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Nicht Dürrenmatts Humor

DER BESUCH DER ALTEN DAME, inszeniert von Nicolai Sykosch, Premiere am Staatsschauspiel Dresden am 5. April 2024

So kann man das nicht machen, Herr Regisseur.

Friedrich Dürrenmatts Neo-Klassiker ist vieles, eine Fabel über die menschliche Gier, eine Abhandlung über Schuld und Sühne, ein Bericht über ein soziales Experiment, und ja, auch eine Komödie.

Aber, mit Verlaub, Herr Regisseur, keine der Art „ich lass meine Protagonisten am Anfang möglichst dämlich aussehen, da kommt der Spaß von ganz alleine“. Wenn man so gründlich falsch abbiegt wie vor der Pause, findet man im Normalfall den Weg nicht mehr zurück in eine dem Stück, dem Autor und auch dem Hause angemessene theatrale Form, da mögen sich einzelne Darsteller noch so abstrampeln, Herr Regisseur, es bleibt verhunzt und wird nicht mehr originell. 

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https://www.kultura-extra.de/theater/auffuehrungen/premierenkritik_BesuchAlteDame_staatsschauspielDD.php

Die theatralen Aspekte des Handballsports

Herr Mauke war Sport gucken

Dresden ist eine Sportstadt, sagt das kommunale Marketing gern. Dresden ist natürlich auch eine Kunst-, Kultur-, Barock-, Roland-Kaiser-, Einkaufs-, Auto-, Straßenbahn- sowie Pegida- und Schwurblerstadt, unter anderem, aber letzteres sagt das Marketing nicht so gerne.

Nun gibt es zwar einige Dutzend Kilometer elbabwärts noch eine Stadt, die sich mit diesem sportlichen Titel schmückt und auch sonst nicht viel mehr zu bieten hat, deshalb ist es ein bißchen gemein, das zu behaupten, aber im Haifischteich des regionalen Wettbewerbs werden vermutlich keine Gefangenen gemacht.

Begründet wird diese Zueignung unter anderem mit der Anwesenheit diverser Berufssport­vereine, z.B. erstrangigem Volleyball, drittklassigem Fußball und noch einigen anderen Sponsor-verwöhnten Gruppensportarten sowie damit, daß die Innenstadt gefühlt an jedem zweiten Wochenende der wärmeren Jahreshälfte mit Massenlaufveranstaltungen lahmgelegt wird. Nun ist die City dem Autor Mauke nicht so lieb, daß ihn das wirklich stören würde, aber es stürzt damit regelmäßig der städtische ÖPNV ins Chaos, und da hört der Spaß auf.

Handball gibt es auch in Dresden, und da Handball neulich auch reichlich im Fernsehen stattfand und Mauke in seiner zarten Jugend diesem edlen Sporte intensiv frönte, formte sich das alles zu einem wahrnehmbaren Verlangen, sich so etwas mal wieder in echt anzuschauen.

„Mal wieder“ meint dabei, solche Ereignisse bisher von der Auswechselbank oder gelegentlich von der Platte, wie wir Experten sagen, verfolgt zu haben, was zwar deutlich anstrengender, aber schon Jahrzehnte her ist, so daß der einhergehende Muskelkater inzwischen verflog. Das (erst aus späterer Sicht als wohlmeinend empfundene) Schicksal verwehrte dem Sportfreund Mauke das Erreichen irgendeines Kaders, die schon damals reichlich vorhandene Faulheit sperrte ihm den Weg ins richtige Leben frei. Aber das ist eine andere Geschichte.

Es begab sich also, daß am Freitag, dem 9. des Februars anno 2024 der hiesige Handballverein ein sog. „Pflichtspiel“ in der eigenen Halle austrug – wobei man sich fragen kann, ob hier nicht Pflicht und Willen (zum Broterwerb) Hand in Hand gehen, was eine angesichts der Sportart zwar naheliegende, aber trotzdem schräge Metapher ist. Gehen wir in der Folge mal davon aus, daß alle freiwillig dabei waren, nicht nur auf besagter Platte, sondern auch und vor allem auf den Tribünen.

Zweieinhalbtausend Menschen tummelten sich da, eine Zahl, für die das unweit gelegene Staatsschauspiel ein dreitägiges Christian-Friedel-Festival veranstalten müsste. Allerdings kamen die Menschen weniger des „Bildens und Besserns“ wegen, was im Theater ja generell stattfinden soll, sondern, um ihrer Mannschaft in der 2. Bundesliga bei der Arbeit zuzusehen.

Diese war gegen den ASV Hamm zu verrichten, der im vorigen Jahr noch eine Klasse weiter oben spielte, aber es müssen halt immer zwei absteigen. Wenn einen Verein dieses Los ereilt, fällt er entweder kadermäßig komplett auseinander oder berappelt sich sehr schnell, um wieder nach oben zu kommen. Für den ASV gilt letzteres, und so schwante dem Experten Mauke, daß dieser Dresdner Weg kein leichter werden würde, wie der deutsche Schlager singt.

Die ersten Schritte darauf wurden den heimischen Recken aber durchaus leicht gemacht. Mit einem Bohei, das an das Halbfinale der EM unlängst erinnerte, durften diese einzeln nacheinander das Parkett betreten, das obligatorische Kindchen aus dem Nachwuchs an der Hand, mit Getöse, Lichtershow und einem Conferencier, der sich kaum einbekam vor Glück, diesem Einmarsch beiwohnen zu dürfen. Wir im Publikum sollten auch alle die Nachnamen der Heroen rufen, und es gab wie in der Oper Obertitel dafür, so daß selbst Mauke dies hätte leisten können, wenn er denn gewollt hätte.

Im Unterschied zur Oper übrigens gibt es keine Publikums-Garderoben in der Sporthalle, was Zeit und Personal spart, aber irgendwie auch ungemütlich ist. Besagte Halle bytheway ist ein durchaus gelungener Sportbau, 2017 eröffnet und privat finanziert von einem lokalen Medizintechnik-Unternehmer, der dann sogar der Versuchung widerstand, seinen Namen dem Verein zu schenken, dessen Präsident er ist. Es gibt sie noch, die schönen Geschichten, und so spielt ein erst 2006 gegründeter Sportverein nun schon seit sieben Jahren stabil in der zweiten Liga und niemand sieht den sportlichen Geist resp. den Marktanteil in Gefahr. In anderen Sportarten mag das anders sein.

Zurück zum Bohei: Bei Mauke kam da bald der Verdacht auf, in einem Mehr-Sterne-Lokal zu weilen, mit einer stattlichen Reihe von Kellnernden im Fracke im Anmarsch, wo sich nach dem Lupfen der Tellerbedeckungen das raffinierte Gericht „Bockwurst an Senf im Dialog mit Brötchen“ zeigt. Ganz so groß war die Fallhöhe dann nicht, es wurde auch Kartoffelsalat gereicht und der Senf kam nicht nur aus Bautzen, um im Bilde zu bleiben, aber die maximale Eventisierung solcher Ereignisse geht ihm massiv auf den Wurfarm.

Zum Glück unterblieb das Absingen der Nationalhymne, aber der Einheizer war dennoch weiter sehr bewegt, dabei sein zu dürfen. Auf sein Geheiß hin sollten dann alle „Ha-Zeh“ rufen, und dann noch „Elbflorenz“. Ersteres hat Mauke nicht verstanden, und die zweite Wortschöpfung hängt ihm seit Jahren meilenweit zum Halse raus, so ausgenudelt wie sie ist. („Ausgenudelt“, „Florenz“, Italia, capito? Toller Witz.)

Dummerweise heißt der gastgebende Verein aber „HC Elbflorenz“, was an diesem Abend zu zahlreichen Wiederholungen der gefürchteten Vokabel führte. Natürlich ist das immer noch deutlich besser als „H.C. Strache“, aber „HC Medizin“ oder „HC Saegeling“ gängen doch auch und wären genauso leicht zu brüllen.

Apropos „brüllen“: Gebt kleinen Glatzköpfen kein Mikro in die Hand, die müssen alle was kompensieren!

Leider wurde diese Weisheit nicht beachtet, und so waren es nicht nur das halbe Dutzend Pauken und eine halbwegs ordentlich gespielte B-Trompete, die an den Nerven zerrten, sondern auch ein Schreihals mit unnötig verstärktem Organ.

Die Darsteller (es war übrigens eine reine Männerbesetzung wie zu Shakespeares Zeiten) waren das offenbar gewohnt und ließen sich in ihren Darbietungen nicht stören. Vor der Pause plätscherte das Geschehen munter vor sich hin, mal waren wie im richtigen Leben die Schwarzen vorn, mal die Roten und an die Wand gespielt wurde niemand. „Geschlossene Emsembleleistung“ nennt man das.

Man konnte sogar mittendrin Bier kaufen! Also nicht wirklich mittendrin, sondern nur an den Stirnseiten im ersten Rang, und es war auch nicht direkt Bier, sondern die Plörre aus Freiberg, aber immerhin. Da kann sich das Regietheater noch ein Scheibchen abschneiden.

In der Pause gab es Kleinkunst, ein älterer Herr wurde vom diensthabenden Brüllaffen angeschrien, daß er den 90. Geburtstag gehabt habe. Dann wurde den Sponsoren gehuldigt und um Spenden für einen Ausflug des Nachwuchses nach Spanien gebettelt. Der Hauptsponsor aus der Mikroelektronik ließ sich zwar nicht lumpen und hatte schon einige Chips bereitgestellt, aber es reichte wohl noch nicht. Für die milde Gabe darf er übrigens beim nächsten Spiel eine Job-Börse in der Halle veranstalten, der Kampf um die Köpfe ist auch in Dresden im vollen Gange.

Entgegen einer normalen Dramaturgie wuchs die Spannung nicht im zweiten Akt, sondern es wurde vorgeführt, wie wichtig eine gute Abwehr gerade auswärts ist. Insofern entwickelte sich der Abend zum Lehrstück, wenn auch nicht ganz ohne klassische Heldenfiguren.

Ein Siegfried mit Oberlippenbärtchen und Dauerwelle z.B. eroberte erst heldenhaft den Ball vor der eigenen Burg, um diesen dann ohne erkennbaren Dolchstoß in seinen Rücken in Feindesland kampflos wieder herzugeben. Ein anderer, nennen wir ihn Ajax, marschierte vor den gegnerischen Rittern lange auf und ab, um dann unvermittelt den Rundkörper in die fremde Scheune zu werfen. Zwillinge, wie üblich in identischer Kleidung, konnten trotz Kleinwüchsigkeit allein mit dem Spiel ihrer Schalmeien die Herden dirigieren. Ein meist geduckt gehender Merlin verstand es, sein Gegenüber etwa siebzehnmal für kurze Zeit in ein Handballerdenkmal zu verwandeln und konnte so unbehelligt sein Geschäft verrichten. Der jugendliche Held schließlich kam wie bei Lukas Rietzschel von rechtsaußen, begann aber erst mit den Heldentaten, als der Vorhang sich schon senkte.

Das war alles nett anzuschauen, und auch das Gebrüll von der Seitenlinie wurde ergebnisgerecht gegen Ende leiser, flammte aber nach dem Schlussapplaus noch einmal auf, um die nächste Premiere (mit erwähnter Job-Börse) anzupreisen.

Großes Theater gab es dann als Zugabe: Da herzten sich die Männer auf der Bühne, daß es eine Freude war. Auf der einen Seite wurden Rundtänze aufgeführt, auf der anderen Seite immerhin den Technikern applaudiert, so wie es sich gehört. Und ganz ohne Unterscheidung der getragenen Farbe gab es freundliche Abschiedsklapse in langer Reihe.

Nur ein Co-Regisseur zeigte sich übellaunig, dabei hatte er es doch selber versäumt, sich und den Seinen eine Auszeit zu gönnen, als es noch geholfen hätte. Einen Darsteller karnevalsgerecht in ein albernes Tigerkostüm zu stecken und diesen dann das Publikum durch übergriffige Nähe belästigen zu lassen, war allerdings eher Schmierentheater, so viel sei kritisch zu dem insgesamt gelungenen Abend angemerkt.

Triumpf des Willens über die Vorstellung

Atlantis – die Welt als Wille und Vorstellung, ein Musik-Theaterabend von Sebastian Hartmann und PC Nackt
Uraufführung 27.01.2024 im Staatschauspiel Dresden, https://www.staatsschauspiel-dresden.de/spielplan/a-z/atlantis/

Der Enkeltrick bei der Rezeption von Regietheater besteht darin, die Unbegeisterten der geistigen Armut zu verdächtigen. „Das ist so gut, verstehst du das nicht? Fehlt dir vielleicht der intellektuelle Zugang?“ Und da das Bildungskleinbürgertum nichts mehr fürchtet, als aus dem erlauchten Kreise der geistigen Oberschicht ausgeschlossen zu sein, jubelt es, wenn Jubel angezeigt scheint. „Steht auf, wenn ihr Experten seid!“

So erklärt sich zumindest Teichelmauke® die Begeisterungsstürme, die heute abend durch das Dresdner Theater fegten. Am Inhalt kann es nicht gelegen haben, vielleicht an der Opulenz von Bild + Ton, aber ein gewisser Anteil an vorbeugendem „Auch-dafür-sein“ wird sich wohl dazwischen gemischt haben.

Wir lernen im Programmheft, daß Hartmann „keine Handlungsfolge und keine Figuren im Sinne eines traditionellen Dramas benötigt“, um seine „musikalisch strukturierte Form und eine plastische Installation im Bühnenraum“ stattfinden zu lassen. Die Trauben sind mir viel zu sauer, sagte der Fuchs, als er nicht rankam, und auf diese Weise lässt sich vieles rechtfertigen. Dennoch lege ich hier den Maßstab des Theaters an, auch wenn sich der Basti Hartmann längst in höheren Sphären wähnt.

Zum Bühnenbild lässt sich sagen, daß es jeder Walldorfschule als Klettergerüst dienen könnte, so frei von Ecken und Kanten wie es ist. Geklettert wurde allerdings nicht an diesem netten Stück Kunsthandwerk, aber es fuhr ein paarmal bedeutungsschwer rauf und runter.

Überhaupt war in jeder Sekunde viel Bedeutung zu spüren, oder zumindest der feste Wille dazu, sei es bei den dramatischen Gesten im Halbdunkel, beim seitwärtsschreitenden Chor, beim an die Ritter der Kokosnuss erinnernden Reiten ohne Pferd oder dem viermal wiederholten „la la la la“, nachlesbar im Libretto. Tatsächlich wird der im Programm abgedruckte Text so bezeichnet, was raffiniert ist, weil man ja um die häufige Sinnfreiheit in der Oper weiß. Die Veröffentlichung ist allerdings auch leichtsinnig, weil man den Stuss damit nachlesen kann und sich nicht der Mantel des Nicht-Verstehens oder Gleich-Wieder-Vergessens drüber breitet. Und so lässt sich manch literarische Kostbarkeit wie „der Kreis ist rund Augen voller Farben wie ein Hund im Feuer voller Narben“ für die relative Ewigkeit erhalten.

Im Kern geht es um eine Bebilderung und Vertonung des Schopenhauerschen Lehrsatzes „Die Welt ist meine Vorstellung“. „Ein Satz, den Jeder als wahr erkennen muss, sobald er ihn versteht“ (vergleiche Enkeltrick). Hartmann erweist sich auch diesmal als der Leni Riefenstahl des Theaters und setzt auf Masse, Volumen, Bilderfluten, Oratorien und meist heroische Musik (deren Schöpfer PC Nackt zwar erst in einem lächerlichen Auftritt mit einem unsichtbaren Heiligen Geist der Theatermusik die Szenerie betritt, sich danach aber als rahmengebender Virtuose zeigt) sowie bedeutungshuberndes Getänzel, was eine Verbindung zur reformatorischen Bewegung in Hellerau herstellen soll. Gut, kann man machen. Wo kein wirkliches Konzept ist, braucht es nicht viel mehr.

Zum Fremdschämen war punktuell durchaus Gelegenheit, aber das immer wieder durchscheinende „Seht her, ich kann hier machen, was ich will“ des Hartmann, der sich damit leider in Richtung des Namensvetters Waldemar bewegt, ist das eigentliche Ärgernis.

Ich nenne die Inszenierung eine großartige Kacke – mit der Betonung auf „artig“, denn so revolutionär im Konzept finde ich es nicht, auf wesentliche Stilmittel des Theaters wie Handlung und Figuren zu verzichten. Das ganze Brimborium mal abgezogen, war es dann doch recht langweilig.

Im Trilex mit Pegida

Ein später Montagnachmittag im November, Oberlausitz, Kleinstadtbahnhof. Schneereste auf dem Bahnsteig, hier hat es letzte Nacht erstmals geschneit in diesem Winter. Halbwegs idyllisch ist, wie die kalten Nebelschwaden im Laternenlicht nach oben steigen, aber mit ihnen kriecht die Kälte in mir hoch, und die fünf Minuten Verspätung des Zuges lassen ihr noch etwas mehr Zeit dafür.

Nach Dresden geht es zurück für mich, was noch eine Rolle spielen wird im weiteren Verlauf. Einstweilen bin ich froh, daß der Diesel-Triebwagen (höchstens Euro4-Norm, schätze ich) für mich auch als einzigen Zusteiger anhält und mich ins Warme aufnimmt.

Der Wagen ist erstaunlich gut gefüllt für Zeit und Richtung, denn die wochentäglichen Verkehrsströme sind ansonsten klar sortiert in dieser Gegend: Frühmorgens rein in den Ballungsraum, nachmittags wieder raus. So überrascht mich die kleine Reisegruppe, die fast drei Vierer-Abteile füllt, dann doch, denn Advent ist ja auch noch nicht und somit kein Striezelmarkt. Aber egal, ich hab zu arbeiten, die Stunde im Zug will genutzt sein.

Der Kegel-Club oder was auch immer ist recht lautstark, das haben Gruppen nun mal so an sich, doch an den ohrenbetäubenden Lärm eines angeschickerten Damenkränzchens aus dem Rheinland reichen die bei weitem nicht ran. Doch zum unfreiwilligen Mithören genügt es, und so erfahre ich, daß die Grünen jetzt gefordert hätten, die Räuchermännchen mit Feinstaubfiltern zu versehen. Gar nicht schlecht, der Witz, könnte von mir sein, aber es lacht keiner. Der nächste in der Runde gibt zum Besten, daß der Habeck gesagt habe, Benzin müsse so teuer sein, daß keiner mehr Auto fahren könne. Beifälliges Nicken, so sindse, die grünen Vaterlandsverderber.

Einer mit roter Nase sammelt Geld ein für eine Busfahrt am übernächsten Sonnabend, Vorkasse bitte, man wolle nicht auf den Kosten sitzen bleiben, wenn man den Bus bestellt. Das kann ich nachvollziehen, der Herr hat sicher einschlägige Erfahrungen.

Ein anderer witzelt, man brauche nun möglichst bald einen neuen Namen für die Sprechchöre, denn es müsse ja weitergehen. Der Spahn immerhin habe gefordert, abgelehnte Asylbewerber sofort abzuschieben (und käme damit wohl nicht in Frage).

Sprechchöre? Neuer Name? Abschieben? Die werden doch nicht …?

Doch, werden sie. Der lustige Haufen ist auf dem Weg zu Pegida, wie offensichtlich schon seit Jahren, gut organisiert, zur Gruppenfahrkarte stoßen unterwegs noch einige hinzu, mit einem Obolus von dreizwanzig werden sie Teil der Bewegung, das ist doch wirklich ein fairer Preis.

Männer über Sechzig sind es in der Mehrzahl, auch ein paar jüngere dabei und wenige Frauen, man kennt sich, der Ton ist freundschaftlich, auch wenn ein gewisser Gruppendruck zu spüren ist. Einer kann nicht am übernächsten Sonnnabend, sein Schwager schlachte ein Schwein auf dem Hof und da wäre jede Menge Arbeit … Der Busbesteller gibt sich zufrieden und ich finde, daß die Sau in diesem Falle nicht umsonst gestorben sein wird.

Neben Bier gibt es auch O-Saft, vertraut und unverfälscht quirlt der Dialekt aus ihnen raus, normalerweise höre ich den gern. Normale Leute auf den ersten Blick – ob die auch „Absaufen!“ gebrüllt haben im Sommer? Einigen traut man es zu, anderen eher nicht – bis sie den Mund aufmachen und vom nächsten Schurkenstück der Ausländer und Linksgrünen berichten. Es scheint eine Art Überbietungswettbewerb zu sein, auch wenn man alles schon mal gehört oder besser gelesen hat – doch aus dem Munde eines Empörten gewinnt es eine schauerliche Pseudo-Realität.

„Habt ihr das gelesen?“ Wer Pflegekraft wird, darf nicht mehr abgeschoben werden, auch wenn er einen abgestochen hat, das sei in Baden-Württemberg jetzt so beschlossen worden, und Bayern wolle nachziehen. Der alten Frau irgendwo im Norden wurde die Kehle durchgeschnitten und ihre Tochter massakriert, und wenn es ein Deutscher gewesen wäre, hätten es die Medien dazu geschrieben, also sei alles klar. Die Gewalt gehe von Links aus, vor allem die schwere, und das würde systematisch verschwiegen. Es gäbe zwar genug Gründe, die Antifa einzusperren, aber die würden als fünfte Kolonne des Staates gebraucht. Die AfD hingegen würde stigmatisiert, „Kauf nicht beim Juden!“ wird beschwörend zitiert, alle nicken wissend. Beeindruckend hingegen waren neulich die Jungs von den Identitären, 25 Mann, alle mit Flaggen.

Das alles wird fast im Plauderton vorgetragen, meist ohne Eifer, routinierter Hass. Fast fröhlich wird die Runde, als einer erzählt, Hentschke-Bau würde für die Demonstration am 1. Dezember in Berlin einen Firmenbus bereitstellen, „ihr wisst schon, der von Wir Sind Deutschland, der jetzt überall Reden hält“. (Gemeint sind die Kundgebung „Migrationspakt stoppen“ und Jörg Drews, Geschäftsführer und Haupteigner der renommierten Baufirma aus Bautzen, darf ich hier ergänzen.)

Das Bullshit-Bingo der rechten Legenden endet am Bahnhof Mitte, dort verlässt die Gruppe den Zug, um auf kurzem Wege zum Theaterplatz zu gelangen, inzwischen hat man Ortskenntnis. Eigentlich wollte ich am Bahnhof Neustadt aussteigen, wo wir Linksgrünversifften mehrheitlich wohnen, aber ich will noch die Gesichter sehen und bleibe sitzen. Diese sind ganz gewöhnlich, sehen weder besonders klug noch besonders dumm aus (vom Bus-Organisator mal abgesehen), man trägt mehrheitlich Bart und auch Zöpfe sind bei zwei Herren zu bewundern. Keine Glatzen sind zu erblicken, höchstens unfreiwillige und dann von Mützen bedeckt. Unspektakulär, vermeintlich ganz normale Leute – und trotzdem abgehängt, nicht materiell, aber geistig-moralisch.

Doch das hat die Oberlausitz nicht exklusiv, solche Regionen gibt es viele, in denen das Binnenklima für solche Gruppen günstig ist, nicht nur im Osten und bei weitem nicht nur in Deutschland. Viel Kluges ist von Berufeneren als mir schon über Ursachen und Umgang mit ihnen geschrieben worden, dem kann ich nichts Sinnvolles hinzufügen, nur eine im ersten Moment resigniert klingende Meinung: Man wird sich mit ihnen wohl abfinden müssen.

Was es aber leichter macht: Die sind nicht relevant, aufs Ganze gesehen. Zwar ist die mediale Reichweite (immer noch) deutlich größer als deren inzwischen rapide geschrumpfte Zahl, zwar gibt es Regionen, in denen die zumindest gefühlt die Meinungshoheit haben – aber solange der Rechtsstaat funktioniert, können und müssen wir das aushalten, so unappetitlich das im konkreten Fall auch sein mag. Auch das ist der Preis der Freiheit, um es pathetisch auszudrücken.

Und natürlich müssen wir auch aufpassen, daß die Akteure des Rechtsstaates ihren Aufgaben nachkommen und wenn nicht, dies Konsequenzen hat – Polizei und Justiz sind vermutlich stärker anfällig für den rechten Geist als andere Institutionen, da bin ich nicht blauäugig, aber ein Generalverdacht hilft auch nicht weiter.

 

Zurück zu meiner unfreiwilligen Begegnung:

Natürlich hab ich – außer einem betont unfreundlichen Blick zum Abschied, den aber wirklich nicht einer von denen erwidert hat, was mich kurzzeitig eine Art Restscham vermuten ließ, aber vielleicht haben sie mich auch gar nicht wahrgenommen – nicht versucht, mit ihnen zu diskutieren. Geschehen wäre mir sicher nichts, Gewalt üben die, denen ich begegnet bin, höchstens als Mitläufer aus, aber ich halte diese Leute schlicht für verloren und nicht bekehrbar. Wozu soll ich mir dann deren Märchen anhören?

Nur die Rückfahrt hätt ich nicht gemeinsam mit ihnen bestreiten mögen, hochgeschaukelt von Bachmanns Tiraden und ein paar Bier später. Doch zur Strafe – Allah ist groß und gerecht – gab es heute abend Schienenersatzverkehr Richtung Osten.

Noch eine Wende-Revue

„89/90“ nach dem Roman von Peter Richter, Regie Christina Rast, Uraufführung am Staatsschauspiel Dresden am 27. August 2016

Ich mag einem sehr geschätzten richtigen Kritiker, der einen Doppelbericht über die Dresdner und Leipziger Inszenierungen vorhat, nicht die Pointe verderben, deshalb hier meine Meinung nur unter dem Wahrnehmungsradar und in einem einzigen Satz:

Aus einem spannenden Buch wird nicht allein deshalb ein Theaterstück, weil man es auf die Bühne bringt, was im Prinzip auch nicht schlimm ist, solange es den Menschen gefällt, was ja hörbar der Fall war, zumal man mit den DÜSEn einen Local-Hero-Joker am Start hatte, sodaß eigentlich nichts schief gehen konnte, oder fast nichts, denn im ersten Teil wähnte man sich schlimmstenteils beim Schunkelcontest vom MDR, bestenteils allerdings auch in einem äußerst witzigen und temporeichen Wende-Musical mit geballter Ensemblekraft der acht Herren auf der Bühne (einschließlich der Musiker, die auch darstellerisch bella figura machten – nein, nicht wegen des freien Oberkörpers – ) und des einen Einsamen im Armee-Trainingsanzug im hintergründigen Ost-Idyll (eine schöne Idee, too much nur der überdimensionierte Honecker im Wohnzimmer) und im zweiten Teil in einer szenischen Lesung, was mir persönlich mehr zusagte, aber auch ein wenig längte, was der Begeisterung am Ende keinen Abbruch tat, zumindest nicht der der anderen, denn für mich blieb auch noch die überbordende Symbolik des Anfangs in Erinnerung, die albernen Politikerköpfe an Stangen und die holzschnittartigen Kurz-Charaktere des Lehrkörpers, wobei es insgesamt eben ein wenig zu viel von allem war, was sich dann auch in knapp drei Stunden nicht adäquat verspielen ließ (und gespielt wurde ja ohnehin selten, aus oben erwähnten Gründen).

Und mir sei ein zweiter Satz erlaubt: Natürlich wird das Stück reüssieren, das ist ja gar nicht die Frage, Turm reloaded mit verjüngtem Personal, aber vielleicht kommt das Ganze auch ein bißchen spät, um noch etwas Neues beizutragen zum Diskurse, was das nun eigentlich wirklich gewesen ist, die gern „friedliche Revolution“ genannten neun Monate des Umbruchs von der alten DDR hin zu den neuen Ländern.

Kein guter Mensch in Murnau

„Zur schönen Aussicht“ von Ödön von Horváth, Regie Susanne Lietzow, Premiere am Staatsschauspiel Dresden am 25. August 2016

Die drei Götter erscheinen hier als gefallenes Fräulein in Strassers verlottertem Hotel, wo die alte Dame von Stetten schon zu Besuch ist und die hier gestrandeten Knaben tanzen lässt. Am Ende erweisen sich weder der goldherzige Herr Direktor noch seine Komparsen als würdig, gerettet zu werden. Bei Brecht käme dann vielleicht die erlösende Lawine, bei Horváth fährt Christine einfach wieder ab. Das ist mit Sicherheit die größere Strafe für die Hinterbleibenden.

Nach der letzten leider unvollendeten Regiearbeit in Dresden (was man dem betreffenden Stück deutlich anmerkt) meldet sich Susanne Lietzow eindrucksvoll zurück. Die Inszenierung ist ein Augen- und Ohrenschmaus, verzichtet dankenswerterweise auf jede Zwangsaktualisierung (nein, das Wort Burka fällt nicht im Stück) und setzt Maßstäbe für diese ohnehin spannende Dresdner Saison. Bravo.

Im Ganzen:

http://www.kultura-extra.de/theater/spezial/premierenkritik_zurschoenenaussicht_staatsschauspielDD.php

 

Die beleidigte Eierschecke

Ein Kollege aus der Hauptstadt hatte mich auf einen Text im Blog von Maximilian Krah aufmerksam gemacht(https://maximiliankrah.wordpress.com/2016/03/12/wer-ist-hier-rechts/ ) und um meine Meinung „als Dresdner“ dazu gebeten. Da war ich dann doch gespannt, zumal ich vom Autor immer nur gehört, aber noch nie etwas gelesen hatte.

Aber schade, ich hatte mir dann doch deutlich mehr davon versprochen, da wird vieles wiederholt, was anderswo auch schon so oder ähnlich zu lesen war, davon aber auch nicht wahrer wird. Deswegen lohnt sich auch eine umfassende Textkritik nicht, zumal vieles Notwendige dazu schon in den kritischen Kommentaren darunter gesagt wird.

Der Mittelpunkt von Krahs Welt ist ganz eindeutig Dresden, das umgebende Europa ist noch als Absatzmarkt und Touristenquelle willkommen, aber alle anderen sollen sich gefälligst in ihren Ländern totbomben lassen bzw. ordnungsgemäß verhungern. Und wir dachten früher immer, die Wessies wären egoistisch … So etwas wie Empathie oder Humanismus kommt in den angeblichen Werten seines städtischen Bürgertums nicht vor. Zum Glück gibt es dann aber doch ein paar mehr Dresdner, die tatsächlich aus „Werten, Überzeugungen und Prinzipien … aus Bildung, Kultur und Tradition“ ihre Identität beziehen, als die dünne Schicht Hochgebildeter, die dem montäglichen Haufen frustrierter alter Männer und erlebnisorientierter Hooligans vom Lande ein intellektuelles Mäntelchen geben will.

Sein Verweis auf die Unterschiede Ost-West, die besonders in Dresden zu Tage träten, wirkt trotzig-weinerlich, da fühlt sich einer wohl nicht ernst genommen vom Rest der Welt (mit vollem Recht übrigens) und schlägt nun beleidigt um sich. Die Beschimpfung der westdeutschen Gesellschaft und deren „Funktionseliten“ ist schon peinlich genug, übertroffen wird sie aber noch durch die Lobpreisung der Tiefe und Breite des Diskurses in Dresden. Und was er über die „Zeit nach Schröder“ schreibt, ist so unendlich weit von der Realität entfernt, daß man ihm seinen „Dr.“ aberkennen müsste, wenn es nicht nur einer in Jura wäre. Immerhin, „die Kommunisten“ der DDR haben bei Herrn Krah ein positives Bild der deutschen Kulturgeschichte erzeugt, wie schön. Da wächst etwas postum zusammen, was in seinem ostdeutschen Mief tatsächlich zusammengehört.

Krah hat bei weitem nicht die rhetorischen Fähigkeiten von Kubitschek oder Elsässer, die ihre rechtsnationalen Thesen wenigstens noch halbwegs nachvollziehbar herleiten können. Mit seinem „Mirsinmir“-Dresden-Dünkel lässt sich das nicht annähernd wettmachen. Eine besondere Beachtung seiner Hervorbringungen lohnt sich für mich also fürderhin nicht. Er wird uns ohnehin wieder über den Weg laufen, auf irgendeiner AfD-Liste vermutlich, wo sich die schrägen Vögel und verkrachten politischen Existenzen derzeit auf der Jagd nach Mandaten und Posten sammeln. Aber bis dahin verschwende ich keine Zeit mehr auf ihn.

Ach so, die Eingangsfrage … „ich als Dresdner“ … : Mir ist dieses Pamphlet äußerst peinlich, auch wenn ich mit dem Verfasser nur den Wohnort gemein habe. Der Ruf von Dresden ist zwar ohnehin im Eimer, aber das jemand (der immerhin im Kreisvorstand der in Dresden stärksten Partei sitzt) dies wortreich bejubelt, hätte nicht auch noch sein müssen. Es geht eben immer noch ein bisschen schlimmer in unser äußerlich recht schönen Stadt.

Kapitulation, aus persönlichen Gründen

„Unterwerfung“ nach dem Roman von Michel Houellebecq, für die Bühne eingerichtet von Janine Ortiz, Regie Malte C. Lachmann, Premiere am Staatsschauspiel Dresden am 5. März 2016

Am Ende, auf der Treppe nach unten, fragte mich die Fernsehreporterin, ob ich mir das Szenario auch real vorstellen könne und ob das Stück in Dresden aufzuführen wohl etwas Besonderes sei. Nein, muss ich gestammelt haben, und nochmal nein, man solle die Situation in Dresden nicht auf die Montage reduzieren. Daß diese „Bewegung“ intellektuell auf einer gänzlich anderen Ebene spiele, konnte ich leider nicht mehr anbringen, das wäre zur Erläuterung aber doch notwendig gewesen. Die literarische und theatrale Auseinandersetzung mit einer möglichen Ausbreitung der islamischen Religion hat mit den Montagspöbeleien soviel zu tun wie … ach, was weiß ich. Jedenfalls nicht viel.

 

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So geht Sächsische Zeitung

Nichts ist so ärgerlich wie die Zeitung von gestern

Eigentlich geht der Spruch anders, aber angesichts des nachträglichen Durchblätterns der „Sächsischen Zeitung“ vom Freitag, dem 4. März 16 schien mir diese Form angebrachter.

Man ist ja einiges gewohnt vom Bezirksorgan, aber eine derartige Häufung von Fehlleistungen und Anbiederungen ist schon bemerkenswert: Kann man den Kurzbericht über den Antrag der Linksfraktion im Landtag zur Beendigung der eindeutige Assoziationen hervorrufenden Image-Kampagne „So geht sächsisch“ noch informativ nennen, auch weil CDU-Generalsekretär mit seiner ganzen argumentativen Kraft gegenhalten darf („die Idee war damals richtig und ist heute immer noch richtig“), nimmt man den Rest des Blattes mit einer Mischung aus Unbehagen, Belustigung und Mitleid zur Kenntnis.

Natürlich hängt auch die SZ ihr Mäntelchen in den Shitstorm gegen Minister Dulig, der schlicht neben der Würdigung der Leistungen der Polizei ein paar richtige Fragen gestellt hat. Da darf ihm jeder einschließlich des Kommentators, der ein „in-die-Hose-gehen“ bescheinigt, mal ans Bein pinkeln (um auf diesem sprachlichen Niveau zu bleiben). CDU-Fraktionschef Kupfer wünscht sich bei dieser Gelegenheit ein härteres Durchgreifen, ein anderer harter Mann aus der Fraktion stellt fest, daß Dulig als Minister gar nicht zuständig wäre (und demzufolge den Mund zu halten habe?). Auch die Gewerkschaften der Polizei kommen zu Wort, daß eine davon sich ihrer Empörung in der „Jungen Freiheit“ Luft machte, scheint der SZ nicht erwähnenswert. Passend dazu wird Dresdens neuer Polizeichef mit der Aussage umschwärmt, daß er sich „als Chef der schlagkräftigen Truppe (SEK) im Pflastersteinhagel der Neustadt“ bewährt habe und auf solche Erfahrungen nun wohl zurückgreifen müsse. Na dann, Visier runter und Knüppel frei, und Waidmanns Heil auf allen Wegen.

Im Artikel darüber wird dann die Inhaberin einer „Lockvogel-Agentur“ porträtiert, das Thema hatte die MoPo schon vor Wochen durchgekaut, aber Recycling ist ja etwas Gutes.

Ich gebe zu, ich bin ein wenig voreingenommen. Aber wenn mir auf der Titelseite ein in Dresden weltbekanntes Doppelkinn unter der vollen Pracht seines Haupthaares entgegenschmunzelt, auf Augenhöhe mit einem von mir geschätzten Autor, und sich aus dem Text ergibt, daß beide nun wechselweise eine Kolumne unter dem Titel „Besorgte Bürger“ schreiben werden, darf ich auf Verständnis hoffen für meine Übellaunigkeit. Zumal Patzelt sich in seinem Beitrag wiedermal als Allgemeinplatzwart der politischen Diskussion erweist und sich an den Begriffen „Gutmensch“ und „besorgter Bürger“ wunddefiniert, aber wenig Sachdienliches beizutragen hat. Mal sehen, was Michael Bittner (der seinen Mitkolumnisten laut SZ schätzen soll) am nächsten Freitag gegenhält, sonderlich hoch hängt die Latte ja nicht.

Die Laune wird auch nicht besser, wenn man die halbe Seite liest, die die SZ dem AfD-Stadtrats-Fraktionschef Vogel einräumt und es dabei fertigbringt, nicht eine einzige kritische (Nach-) Frage zu stellen. So darf Vogel ungerührt behaupten, daß in Dresden eine ungleiche Behandlung von Extremen herrsche (ja, der meint das tatsächlich andersrum) und daß er zwar keine Berührungsängste mit Pegida habe, Bachmann und Festerling aber nicht bewerten wolle, weil das ja keine Dresdner seien. Und einerseits erklärt sich der seltsame Vogel (nur) für Kommunales zuständig, fordert aber andererseits härtere Strafen für Drogendelikte. Daß er einen aus Niedersachsen stammenden Stadtpolitiker als „Beispiel von nicht gelungener Integration“ bezeichnen darf, entspricht vermutlich zumindest dem Humorniveau der SZ. Und in Monaco sei es sehr sauber, deswegen müsse auch die Neustadt videoüberwacht werden. Ah, ja.

Kulturell war die SZ – von Ausnahmen abgesehen – nie eine große Leuchte. Daß es ihr aber gelingt, im Vorbericht zur Premiere von „Unterwerfung“ den Autor Michel Houellebecq und die vertriebene Frau Steinbach in einem Atemzug zu nennen, macht schon fassungslos. Zumal die Beschreibungen wie geschmacklos oder hetzerisch für deren ekelhaften Twitter-Beitrag im Konjunktiv geschildert und auf eine Stufe mit den Vorwürfen gegen das im vorigen Jahr erschienene Buch gestellt werden. Auf so eine dämliche Idee muss man erstmal kommen. Zumindest das nötigt mir fast schon wieder Respekt ab.

Der Vorteil einer Zeitung gegenüber dem Radio ist es, daß man damit auch eine störende Fliege bei Bedarf erschlagen kann. Im Falle der Sächsischen Zeitung spricht vieles dafür, die Fliege in Kauf zu nehmen.

Darf man über Pegida lachen?

Ein Reiseföhrer der besonderen Art: „Pegidistan – Reisen im Land hinter der Mauer“

Hier die Details:

Rezension auf KULTURA-EXTRA