargue, ist schon sehenswert. Die ersten Spuren hinterließen die Römer, innerhalb der Stadtmauer ist noch viel davon zu sehen. Für mich augenfälligstes Relikt der Vergangenheit: Die Stierkampfarena, die auch heute noch betrieben wird. Ja, zum Stiere abstechen.
Ich will darüber aber nicht groß philosophieren. Wer aus einem Land kommt, wo man Tiere industriell erzeugt und verwertet, sollte bei solchen Themen lieber die Fresse halten. Es ist eine Kultur – wenn auch nicht meine – die schon Jahrhunderte lang Tradition hat. Den Franzosen (und vor allem den Spaniern) jetzt zu erklären, dass die corriere du taureaux ganz und gar nicht geht, bedarf des Sendungsbewusstseins eines gutmenschigen Weltverbesserers, welches mir nicht zur Verfügung steht.

Etwas ganz anderes: Auf dem (viel touristischer geprägten) Markt erstehe ich einen schönen weißen Hut, der mir in der Folge nicht nur in modischen, sondern auch in gesundheitlichen Angelegenheiten gute Dienste leisten wird.
Noch ein Besuch beim Rezeptionisten eines hiesigen Nobelhotels, den man, wenn man ihn wie meine Begleiterin im Nachtleben von Marseille erlebt hat, nicht erkennen würde, so seriös wirkt er, ein kurzer Abstecher an die Rhone und schon geht es zurück. Es wartet nämlich noch l’OM!

Meine Beziehung zum Fußball ist bekanntlich zerrüttet. Früher war es Liebe … Aber Kinderzeit ist lange her, ich erinner mich nicht mehr.
Heute nutze ich diesen Sport vor allem, um mich über sein Publikum und vor allem die mediale Aufbereitung dieser fast täglichen Schicksalsmomente lustig zu machen. „Hier geht es nicht um Leben oder Tod, es geht um mehr“, wie die Sportfreunde (!) Stiller singen.

Aber wenn ich schon mal hier bin … Da kann ich gleich auch gestehen, dass ich dennoch einen Helden habe: Zinédine Zidane. Jener franko-algerische Recke, dem die Ehre von Mutter und Schwester sowie die Bestrafung eines italienischen Flegels wichtiger waren als irgendsoein Weltmeistertitel. Das wird bleiben, auch wenn seine Tore einmal vergessen sind.
M. Zidane stammt aus dem Norden von Marseille, der anderswo Favela oder Slum heißen würde. Außer Fußballer kannst du da Nichts werden, und die wenigsten werden Fußballer. Immerhin, einer hat es ganz nach oben geschafft und wird jetzt wie ein Halbgott verehrt. Sein Sportgeschäft soll gut laufen, sagt man.

Übrigens haben wir keine Karten für das Spiel heute gegen Toulouse. Meine Begleitung verlässt sich voll auf den Schwarzmarkt. Dieser profitiert jedoch sehr davon, dass das ganze Stadion eine Baustelle und somit nur die Hälfte der Plätze verfügbar ist, BWL, 1. Semester. Das Billet bzw. das Reinkommen steht bei 100 €, als wir zehn Minuten vor Spielbeginn in den Handel einsteigen. Im 2. Semester lernt man, was man dann beobachten kann: Einen Preisverfall. Mit dem Anpfiff sind es noch 50 €, Tendenz nach unten. Aber die Tatsache, dass 15 Minuten nach Beginn die Außentore geschlossen werden, fängt den Preis bei 30 € auf (3. Semester).

Wir sind drin, irgendwie. Vorausgegangen waren hektische Diskussionen unseres Schleppers mit den Einlassern und schließlich eine herrisch winkende Hand des Rudelführers. Karten haben wir keine, demzufolge auch keinen Platz, also rein in irgendeinen Block. Ein Ordner fragt uns nach den Tickets, doch wir sprechen leider kein Französisch, und nach einigen Verständigungsversuchen lässt er ab von uns, weil es auf dem Spielfeld grad spannend wird. Wir nehmen auf der Treppe Platz.

Der Fußballklub Olympique de Marseille tritt an in Himmelblau, wie Chemnitz etwa. Meine Absicht, mir ein Trikot mitzubringen, werde ich nochmal überdenken.
Droit Au But? Das ist der Leitspruch des Vereins und klingt gut, heißt letztlich aber nichts anderes als „Recht auf Tor“. Jaja, aber … gleiches Recht für alle! Wie war das nochmal mit Égalité?
Das Spiel geht nach diesem Maßstab ungerecht aus, OM 2, TFC 1, ein Bein haben sich beide nicht ausgerissen dabei. Es geht wohl um nichts mehr, so kurz vor Saisonende. Und Zinédine war auch nicht da.

Was ich aber sehr beachtlich finde: Es ist kaum Polizei zu sehen, auch im Stadionumfeld nicht. Wenn ich daran denke, welche Hundertschaften bei Spielen eines hiesigen zweitklassigen Vereins in Marsch gesetzt werden … Hier hat der Fußball offenbar den Stellenwert, der ihm zukommt. Und nicht mehr.

Place de Lenche, da waren wir schon mal, macht aber nichts, der Restaurants sind viele.
Der Mistral weht die Menschen heute vom Place nach drinnen, es wird zunehmend ungemütlich draußen.
Dann fällt sogar ein Baum aufs Trottoir! Zum Glück, heuresement, liegt niemand drunter, nur einige Tische und Stühle sind Schrott. Eigentlich war der Baum grad frisch umgesetzt und einbetoniert. Le Mistral …
Die Nachricht schafft es sogar in die Sonntagszeitung. Am nächsten Tag ist nur noch die Wurzel da. Ob die anderen Bäume ähnlich gefährdet sind, wird hoffentlich jemand geprüft haben? Ich bin ein wenig peinlich berührt ob meiner Skepsis. Die Franzosen bauen großartige Hochgeschwindigkeitseisenbahnen, da werden sie wohl Bäume am Umfallen hindern können!?

Aber der Mistral bläst einem wirklich das Hirn aus der Birne.

Le cinqieme jour:

Etwas ganz anderes. Ein Ausflug. Diesmal zur Côte Bleue, der heimlichen Côte d’Azur von Marseille. Ähnlich schön wie die berühmten Calanques, aber nicht so überlaufen, wird mir glaubhaft versichert.
Eine schöne Bahnfahrt, wieder unkontrolliert, aber vorbei an den Häfen mit den dicken Kreuzfahrtschiffen und dann eintauchend in eine wilde, felsige Uferlandschaft, die zwischen Steilküste und schmalen Buchten wechselt. Ab und zu quetschen sich Dörfer dazwischen, die vom Land her nur über einen einzigen Weg zu erreichen sind.
Unsere Station heißt La Redonne, dann noch eine Viertelstunde steile Fußwege hoch und runter und wir können auf den Felsen vor einem kleinen Hafen faire un pic-nic. Dummerweise liegt 50 m vor uns der Party-Katamaran aus Marseille mit dröhnender Uffta-Humpta-Musik. Doch noch ehe ich aus dem Wandergepäck einen Torpedo basteln kann, lichtet er den Anker und gleitet von dannen. Sonntägliche Ruhe kehrt ein.

Leider lärmen auch die Zikaden noch nicht, zu früh im Jahr. Dieses Kerngeräusch des Südens müssen wir entbehren. Und der Lavandre blüht auch erst später.
Auf dem Rückweg noch ein Stopp an einem kleinen Strand. Erneuter Fußkontakt mit dem Meer, erneute Beschränkung auf diesen. Und dann noch ein bisschen am Strand liegen, in den Himmel schauen und schließlich une bière in der Hafenkneipe.

Abends dann creolisch, auch das geht hier naturalement. Und es geht gut. Am Sonntag haben nicht viele offen außerhalb der Tourie-Region, aber das zufällig entdeckte kleine Restaurant „Le Port au Prince“ ist alles andere als eine Notlösung. Falls jemand mal in der Nähe ist: 40, rue St. Savournin, 13001 Marseille. Am Ende macht man uns noch mit Rum dumm.

Le sixieme jour:

Nun noch Aix. Der erste unbegleitete Ausflug, ich bin jetzt schon groß. Der Automat der SNCF bereitet mir keine Schwierigkeiten, ob das ein Franzose von jenem der DB auch sagen könnte? Interessant das Prinzip der Bahnsteigzuweisung. Wo fährt mein Zug denn heute? Überraschung … 100 erwartungsfrohe Reisende beobachten gespannt die Anzeigetafel, bis das „C“ fünf Minuten vor Abfahrt erscheint, worauf eine Volksbewegung einsetzt.
Nächste Überraschung: Heute spielt man TGV und kontrolliert die Fahrscheine – die man hier nicht nur kaufen, sondern auch noch „entwerten“ muss (dieses Wort bedeutet übrigens genau das Gegenteil von dem, was eigentlich gemeint ist: Man macht den Fahrschein durch die Stempelei ja erst gültig für die Fahrt) – gleich am Einstieg, mit dem üblichen massiven Personaleinsatz. Das gleicht dann auch die unkontrollierten Fahrten nach Arles und an der Côte Bleu wieder aus.
Nicht, dass ich was gegen viel Personal bei der Bahn hätte, im Gegenteil. Das ist ein ehrbarer Beruf, und die cheminots sind sich ihrer Würde auch bewusst. Ob die Mischung aus mausgrauem Anzug und fliederfarbenem Hemd dazu beiträgt, sei einmal dahingestellt. Aber sie sind ordentlich beschäftigt und entgehen damit der Gefahr, von Sarko et collegues irgendwann weggekärchert zu werden.

Der Zug durchquert die banlieus. Hier wird die Ärmlichkeit nicht mehr von Prunkbauten verdeckt. Marseille, die nördlichste Stadt Afrikas? Kann schon sein. Dennoch, von Straßenschlachten wie in Paris hat man hier nicht gehört bislang.
Steinbrüche bringen den wunderbar leuchtenden Sandstein dieser Gegend zutage. In Kombination mit der südlichen Sonne erzeugt dieser eine unglaublich warme Farbe, die man so an der Elbe nicht zu sehen bekommt.

Angekommen. Der Bahnhof ist unspektakulär, der Weg ins Zentrum aber nicht weit. Die Rotonde hab ich anders in Erinnerung, vielleicht verklärt durch die mehr als fünfzehn Jahre, die seitdem vergangen sind. Eigentlich ist das nur eine schlichte Kreuzung mit Kreisverkehr. Auch die Platanen auf dem Cours Mirabeau waren früher höher, scheint mir.
Aix verhält sich zu Marseille wie Potsdam zu Berlin oder Starnberg zu München. Selbst die Gemüseläden sind hier nobel.
Ein Spaziergang in Richtung meiner früheren Herberge, einem Studentenwohnheim östlich der Altstadt. Den Weg finde ich, aber das Ziel scheint verschwunden. Egal, ich wollte eh keinen Kranz niederlegen.

Auf dem Rückweg passiere ich ein Lycée, da ist grad Pause. Die vorherrschende Herrenmode ist hier der Trainingsanzug. Es ist erst zehn Uhr, Montag, die Innenstadt beginnt grad mit dem Aufwachen. Aber es werden schon erste Besuchergruppen durch die Gassen getrieben. Die Touristen tragen Funktionsbekleidung und außerdem aufgeklebte Nummern, die sie als einer Gruppe zugehörig kenntlich machen. Das ist schön, jeder will ja irgendwo dazugehören.

Aix ist langweilig, beschließe ich, pittoreske Altstädte mit Hunderten von Restaurants hab ich schon genug gesehen. Ich suche das empfohlene Café hinter dem Rathaus. Tatsächlich, sehr hübsch, und die Terrasse bietet zumindest zwei Kaffee lang Schatten, eh die Sonne rumkommt. Zeit genug, l’ordi portable auszupacken und diesen Text hineinzuhacken.
Und dann zurück, den letzten Halbtag in Marseille genießen. Tout va bien, immer noch.

Der Weg zum Bahnhof führt durch die Neue Mitte von Aix. Schick und verwechselbar, H&M ist auch schon da.
Der Bahnhof ist baulich das ganze Gegenteil, aber gemütlich. Neben zahlreichen Beförderungsfällen sind anwesend:
Ein Sicherheitsmann, ein Sicherheitsmann der SNCF, eine Aufsicht (hübsch) und drei Schaffner (der weibliche Teil sehr hübsch). Jeder DB-Controller würde den roten Bleistift wetzen und erstmal zwei Drittel davon streichen. Für den Anfang, um Härten zu vermeiden.

Beim Rückblick aus dem Zug sehe ich endlich Ste. Victoire, jene beeindruckende Bergkette, die meine stärkste Erinnerung an Aix ist und bleibt.

Der Zug ist voll, auch zur Mittagsstunde ein großer Andrang. Die Karten kontrolliert eine vierte Schaffnerin, auch jene ausnehmend attraktiv. Ein Fünfter und Sechster leisten Beistand, als sie charmant eine Fahrpreisnacherhebung durchführt. Nicht bei mir, was ich für einen kurzen Moment bedauere.
Die schlechte Gleislage spüre ich jetzt deutlich im Kreuz. Vermutlich die Strafe für unkeusche Gedanken über Amtspersonen.

Marseille mit seinen Wohntürmen beginnt etwa 20 Minuten vor Ankunft in St. Charles. Plattenbauten soweit das Auge reicht. Auch wenn sie nicht im Taktstrassenverfahren errichtet wurden, es ist kein Unterschied zu Gorbitz. Vielleicht stehen sie etwas aufgelockerter. Und sicher sind sie schon deutlich heruntergekommener. Instandhaltung ist keine südliche Tugend, hab ich neulich mal über Kairo gelesen. Das dürfte aber auch für Marseille gelten.

Das Meer, ach ja. Nur noch heute kann ich den Anblick genießen.
Dann ein erneuter Bummel durch Klein-Marokko, das später nahtlos in Klein-Senegal übergeht. 90 % Männer auf den Strassen, so ist das halt.

Offenbar hat man seitens der Stadtverwaltung das alte Fährboot reaktiviert, nachdem das schicke Neue öfter mal den Dienst am Touristen verweigerte. Für umsonst geht es über das Hafenbecken. Hier ist noch Potential, liebe Stadteltern.

Der (temporäre) Pavillon zur MP13 ist wie Pavillons zu irgendwas halt so sind, ganz hübsche Animationen und Hostessen, Imagefilmchen und ein bisschen Kunst. Die Mischung aus Holz und Plexiglas sieht sehr schick aus, heizt sich aber auch mächtig auf, trotz einer Batterie mobiler Klimamaschinen ist es deutlich wärmer als draußen. Und wir haben erst Mai …
Übrigens, l’Art de Vie wird dort in unzählige Sprachen übersetzt. Deutsch ist nicht darunter.

Ich will nochmal runter zum Mucem. Aber der Fußgänger hat es hier schwer: In langen Serpentinen muss er sich erst von der Leistungsfähigkeit der französischen Bauwirtschaft überzeugen, ehe er unten ankommt.

Am Ende des Kais stehen Bauwerke aus 40-Fuß-Containern, der 17. Arrondissement, jener der Zukunft, auch das natürlich MP13. Marseille hat bisher nur 16 Bezirke, eine niedliche Idee also. Am Nachmittag ist hier noch nicht so viel los, nur einige Artisten seilen sich ab. Einen Abendbesuch schaff ich leider nicht mehr.

Nach dem Treff á dix-huit’ heures mit meiner zur werktätigen Bevölkerung gehörenden Gastgeberin noch ein Ausflug zur Basilika Notre-Dame-de-la-Garde. Diese überragt die Stadt auf einem Hügel, die Anfahrt zu zweit mit dem Motorroller ist eine Herausforderung. Aber nicht er gibt auf, sondern ich, ein Krampf im Oberschenkel zwingt mich zum Absteigen. Vermutlich ähneln sich unsere Grundfrequenzen, und es kam zur Resonanzkatastrophe.
Der Blick von oben ist grandios, die ganze Marseiller Bucht liegt uns zu Füßen. Ein Moloch von Stadt, der bis zum Horizont reicht, darüber ein wunderbares Abendsonnenlicht.
Der Blick nach oben zeigt die Jungfrau mit dem (eigenen) Kind, dieses Grundrätsel der christlichen Kirche, das erst mit Hilfe der Gentechnik einigermaßen befriedigend gelöst werden konnte.
Hui, nun die Schussfahrt in den Hafen!

Dort gibt es ein Restaurant namens „La Treize“ also Dreizehn. Es scheint auch in diesem Jahr erst aufgemacht zu haben, alles neu drinnen. Aber wir wollen ja draußen.
Man verfügt über modernes Equipment, aber das Tablet zur Bestellaufnahme ist mit einem rustikalen Holzrahmen versehen. Ach …
Die zu Ehren des letzten Abends georderten Moules munden hingegen hervorragend.

Endgültig die letzte Einkehr: Longchamp Palace um die Ecke. Sehr angesagt, der Laden, zumindest in gewissen, sympathischen Kreisen. Gewöhnlich holt man sich sein Getränk am Tresen und stellt sich dann wie dreißig Andere aufs Trottoir, drinnen kann man ja nicht rauchen. So ähnlich sähe es in der Neustadt auch aus, wenn man hier genauso streng wäre.

Müde bin ich, geh zur Ruh, gleich falln mir die Augen zu. War wohl zuviel Sonne heute, zuviel Pflaster, zu viele Eindrücke. Morgen geht es nach Hause.

Le dernier jour

Ein scharfer, stechender Schmerz in meiner Brust (wie der Dichter, aber in diesem Falle auch der Internist sagen würde) begleitet mich am nächsten Morgen zum Bahnhof. Körper und Geist bilden halt doch eine Einheit.
Erst in Avignon verschwindet er langsam und ich kann mich an der Reise – erstmal entlang der Rhone, später in Sichtweite mehrerer Mittelgebirge – freuen. Und noch ein wenig sinnieren über diese Tage im Süden.

Wir halten in Aix und Avignon. TGV-Bahnhöfe wie diese außerhalb der Stadt zu bauen, hat zumindest den Vorteil, dass man die Innenstädte ungeschoren lassen kann. Wäre doch auch eine Idee für Stuttgart … Von Freunden lernen.

Außer ein paar Arbeitsdeutschen und Touristen aus aller Herren Länder habe ich in Marseille nur sehr wenige Ausländer gesehen. Ein Ort also, wo sich die Stramm-Ärsche von der NPD etc. wohlfühlen würden. Überall Bürger der Republik, überall nur Franzosen … jedweder Couleur allerdings.

Man muss dennoch nicht alles mögen hier. Dass es trotz manchmal sehr schöner, aufwendig gestalteter Flaschen für jedes denkbare Getränk noch immer kein Pfandsystem gibt und die bouteilles somit bestenfalls im Glascontainer oder auch im Hafenbecken landen, kann ich nur schwer begreifen. Von einem Einweg-Pfand ganz zu schweigen, dann würden die Straßen ja so deutsch aussehen.

Und auch wenn ich hier mit Kennermiene die eine oder andere Vokabel einstreue: Mein Französisch ist nach fünf Tagen noch immer alles andere als perfekt. Was ich inzwischen aber sehr gut kann, ist deutsch mit französischem Akzent zu sprechen. Und zum Sprechen alle Körperteile zu benutzen, das mach ich jetzt auch ein bisschen.
Über die fremden Wörter hier im Text müsste ich auch nochmal rüber, grammatikalisch und orthographisch. Da hab ich jetzt aber keine Lust zu. Und bei mir geht’s neuerdings meistens nach der Lust.

Inzwischen hat der Zug gewechselt, besser gesagt, ich habe ihn gewechselt. Das vertraute Dröhnen des ICE-T umhüllt mich. 17 Uhr ab Frankfurt, es ist richtig voll und wird auch in Fulda nur unwesentlich leerer. Hier werden die Mehrkosten von Stuttgart21 verdient.

Im Waggon gibt es mehr Frauen mit Kopftüchern als ich insgesamt in Marseille gesehen habe. Ein Zufall, sicher, nicht repräsentativ. Und man muss ohnehin aufpassen, dass man hier nicht in die Korrektheitsfalle läuft und besser als die Frauen selbst zu wissen glaubt, was diese wirklich wollen.
In Frankfurt/M. stieß ich übrigens fast mit einer einzelnen Burka-Trägerin zusammen, die mich aus schmalem Sehschlitz anfunkelte. Ob böse oder nicht, kann ich mangels einschlägiger Erfahrung nicht beurteilen. Dabei war sie schuld, was muss sie auch fast rennen und dabei noch eine sms tippen.

Ein pendelndes Businessweibchen hat nun eine Methode gefunden, auch bei beengten Platzverhältnissen die Maus am Rechner zu benutzen: Sie bewegt sie am Oberschenkel auf und ab. Das sieht durchaus erotisch aus und ist es vielleicht auch. Aber liebe Männer, bitte nicht nachmachen, das könnte zu Missverständnissen führen.

Die Mitreisenden kommen mir alle so unentspannt vor, nicht nur die im Anzug. Ich glaube, denen fehlt ein bisschen südliche Sonne.

Und in der nächsten Folge dann: Teischel Mauköh kehrt zurück und bringt den Marseillern savoir-vivre bei. Merci bis hierhin.

An den Gemälden von Neo und Rosa

Die Doppel-Ausstellung von Rosa Loy und Neo Rauch in den Kunstsammlungen Chemnitz, noch bis zum 10. Februar 2013

Das Ehepaar Rauch / Loy malt, die Gruppe Tocotronic musiziert. Ansonsten haben sie aber viel gemeinsam.
Für mich zumindest. Vor den Klanggebilden der einen stehe ich mitunter genauso beeindruckt wie ratlos wie vor den Gemälden der anderen. Es ist schön, es scheint eine tiefe Bedeutung dahinter zu liegen, aber ich komm nicht drauf welche. Also beschränke ich mich meist auf den akustischen bzw. ästhetischen Genuss.

Die bereits seit 16.12.2012 laufende Sonderausstellung Rauch „Abwägung“ / Loy „Gravitation“ ist mal wieder ein Geniestreich der Chemnitzer Generaldirektorin Ingrid Mössinger. Die Idee, das malende Ehepaar auch einmal gemeinsam zu präsentieren, war offenbar so naheliegend, dass bisher niemand darauf kam. Und so können wir nun dreizehn Bilder von Neo Rauch aus den letzten zehn Jahren in allen denkbaren Formaten sowie zehn von Rosa Loy betrachten, letztere aus derselben Zeitspanne, im Format aber homogener im oberen Bereich.

In einem mit 18 Euro erfreulich preiswertem Katalog wird nicht nur die Entstehungsgeschichte der Ausstellung beschrieben, sondern jedes Werk kurz besprochen, umrahmt von Portraits der Künstler und ihrer Vita. Auslöser war der Ankauf des eigens für Chemnitz gemalten Bildes „Die Abwägung“ von Neo Rauch, welches in diese Ausstellung erstmals gezeigt und dann in den hiesigen Sammlungen verbleiben wird. Das jenes großformatig und ausklappbar im Katalog enthalten ist, ist schön, die Freude wird auch kaum dadurch getrübt, dass es auf dem Kopf stehend ins Buch eingefügt wurde. Begreifen wir es als Hommage an Georg Baselitz.

Frau Mössinger bezieht sich in ihrer Einführung auf das Frauenbild bei Rosa Loy, das ein begonnenes „Jahrhundert der Frau“ illustriere. Tatsächlich sieht man auf Loys Bildern kaum männliche Figuren, selbst die Schergen von Pontius Pilatus in „Mondlicht“ sind feminin. „Ganz ohne Männer geht die Chose nicht, Mädels!“ ist man versucht zwischenzurufen.
Bei Rauch erkennt sie mit der Neigung zur Reduktion eine neue malerische Wendung, dem ist nicht zu widersprechen.

Es ist müßig zu orakeln, ob Rosa Loy ohne ihren Gemahl und Ateliernachbarn ähnliche Aufmerksamkeit widerfahren würde. Es ist wie es ist, sagt nicht nur die Liebe. Die Chemnitzer Ausstellung ist sichtbar bemüht, sie als eigenständige Künstlerin mit eigenem Themenbereich zu präsentieren, dennoch unterläuft den Machern doch der peinliche Fehler, in den ausliegenden Biografien der Künstler zwar die Heirat von Rosa mit Neo (1985) aufzuführen, nicht jedoch jene von Neo mit Rosa. Offenbar war jene im Werdegang dann doch nicht so bedeutsam wie die andere … Honi soi qui mal y pense.

Dennoch, und unabhängig von jeder Protegierdiskussion, die Bilder von Rosa Loy sind sehenswert. Sie bilden eine sehr weibliche Welt ab, die aber deswegen nicht per se besser ist. Ihre Sujets sind ähnlich jenen des Gatten, enthalten aber weniger Betrachtungsebenen. Positiv ausgedrückt, sind sie lesbarer. Generell geht es um die Beziehung des Menschen (oder besser der Frau) zur natürlichen und sozialen Umwelt. Sie reichen von einer Märchenumgebung („Die Dienststelle“) über Ikonographie („Mondlicht“) und sehr sinnlichen Darstellungen („Die andere Seite“, „Gravitation“) bis zum wiederkehrenden Motiv des Gartens („Bestellung“, „Freunde“), welches beim ursprünglichen Beruf von Rosa Loy (Gartenbau-Ingenieurin) nicht weiter verwundert. Mein Lieblingsbild „B-Plan“ lässt sich mit gutem Willen auch da einordnen, vordergründig geht es um Imkerei, aber letztlich dann doch um Beziehungen. Das Bild hängt im normalen Leben in den Neuen Meistern in Dresden, kann also von mir öfter besucht werden, das ist schön.

Rosa Loy malt mit Kasein, ich vermeide einen Erklärungsversuch und damit eine Blamage. Dem Laien (also mir) wäre es eh nicht aufgefallen, die Deutungen überlass ich den Profis.
Aber die mit zehn Bildern doch recht kleine Ausstellung hat mich der Künstlerin näher gebracht, das sei gerne vermerkt. Dass sie sich auch am Neorauchismus orientiert, wer wollte es ihr verübeln?

Neo Rauch war ich ohnehin schon nahe, es ist auch schwierig, ihm zu entgehen im aktuellen Kunstbetrieb. Der Oberstudienrat der „Leipziger Schule“ ist omnipräsent, nicht erst seit den grandiosen „Begleitern“ parallel in Leipzig und München. Man wundert sich über die unglaubliche Produktivität des Malers, der nach eigener Aussage „nine-to-five“ malt und dennoch inzwischen ein in Format und Anzahl riesiges Werk vorweisen kann. (Den blöden Witz von der im Betrieb mithelfenden Ehefrau wollen wir mal ganz schnell wieder vergessen)
In Chemnitz wird eine vergleichsweise kleine Auswahl seiner Bilder gezeigt. Star dabei ist der Ankauf „Die Abwägung“, welche es sicher auf das Cover des neuen Museumskatalogs schaffen würde, sofern es denn für die Öffentlichkeit ohne größere Schwierigkeiten zugänglich sein wird, denn es wird seinen Platz im Ratssaal des Neuen Rathauses Chemnitz finden und dort indirekt mit dem Monumentalbild „Arbeit = Wohlstand = Schönheit“ von Max Klinger im Stadtverordnetensaal korrespondieren. An sich eine hübsche Idee, ich fürchte nur, dass das Gemälde dort oftmals sehr einsam sein wird.

Verdient hat es das nicht. Eine moderne Justizia, keineswegs blind, beherrscht das Bild, umgeben von Beratern, vielleicht auch Fragestellern, alle in heutigen, leuchtfarbenen Gewändern. Die typischen „Rauch-Gesichter“ sind hier relativ klar gearbeitet, das Bild hat eine beeindruckende Räumlichkeit. Sehr sehr schön, möge es die Räte zur Weisheit geleiten.

Um das Gemälde herum sind ein Dutzend andere Werke drapiert, die einen Querschnitt aus den letzten zehn Jahren des Neo Rauch zeigen. Oftmals sind die üblichen „Zutaten“ wie die schemenhafte, rötliche Figur, die sich einer Einordnung entzieht („Reich“) oder die bereits erwähnten verwaschenen Gesichter („Türme“) zu sehen. Manche Bilder scheinen zu zerfließen („Krönung“), andere sind überraschend klar strukturiert, zumindest auf den ersten Blick („Hohe Zeit“). Neben eher leichteren Themen („Goldene Äpfel“ und „Gärtnerin“, welches auch „Szenen einer ganz bestimmten Ehe“ heißen könnte) geht es auch um Krankheit und Tod („Der böse Kranke“) oder um Lebensillusionen („Abstieg“). Singulär steht dabei „Cross“, eine (fast) menschenleere Landschaft mit Wegen, die sich nicht zu treffen scheinen, sehr untypisch für Rauch.

Weder will ich mir anmaßen noch könnte ich es leisten, die Bildinhalte detailliert zu analysieren. Da gibt es Berufenere. Mir fällt dann immer der olle Goethe ein, „suche die Menschen zu verwirren, sie zu befriedigen ist schwer“, aber das allein wird es nicht sein. Ich mag den Rauch, seine Bilder sind nie langweilig, auch wenn die Konstellationen oft ein wenig rätselhaft bleiben. Manchmal braucht es auch nur einfach eine Weile, eh man sich (s)eine Erklärung darauf machen kann.

Dass dies bei weitem nicht immer so sein muss, beweist die parallele Sonderausstellung von Mario Nigro, einem 1992 verstorbenen abstrakten Maler. Auch wenn die Motive (z.B. „Schach“, „Freiheit“ und „Agamemnon“) in Farbigkeit und Komposition beeindrucken, zumindest mir fehlt der Zugang zur Aussage.

Für die 6 Euro Eintritt kann man sich auch den Bestand der Kunstsammlungen Chemnitz anschauen. Im Erdgeschoss sollte man das unbedingt tun, die Skulpturen, unter anderem von Rodin, Klinger und Barlach, sind sehenswert. Die Abteilung „Romantik“ fand ich dagegen öde, außer dem „Segelschiff“ von CDF sprach mich kaum etwas an, auch fand ich den Raum übertrieben verdunkelt.
Hinter der Sonderschau Rauch / Loy findet man die Expressionisten, deren Basis naturgemäß Karl Schmidt-Rottluff bildet. Aber auch Slevogt, Kokoschka und Korinth sind zu sehen. Es lohnt sich.

Fassen wir mal zusammen: Chemnitz ist derzeit eine Reise wert. Und um die Ecke gibt es auch noch den Nischel, wenn man es monumentaler mag.

Kunst am öffentlichen Verkehr – legitimes Recht oder illegale Inbesitznahme?

Einige subjektive Betrachtungen, inspiriert von einem mailwechsel

Alles begann mit einem Hinweis auf der Plattform cynal.de:

Conceptual Vandalism

03.12.2012 14:57

“ Eine ganz kriminelle Ausstellung“

Mitte der 1980er schwappte das US-amerikanische Phänomen U-Bahn Wagen zu besprühen nach Europa über. Da es in wenigen Städten großflächige Metrosystem gab, konzentrierte man sich auf andere Nahver­kehrsmittel . S-Bahnen und Regionalzüge schienen das perfekte Pendant zu sein, um die amerikanischen Vorbilder zu imitieren. Die Writing Ideologie “Schreibe deinen Namen so oft wie nur möglich auf Züge” wurde dabei übernommen.
Seit 2000 sind neue Tendenzen zu entdecken. Das simple Namedropping wurde einer Gruppe Sprüher zu langweilig. Sie entwickelten neue Strategien auf Zügen zu malen. Bis 2009 war es eine kleine Gruppe an Zugkünstlern, die sich vom klassischen Writing auf Zügen getrennt haben. Seitdem scheinen, durch den Einfluss des Internets, immer mehr Writer das “Züge Verkunsten” als ernsthafte Strategie zu begreifen.
Conceptual Vandalism fasst eine Gruppe Zugmaler zusammen die bereits vor 2009 im non-writing Kontext konzeptuell auf Zügen arbeiteten.

Werke der Ausstellung

Die Originalkunstwerke werden in Deutschland immer binnen kürzester Zeit zerstört. Die Fotografie ist das am weitesten verbreitete Medium zur Dokumentation der Werke.
Deshalb zeigt die Ausstellung vor allem dokumentarische Fotografie. Ergänzt wird der Inhalt durch Skizzen, Objekte, Videos und Internetinhalte.

Künstler

An der Ausstellung beteiligen sich Künstler, die nicht öffentlich in Erscheinung treten. Die Künstler agieren ausschließlich im Untergrund. Zugmalerei ist bis heute illegal und wird strafrechtlich verfolgt.

Kurator: Jens Besser

 

Der Verfasser fühlte sich berufen, seine Meinung als Kommentar dazuzugeben:

„Züge verkunsten“, so kann man das auch nennen.
Unabhängig vom künstlerischen Wert der Hervorbringungen und von der Diskussion, ob man ohne weiteres anderer Leute / Firmen Eigentum als Grundfläche für seine Arbeiten nehmen sollte: Ich schau gerne aus dem Fenster in der S-Bahn. In der Straßenbahn ist das ja inzwischen meist durch Werbung verklebt.

Was ich wirklich schick fände, wär mal eine farbenfrohe Aufhellung der inzwischen unzähligen Stadtgeländewagen, aber privates Eigentum scheint höher zu stehen als quasi-öffentliches. Schade.“

Der Kurator Jens Besser antwortete prompt und ausführlich. Es entspann sich eine Diskussion per mail, die kurzzeitig und teilweise auf dem blog teichelmauke.me dokumentiert wurde, dort aber wegen einiger Missverständnisse nicht mehr zu finden ist.

Davon angeregt, entstand aber der folgende Text, der nicht den Anspruch haben soll, ein „Urteil“ zu fällen, aber dank der vorausgegangenen Debatte etwas gelassener mit dem Thema umgeht.

 

 

Zunächst einmal ist festzustellen, dass wir alle in (rechtlich) sehr geregelten Verhältnissen leben. Für jeden Lebensbereich gibt es unzählige Gesetze, Richtlinien und Vorschriften, und wenn doch mal eine Lücke auftaucht, hilft meist das Bürgerliche Gesetzbuch.

In diesem nimmt das Eigentum einen prominenten Platz ein. Auch durch die Verfassung ist es geschützt, obgleich dort auch die Wendung „Eigentum verpflichtet“ zu finden ist.

Wenn also jemand (A) hergeht, das Eigentum eines anderen (B) mit was auch immer zu ver­sehen, ohne dass ihm dessen Einwilligung vorliegt, ist dies in unserer Gesellschaft Unrecht, und B kann erwarten, dass deren Vollzugsorgane gegen A aktiv werden, um B zu seinem Recht zu verhelfen. So weit, so theoretisch.

 

Schwieriger scheint die (mentale) Lage zu sein, wenn es sich bei B um ein Unternehmen im Be­sitz des Staates (also von uns allen) handelt und bei A um einen ambitionierten Künstler, der seinen Werken damit öffentliche Aufmerksamkeit bescheren will, auch, um Nachdenken zu provozieren und für Aufklärung zu sorgen (oder zumindest das, was er dafür hält). A beruft sich dabei auf die Kunstfreiheit und die positiven Reaktionen, die er gelegentlich erfährt.

„Juristisch“ ändert das natürlich nichts, aber darum soll es hier nicht gehen. Ich will ein wenig über die etwaige moralische Rechtfertigung oder mögliche Alternativen nachdenken.

 

 

Einen „Notstand“ zu definieren, bei welchem die Gesetze nicht mehr gelten, dürfte selbst dem glühendsten Verfechter dieser Kunstform schwer fallen. Unzweifelhaft ist Kunst dringend notwendig, aber aus der Verhinderung einer sehr kleinen Sparte davon erwächst noch kein Recht zum Regelbruch.

Auch die Krokodilstränen, die wegen der gewöhnlich schnellen Zerstörung dieser Schöpfungen vergossen werden, können mich nicht rühren. Jeder Sprüher weiß das vorher, und jedes infra­ge kommende Werk mit dem Titel „Kunst“ zu schmücken und ihm damit den Status einer heili­gen Kuh zu verschaffen, scheitert an der fehlenden Ausstattung der Fahrzeugwerkstätten mit künstlerischem Fachpersonal.

Hier sei auch auf „Nipple Jesus“ verwiesen, ein Stück von Nick Hornby, das derzeit am Schau­spielhaus läuft. Hier ist die Zerstörung (und deren Dokumentation) eines Bildes das eigentliche Kunstwerk, was sich aber sicher nicht 1:1 übertragen lässt.

 

Berechtigterweise kann man nun einwenden, dass „legal“ diese Kunst so gut wie unmöglich sei, da Unternehmen wie B im Allgemeinen nicht von Leuten geleitet werden, die für ihre Kunstsin­nigkeit bekannt sind. Aber auch das reicht als Argument bei weitem nicht aus, die von B meist so genannte „Sachbeschädigung“ zu vollziehen.

 

Interessanter ist aber die Frage nach einem „öffentlichen Interesse“. Ist es für die Gesell­schaft wichtig, solche Kunstformen zu fördern, auch wenn diese sich bisher meist illegaler Methoden bedienen? Hier fällt mir ein „Ja“ nicht schwer, auch wenn die Meinungen über den Grad des Interesses der Öffentlichkeit zwischen Jens Besser und mir deutlich auseinander­gehen.

Nur, wie? Natürlich gibt es auch hier Behörden und Institutionen, die sich dafür zuständig fühlen müssten, wir haben ja sogar auch seit mehr als zehn Jahren einen Bundeskultur- äh, Beauftragten. Nur ist es sicher illusorisch zu glauben, dass beispielsweise das Dresdner Kul­turamt die Sprayflaschen kaufen würde, mit denen dann nachts die S-Bahn verkunstet wird.

 

Die Lösung kann ja nur sein, dass diese Institutionen behilflich sind, diese Kunstform in die Legalität zu überführen, indem sie vermitteln, fördern und organisieren. Dass dies ein dickes Brett ist, was zu bohren wäre, weiß ich selbst.

(Ich habe allerdings den leisen Verdacht, ohne ihn mangels Szenekenntnis belegen zu können, dass für einige Akteure dann der Reiz des Nervenkitzels entfiele und sie ihre gewohnte Ar­beitsweise fortsetzen würden. Aber das ist nur eine Behauptung.)

 

Dies hätte übrigens einen weiteren Vorteil: Die Arbeiten würden zuvor kuratiert werden. Ohne jemandem zu nahe treten zu wollen, muss man sich ja doch oft viel Schrott ansehen, auch handwerklich betrachtet (ok, das ist subjektiv).

Das ist nämlich meiner Meinung nach neben der Unrechtmäßigkeit der zweite große Mangel an der aktuellen Situation: Jeder, der sich traut und eine Sprühflache halten kann, verschafft sich ein Podium, egal, ob er eine anspruchslose Sammlung von Tags produziert oder ein ambitio­niertes Bild. Ich hatte mich im mailwechsel mit dem Kurator auch schon über die Arroganz jener ereifert, denen das Zuglayout zu langweilig sei und die es deshalb nach eigenem Duktus aufhübschen wollten.

 

Nicht, dass ich glaube, das oben Geschilderte wäre illusorisch. „Irgendwann“ kann ein solcher Zustand eintreten, Jens Besser erwähnte auch einige entsprechende Aktivitäten. Der Zeit­raum bis dahin dürfte allerdings ein großer sein. Also was tun, bis es soweit ist?

 

 

Meiner Meinung nach gibt es keine dringende Notwendigkeit, auf Fahrzeuge zu sprühen (die Experten werden vielleicht widersprechen). Die Werke wirken ebenso auf bewegungslosen Flächen, auch wenn sie dort vielleicht nicht dieselbe Reichweite erzielen. Und es gibt überall genug Ruinen, denen eine Gestaltung gut täte (auch dies ist an sich nicht rechtmäßig, aber deutlich unproblematischer).

Nur wird diese meine Meinung die Protagonisten der Szene nicht sonderlich interessieren, es wird also weitergehen mit dem Sprayen, wobei zu hoffen ist, dass parallel eine „legale Szene“ heranwächst, die sich dann – auch dank der zu erwartenden qualitativen Überlegenheit – irgendwann durchsetzen wird.

Dass diese sich dann natürlich aus dem vormals illegalen Agieren herleitet und dort ihre Wurzeln hat, ist unbestritten. Und im Umkehrschluss würde sich daraus auch eine gewisse Legitimation der wilden Sprayerei ergeben, originellerweise aber eben erst in dem Moment, wo genug gesellschaftliche Akzeptanz vorhanden ist. Ich denke, dass es da viele Parallelen zu anderen Entwicklungen gibt, nur leider meist mit dem Unterschied, dass sich die Vorreiter nicht illegaler Methoden bedienten resp. bedienen mussten.

 

 

Abschließend: Beim Mailwechsel mit Jens Besser habe ich auf diesem Felde vieles dazugelernt, ich sehe jetzt einiges differenzierter. Zum Konsens sind wir aber nicht gelangt, wie auch.

Ein Zitat von ihm: „Sprüher sehen ihre Werke eben als Kunst und nicht als Vandalismus.“ Ja, gern, aber auch die Kunst heiligt nicht alle Mittel.

 

Ich wünsche mir sehr, dass es mehr Kunst im öffentlichen Raum gibt, auch auf Fahrzeugen des öffentlichen Verkehrs. Ich denke aber, dass das noch ein langer Weg ist, und ich glaube nicht, dass das eigenmächtige Besprühen von Zügen uns da wesentlich voranbringt. Es verhärtet eher die Fronten. Hier ist Vermittlung gefragt, und vielleicht auch mal eine Art Waffenstillstand.

 

Kunst im Wasser-Bau

Das ORNÖ war 2012 nochmal in das Wasserwerk Saloppe gezogen und tat gut daran. Der altehrwürdige Bau mit seinen vielen Zimmerchen und den großen, tiefen Hallen bot den idealen Hintergrund für eine Ausstellung aktueller Kunst, die ich vorab schon mal als gelungen und sehenswert bezeichnen möchte.

 

Empfangen wird man von einer hübschen Arche Noah, einer Doppelskulptur und einer Komposition aus Klobecken und Badewanne. Letztere entfaltet ihre Wirkung sicher erst bei Dunkelheit und fließendem Wasser, weshalb ich mich hier mit einer Bewertung zurückhalten muss. Ich kam schlicht zu früh.

Den linken Eingang wählend, stehe ich vor recht großformatigen Bildern, eines davon namens „Silicon Valley“ lässt ein winziges Männchen mit einer Hebebühne das Dekollete einer überdimensionalen Dame erobern. Naja. Die Spaßgesellschaft verlangt offenbar ihr Recht. Der realistische schweizer Kesselwagen sagt mir mehr zu, ebenso wie das Mädchen mit Krähe.

 

(Ich muss mich hier entschuldigen, dass ich meist weder die Künstler noch die Namen der Werke exakt wiedergebe. Die Suche nach Hinweisen ist mühselig, ich hatte meinen Faultag und einen Katalog oder wenigstens einen Flyer mit einem Ausstellungsplan gibt es nicht. Auch nicht im Netz, schade. So beschränke ich mich in der namentlichen Nennung auf die, die mir am besten gefielen.)

 

Einer davon ist Stephan Popella. Seine vier Gemälde in einem separaten Raum gleich links begeistern mich alle, am meisten das, was ich für mich „zweifelnder Jugendfreund vor Generalsekretär“ nenne.

Gleich daneben der für mich am stimmigsten durchkomponierte Raum, die Künstlerin möge mir verzeihen, dass ich vergaß, ihren Namen zu notieren.

Viktoria Graf fällt mir im Obergeschoss noch auf, mit einem wieder sehr assoziationsreichen Bild, dazu ein Mädchen im roten Kleid mit wehendem Haar und die um einen Tisch versammelten Holzskulpturen.

 

Im ersten großen Raum angelangt, sollte man sich umgehend nach scharf rechts wenden, sehenswerte Bilder und Fotografien (?). Der kleine Junge vor dem Pferdekopf weckt mein Interesse.

Ich steige in die Tiefen des Wasserwerks, eine Künstlerin namens Peggy – Ähh – (auch hier wieder Tschuldigung) bewacht höchstselbst die ihr zugewiesene Industriegrotte und vertreibt sich die Zeit mit Malen. Zu dieser frühen Stunde sind noch recht wenige Besucher unterwegs, da ist der Wachdienst entspannt. Am besten gefällt mir hier eine Art senkrechtes Triptychon voller Weiblichkeit. Das wird mir sicher niemand verübeln.

Auch sehr schön: Ein Trinkbrunnen mit Mosaikkacheln. Der war allerdings schon vorher da und bleibt sicher auch noch länger.

 

Nun ereilt mich aber ein Ärgernis: Minutenlang grübele ich, was wohl die drei grünen Fingermonster für eine Bedeutung haben, bis es dämmert. Der Sponsor lässt grüßen. Ästhetisch ist dies ein Schlag in die Fresse des Besuchers, aber zumindest zeigen sie deutlich, wo der Unterschied zwischen Kunst und Gewerbe liegt. So hat halt alles sein Gutes, und die Nebenkosten müssen ja auch irgendwie bezahlt werden.

In einem Hinterraum treffe ich auf eine kopflose Figur, deren äußere Beschaffenheit an Fußballleder erinnert. Hübsche Assoziationen fallen mir da ein, es ist wohl nicht nötig, die noch extra aufzuschreiben?

 

Noch ein Lieblingsbild: Eine Dame in Dunkelblau beim Lippennachziehen, sie wendet mir den Rücken zu, aber im schrägen Spiegel seh ich ihr Gesicht. Sehr anregend.

Auch der sich nach hinten überbeugende Frauenkörper in der Mitte des Raums ist ansprechend, allerdings von grünglibberigen Sitzpfoten umgeben. Muss man sich halt wegdenken oder die Dinger beiseite räumen.

 

In der dritten und letzten Abteilung, direkt über der Freitreppe fällt zunächst eine wellenartige Installation aus Teebeuteln ins Auge. Vielleicht ist es auch eine Rutsche. Seltsamerweise riecht es gar nicht nach Tee.

Kay Pyta hat einen Raum am Ende der Etage mit seinen Fotografien gestaltet. Ach Augenblick, verweile doch, du bist so schön … Und die Fotos erst. Gänsehaut.

 

Ganz oben unterm Dach dann noch ein Raum, der sich mit der Flu-huut befasst (hätten wir zum Jubiläum das also auch bespielt), mir aber nicht so zusagt. Interessante Zeichnungen von Constanze Deutsch kommen noch, und die Stadtpläne aus Buchstaben, die die jeweiligen Viertel abbilden. Ganz originell, aber eher Gebrauchskunst, auch wenn die Sonderdrucke sicher dekorativ sind.

 

Nach knapp zwei Stunden steh ich wieder im Hof. Das hat Spaß gemacht. Mein zweiter Besuch wird sicher am Abend stattfinden, dann gibt es sicher noch ganz andere Eindrücke.

Hiermit wärmstens empfohlen, das Ganze.

(Nur leider nicht mehr besuchbar, seit Ende August ist Schluss)

 

 

In echt

„Kleider machen Leute“, eine Fotoausstellung von Herlinde Koelbl im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, leider schon Geschichte

 

 

Die Idee ist gut. Das Gegenüberstellen von Menschen in ihrer Berufskleidung mit sich selber im Freizeitlook bringt Erkenntnisse. Der einen und der anderen Art.

 

Das Ganze ist etwas militärlastig, klar, hier geht nichts ohne Uniform. Und reichlich „hohe Tiere“ dabei, zu reichlich. Manchmal schälen sich erstaunliche Menschen aus der martialischen Umhüllung, es gilt zumindest ein Vorurteil zu begraben.

 

Es wiederholt sich allerdings häufig, der 20. Soldat mit immer demselben Text ist nicht mehr interessant.

Überhaupt, die Texte. Man hat den Abgebildeten meist keinen Gefallen getan, als man sie über sich schreiben ließ. Banal und erwartbar das meiste, zum Teil auch peinlich. Von der angekündigten Empathie der Fotografin hab ich da nichts bemerkt, ich würde eher „Zur-Schau-stellen“ dazu sagen.

 

Die Ausstellung hat eine klare Botschaft: Der Mensch ist in der Uniform am besten angezogen. Wenn man ihm die Wahl der Kleidung selbst überlässt, kommt oft nichts Gutes dabei raus. Ich hab schon lang nicht mehr so viele schlecht angezogene Leute gesehen.

 

Auch psychisch gibt die Uniform Halt und Stärke. Während die Portraitierten sich im Berufskleid der Würde ihres Standes bewusst sind und das auch in ihrer Körperhaltung ausdrücken, wirken sie auf den privaten Aufnahmen meist linkisch und verkrampft. Nur wenige sind so cool wie der Rechtsanwalt, der keine Freizeitkleidung besitzt und sich folglich nackt präsentiert.

 

Wie schon geahnt, erscheint Bischof Müller privat in seiner Ballonseide auch äußerlich als das, was er sonst nur innerlich ist: Ein prolliger Spießbürger. Man muss ihm dankbar sein für soviel Offenheit.

 

Ein Jäger sieht seinem Hund ähnlich, ein Investmentbanker legt sein aufgeschweißtes Lächeln auch privat nicht ab.

 

Die meisten haben offenbar eine Flucht in die Uniform vollzogen, Identitätsstiftung findet durch Arbeit und Amt statt, weil da sonst nicht viel ist. Wenn sie die Uniform ins Private verlassen, ist dies keine Befreiung, sondern der Verlust der schützenden Hülle.

 

Ist das repräsentativ? Möglich. Zumindest macht es nachdenklich. Braucht der Mensch wirklich diese Herdensymbolik für sein Selbstvertrauen? Das Sein bestimmt das Bewusstsein, ja … Aber das Sein ist doch nicht die Uniform, die man anhat?

 

Die Fotoschnipsel vor der Tür sind lustig, verspielt und machen Lust, sie den gesehenen Bildern zuzuordnen. Ein versöhnender Abschluss.

Von Göttern und Bestien

„Die Leidenschaften“, ein (Ausstellungs-) Drama in fünf Akten im Deutschen Hygiene-Museum Dresden

 

Nein, ich bin kein Museumspädagoge. Auch keine promovierte Kulturhistorikerin. Aber wenn eine Ausstellung so eindeutig auf die darstellende Kunst Bezug nimmt, fühl ich mich doch angesprochen. Und zuständig, auch hier einige Eindrücke aus Laiensicht der aufhorchenden Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen.

 

Das Vorspiel findet in einem barock-plüschigen Foyer statt, es scheint nur ein Garderobier zu fehlen. Immerhin gibt es die Platzanweiserin, auch wenn es an Sitzgelegenheiten mangeln wird in der Folge.

 

Akt Eins, Einführung ins Thema. Eine nüchterne Küche, auch die anderen Räume des (emotionalen) Haushalts sehr spartanisch und aufgeräumt. Ich lerne als erstes, dass der Zorn in der Nase sitzen soll laut Altem Testament und muss unwillkürlich niesen. Der Kindermund in der Ecke ist beim ersten Hören interessant, ab dem zweiten nervt er, nicht nur durch Lautstärke. Schnell weiter.

Die ausgestellten Gefühlsmasken aus dem japanischen Theater wären auch heute hilfreich, finde ich, zumindest für Menschen mit unterentwickelter Mimik. Wo gibt es die denn?

Angstschweiß riecht anders. Ich überlege, wie ich dies durch einen Versuch überprüfen kann. Die experimentelle Psychologie hält auch hier sicher ein Vorbild bereit, näher beschrieben wird aber nur der klassische Pawlow und andere Formen der Konditionierung.

Witzig im besten Sinne: Das riesige Krokodil und das Schälchen Mandeln. Dass Kaninchen zu den sensibelsten Tieren gehören, ist mir neu. Das Killer-Viech bei Monty Python muss da wohl aus der Art geschlagen sein.

 

In der zwoten Abteilung (oder auch Akt) befindet sich ein Teil der Einrichtung in beträchtlicher Schieflage, könnte jederzeit außer Kontrolle geraten. Die Gegenseite ist stabil. Die Schlacht der Definitionen: Sind die Leidenschaften nun der Wind, der die Segel des Lebens füllt oder der Krebsschaden für die praktische Vernunft? Führt Selbstbeherrschung zur Vervollkommnung oder müssen die Triebe ausgelebt werden, um den stoischen Idealzustand zu erreichen? Such dir was aus.

Auch der Dalai Lama und der Papst kommen zu Wort und haben gewohnt Nichtssagendes-Gutklingendes beizutragen.

 

Akt Drei, es scheint ein Orkan durchs Haus gebraust zu sein. Man wird mit „Psycho“ empfangen, auch sonst sind einige Erschröcklichkeiten zu sehen, aber der Putzdienst ist wohl grad durch, alles blitzeblank.

Gegen Angst gibt es immerhin das „Keine-Angst-Licht“, bei Trauer ist das schwieriger. Die Sammlung von Kotztüten ist beeindruckend. Aber das Personal ist ebenso freundlich wie aufmerksam, und mir ist auch gar nicht mehr schlecht.

„Little death“ ist hier der im Zeitraffer gezeigte Verwesungsprozess eines Hasen, das kannte ich bisher anders, aber ein Museum ist ja zur Bildung da.

Der Ekel ist laut Freud Ausdruck verdrängter Triebe, besonders der bürgerlich konditionierte Mensch sei dafür anfällig. Hm, klingt plausibel.

Erwähnenswert weiterhin der „Brustmilchstuhl“ (bitte medizinisch verstehen) und eine original Toilettentür aus einer original Dresdner Schule mit originalen Sprüchen darauf. Ein Feld, das die Wissenschaft m. E. bisher unzureichend beackert.

Nun mein Lieblingsexponat: Der Mimosengarten zum Selbstanbau. Das hab ich mir schon immer gewünscht.

Das sagenumwobene Westpaket (leider ohne den unverwechselbaren Geruch von Sonderangebotskaffee und billigen Seifen) steht hier neben einem Modell der Milchdrüsen mit und ohne Beanspruchung. Warum auch nicht, alles hat mit allem zu tun.

Meinen Sonderpreis erhält der Fernsehbeitrag über Zinedine Zidane und seinen heiligen Zorn. Immer wieder schön anzusehen, wenn auch tragisch im Ausgang. Dann hat wohl die Philosophenschule doch recht, die meint, wir sollten uns im Zaume halten?

 

Vierter Akt, die Ordnung ist wieder hergestellt. Auch ein Beichtstuhl steht bereit. Für Wohlverhalten gibt es einen Bienchenstempel.

Hilfreich dabei, den Bürger zu Ruhe und Obrigkeitstreue zu geleiten, sind u.a. Erziehung, Religion, Arbeit, Ehe, Unterhaltung und Recht und Ordnung. Diese werden ausführlich beschrieben, der Teil zum Sex, der auch dazu gehören soll, fällt dagegen spärlich aus.

Die Schandmaske eines Wildschweins für Mitbürger, die sich entsprechend benehmen, sollte ins Strafgesetzbuch. Man muss sich aber freikaufen können davon, durch Hundehaufen-Einsammeln zum Beispiel.

 

Im fünften Akt bekommen wir eingangs wieder erklärt, was jetzt zu denken ist. Das finde ich minderwitzig. Der Text ist sicher gut gemeint, aber … mir wär es neutraler deutlich lieber gewesen.

Die Idee, auf das bisher durchschrittene Haus nunmehr von draußen zu schauen, ist allerdings grandios und spricht den Voyeur in dir und mir an.

Das „Berner Gebrüll“ kann ich, liebe Museumsleute, nicht mehr hören. Und ich bin mir sicher, dass ich die Mehrheit bin. Es ist einfach genug damit. Gefühlt zehntausendmal hat Rahn dann doch geschossen, und irgendein zehntausendmal den Ball verlierender Bozcik wurde in Ungarn sicher zu Festungshaft verurteilt. Dass Deutschland Weltmeister ist, weiß ich inzwischen, aber auch, dass seitdem noch einige Weltmeisterschaften ins Land gegangen sind. Also, lassen wir alle in Frieden ruhen. Oder nehmen wir zur Abwechslung mal „Liebe junge Väter, taufen sie ihren Sohn ruhig Waldemar …“, ohne jetzt das Geschlechterbild im Sozialismus diskutieren zu wollen.

Die Emphatie wird u.a. vor dem Haus auf den Mülltonnen präsentiert, was sagt uns das? Ein Fenster bleibt verhüllt, dahinter wohnt sicher die Phantasie. Das ist mir das liebste.

 

Einen Moment glaubt man, wieder im Foyer zu stehn, sehr schöne Idee. Man muss dann aber doch den Rückweg durch die Ausstellung antreten, was dem Konzept einigen Abbruch tut. Wem wird schon nach dem Ende einer Oper das Ganze noch mal im Schnelldurchlauf rückwärts gezeigt? Ohne räumliche Gegebenheiten zu ignorieren, aber das ist schade.

 

Sehr sehenswert, sehr anregend, vielleicht ein bisschen zu klinisch rein, die Fülle der Exponate doch etwas fragwürdig. Soweit in Kürze, die Idee des Schauspiels in fünf Akten und die Übertragung des Themas auf einen Haushalt sind aber für sich genommen schon großartig genug, um unbedingt zu einem Besuch zu raten. Bis zum Ende des Jahres ist noch Zeit.

Die Antwort ist d13

[pünktlich zum Ende der dokumenta13 hier meine Eindrücke vom Juli, kann ja niemand mehr nachprüfen]

Kassel ist hässlich. Das ist der erste Eindruck, den man bekommt, wenn man den Bahnhof verlässt, der Eindruck, der einen über die ganze Zeit des Hierseins begleitet und den man mitnimmt, wenn man der Stadt den Rücken kehrt.

Vielleicht – gewagte These – kommt gerade hier moderne Kunst deshalb besonders zur Geltung, der verschwitzte Charme der versammelten Scheußlichkeiten aus den sechziger, siebziger und achtziger Jahren bildet in seiner Vergilbtheit aller fünf Jahre den passenden Hintergrund für die Documenta.

Kassel ist nicht überall hässlich, gottbewahre. Die Museen sind hübsch anzuschauen, und die Karlsaue (wobei man vielleicht streiten könnte, ob die zu Kassel gehört oder nur angrenzt) hat Größe und auch sonst alles, was ein Landschaftsgarten braucht. Sonst lenkt aber nichts von der Groß-Ausstellung ab.

Die 13. Documenta, die sich in bemühter Originalität in vertauschter Groß- und Kleinschreibung präsentiert (was in diesem Text unbedingt vermieden wird), wird von einer erwartbar polyglotten Kuratorin in Szene gesetzt, einer Amerikanerin mit bulgarisch-italienischen Wurzeln. Ob die „13“ hier eine Unglückszahl ist, vermag ich nicht zu beurteilen, bei den zwölf Vorgängerinnen war ich aus verschiedensten Gründen nicht dabei.

Ich habe mir vorgenommen, meinen Besuch für die aufhorchende Öffentlichkeit zu protokollieren, ohne Anspruch darauf, als Kunstexperte zu gelten. Aber „normaler“ Kunstkritik mangelt es ja oftmals an der gleichen Ebene zwischen Autor und Publikum, der Kritiker profiliert sich lieber gegenüber Künstlern und Kollegen und lässt eine meist ratlose Leserschaft zurück. Das kann hier nicht passieren: Vom Laien für Laien, aber auch für alle anderen. Also los.

Die Vielzahl an zeitraubenden Videoarbeiten erschreckt im Vorfeld zunächst mal. Man kann unmöglich alle komplett sehen, und sich nur jeweils Schnipsel anzuschauen, hat eigentlich keinen Sinn. Also gilt es, sich zu beschränken.

In den zwei Tagen, die mir zum Glück gegeben waren, habe ich alle Hauptorte besucht, dazu noch einige Nebenschauplätze. Vielleicht zwei Drittel aller Exponate nahm ich mehr oder weniger intensiv zur Kenntnis. Mehr war nicht drin. Aber es reicht zum Mitreden.

Der Hauptbahnhof, inzwischen zum Kulturbahnhof geadelt, bildet den Auftakt des ersten Tages. Gut gewählt, wenn auch eher verkehrstechnisch bedingt. Mein Erstes-Mal-Documenta ist eine Installation von Istvan Csakany, ein Volltreffer gleich zu Beginn, der bis zum Ende auf der Favoritenliste bleibt. Eine menschenleere Nähfabrik aus Sperrholz, daneben Gruppen von kopflosen Puppen in klaren Posen. Viel Raum zum Geschichten erfinden.

William Kentridge ist populär genug, um die Erwartung hochzuhängen. Er erfüllt sie voll, ein fulminantes Spektakel aus Bildern, Klängen, Musik und beweglichen Objekten namens „The refusal of time“. Schwer zu beschreiben, muss man selber sehen, unbedingt.

Über den Schrottberg von Lara Favaretto, der im Außengelände zu bestaunen ist, musste ich eher schmunzeln.

All das spielt sich im Nordflügel ab, Südflügel und Nachrichtenmeisterei bieten für mich wenig Erwähnenswertes, allein die aufbereiteten Mobiltelefonfilme und –fotos aus dem syrischen Bürgerkrieg von Rabih Mroue sind beeindruckend und beklemmend. Ein Besuch beim „Offenen Kanal“ in der Haupthalle lohnt sich aber unbedingt, schon architektonisch.

Das Fridericianum beherbergt die größte Zahl von Objekten, darunter auch alte Stücke, sogar ganz alte, baktrische Prinzessinnen aus dem Jahr 2.500 v.u.Z.. Sinn und Zweck dieses Brückenschlags in die Vergangenheit geht mir nicht ganz auf. Sehenswert auf jeden Fall die Korbiniansäpfel und die Kreation von Emily Jacir im Zwehrenturm. Und die Papierschlacht von Ida Applebroog. Und nicht zu vergessen der geniale Wandteppich von Goshka Macuga nebst dem Film von Mariam Ghani über die Verbindung Kabul – Kassel.

Das Wetter bleibt stabil, also auf in die Karlsaue. Zuvor noch einen Abstecher zum Hugenottenhaus, das für die Zeit der Documenta als Künstlerkolonie eingerichtet ist, was angesichts der baulichen Verhältnisse dort nur bedingt witzig ist. Einige Videoarbeiten sind zu sehen, ein paar kleinere Objekte. Ganz nett, muss aber nicht unbedingt auf dem Tourplan stehen.

In der Aue fällt zunächst der bronzene Baum von Giuseppe Penone ins Auge, der einen schweren Stein in der kahlen Krone trägt (der Baum, nicht der Künstler). Der steht schon zwei Jahre dort, ist aber immer noch hübsch anzusehen. Weiter aufgefallen: Eine Richtstätte am See, ein mit Müll vollgestopftes Häuschen umgeben von Ruderbooten, ein Klangpfad im Wald (der leider schon verstummt war, um achte ist Sense) und die Welle direkt an der Orangerie, ein Kunstwerk, das einen zum Meditieren bringt, wenn man nur lang genug hineinstarrt.

Kassel ist nicht für Nachtleben bekannt, und das ist auch gut so. Der nächste Tag wird hart.

Es gießt aus Eimern am nächsten Morgen. Zum Glück ist der Außenbereich schon abgehakt. Nach einem wirklich guten und relativ preiswerten Frühstück im „Alex“ wechsele ich schirmbewehrt ins Ottoneum. Kein guter Start, außer der Hölzer-Bibliothek von Mark Dion fesselt mich nichts.

Weiter in die Kunsthalle. Dieser imposante und elegante Bau enthält neben Verzichtbarem wie den 100 verdeckten Zeichnungen von Gustav Metzger auch Großkunst von Julie Mehretu (sehr schön) und Thomas Bayrle (naja). Letzterer ist ein gutes Beispiel, wie Kunst an der Praxis scheitern kann: Die in die Motorengeräusche montierten Mitschnitte von Predigten gehen im Lärm der Halle unter, wenn man es nicht weiß, bekommt man es nicht mit. Und eilt weiter ins Basement zu einer wunderhübschen Installation von Nanini Malani.

Natürlich kann Yan Lei hier nicht unerwähnt bleiben. Ich teile die Begeisterung nur bedingt, gebe aber zu, dass der Ansatz, aus ganz verschiedenen Bildern der Welt 360 Gemälde zu machen, die in einen Raum zu stopfen und nach und nach überzulackieren, interessant ist. So verändert sich der Raum mit jedem Tag, bis am Ende nur noch farbige Tafeln übrig sind. Was mich ein wenig stört, ist die offensichtlich auf Wiedererkennung setzende Bilderwahl, die ich ziemlich banal finde.

Und noch ein Highlight: Die Zwei-Kanal-Videoarbeit von Moon und Jeon nebst angeschlossenem Kabinett. Ganz großes Kino, aber nicht nur das.

Auf dem Wege zur Neuen Galerie – der Regen hat sich inzwischen verzogen – passiere ich ein hübsches Bretterhäuschen. Hier bietet eine renommierte Kunstkritikerin an, eingereichte Werke zu begutachten und versteht dies als Beitrag zur Documenta. Find ich gut, zumal Werk und Kritik dann öffentlich gemacht werden. Ich hoffe nur, dass die Hütte nicht von ambitionierten Hausfrauen gestürmt wird.

Die Neue Galerie verknüpft ihre Bestandsausstellung mit der documenta. Das ist schön, beide Teile sollte man unbedingt anschauen, auch wenn dadurch der Vorsatz, „nur“ Documenta zu schauen, hinfällig wird.

Die 100 Esel von Sanja Ivekovic find ich toll. Was erst kitschig aussieht, erschließt sich beim Lesen des Begleittextes. Wirklich gelungen.

Die Arbeit von Geoffrey Farmer beeindruckt mich eher wegen des Aufwandes, der dahintersteckt, als durch Originalität. Eine etwa zwanzig Meter lange Reihe von beidseitig auf einem Rahmen angeordneten Bildschnipseln aus dem „Life-Magazin“ zwischen 1955 und 1985, thematisch sehr amerikalastig, Aussage gleich Null. Für mich. Dass die Zeit vergeht, weiß ich selber.

Hingegen die Jukebox von Susan Hiller: 100 Lieder des Widerstands in die Box gepresst, zur freien Auswahl durch die Besucher, die Texte an den Wänden verewigt. Zudem kommuniziert die Installation mit einer zweiten Jukebox im Lokal gegenüber, das auch sonst empfehlenswert ist.

Die ständige Ausstellung enthält neben einer Reminiszenz an die vergangenen Documenta (u.a. mit einem Gerhard Richter) eine große Sammlung von Joseph Beuys, die man gesehen haben muss, und Einzelstücke von Rodin, Barlach, Warhol, Corinth, Dahl und vieles andere mehr. Im Unterschied zur Documenta lohnt fast jedes Werk die nähere Betrachtung, aber sonst wär es ja auch nicht im Museum.

Gleich gegenüber das Gebrüder-Grimm-Museum. Sicher auch für sich sehenswert, heute aber nur die Ritterspiele eines ungarischen Künstlers. Das ist witzig und voller Material, ob es auf eine Documenta gehört, ist müßig zu diskutieren. Es ist ja schon da.

Nochmal Kraft gesammelt für die letzte Etappe, die Orangerie. Doch entweder ist das geistige Fassungsvermögen erreicht oder es ist schlicht nicht meins: Die dortigen Installationen lassen mich kalt. Rechnererzeugte Liebesbriefe find ich unspannend, und das versammelte Technikspielzeug interessiert mich nicht.

Aber dann doch noch ein Höhepunkt. Die faszinierende Drei-Kanal-Videoarbeit von Mika Taanita über den Bau eines Atomkraftwerks in Finnland beeindruckt durch ihre Bilder und die Musik.

So. Geschafft. Sowohl als auch. Was bleibt?

Fleißarbeiten stehen neben Genialischem, Groteskes neben der Aufarbeitung aktueller und vergangener Kriege. Aber diese Spannweite ist in Ordnung, muss sicher auch so sein. Insofern ist die Antwort wirklich Dreizehn, so facettenreich wie „42“.

Die Documenta ist kein Grand Prix, es gibt keinen Sieger am Ende. Wohl aber Favoriten. Die Meinigen hab ich oben genannt.

Neben der beachtlichen Logistik waren auch kleinere Ärgernisse zu verzeichnen. Die Beschriftungen sind zu klein geschrieben und zu unstrukturiert, sie enthalten keine biografischen Daten der Künstler und nur selten Erläuterungen zum Werk. Der Katalog ist deswegen hilfreich, die darin enthaltenen Texte nicht immer. Hier ist der Produktionsvorlauf zu spüren.

Dass man oft ohne gutes Englisch kaum auskommt, wenn man tiefer gehen will, ist unschön. Bei aller Weltläufigkeit: Die Documenta findet statt in Kassel, Hessen, Germany.

Erwartet wurden heuer an die 800.000 Besucher, die etwa 100 Mio. € zusätzlichen Umsatz in die nicht gerade strukturstarke Region spülen sollen. Die Diskussionen, ob die Documenta nicht zu teuer sei, sind deshalb lange vorbei.

Die dreizehnte Documenta ist weder gut noch schlecht. Sie ist. Und das noch bis zum 16. September.

PS:

Eine Provinzposse allererster Güte gab es übrigens im Vorfeld. Großkünstler Stephan Balkenhol, der wohl der Meinung war, er fehle im Programm, schlich sich unter Beihilfe der Kirche ins Bild und installierte eine seiner Figuren im Turm von St. Elisabeth, in Sichtweite des Documenta-Hauptgeschehens. Rein zufällig verweilt diese dort während der gesamten Laufzeit.

Frau Großkuratorin CCB entblödete sich nicht, die Entfernung dieser Figur zu verlangen und bewies damit, dass Gelassenheit keine amerikanische Tugend ist. Natürlich steht die Figur immer noch, aber es gibt nun zwei Blamierte mehr auf der Welt.