So geht Sächsische Zeitung


Nichts ist so ärgerlich wie die Zeitung von gestern

Eigentlich geht der Spruch anders, aber angesichts des nachträglichen Durchblätterns der „Sächsischen Zeitung“ vom Freitag, dem 4. März 16 schien mir diese Form angebrachter.

Man ist ja einiges gewohnt vom Bezirksorgan, aber eine derartige Häufung von Fehlleistungen und Anbiederungen ist schon bemerkenswert: Kann man den Kurzbericht über den Antrag der Linksfraktion im Landtag zur Beendigung der eindeutige Assoziationen hervorrufenden Image-Kampagne „So geht sächsisch“ noch informativ nennen, auch weil CDU-Generalsekretär mit seiner ganzen argumentativen Kraft gegenhalten darf („die Idee war damals richtig und ist heute immer noch richtig“), nimmt man den Rest des Blattes mit einer Mischung aus Unbehagen, Belustigung und Mitleid zur Kenntnis.

Natürlich hängt auch die SZ ihr Mäntelchen in den Shitstorm gegen Minister Dulig, der schlicht neben der Würdigung der Leistungen der Polizei ein paar richtige Fragen gestellt hat. Da darf ihm jeder einschließlich des Kommentators, der ein „in-die-Hose-gehen“ bescheinigt, mal ans Bein pinkeln (um auf diesem sprachlichen Niveau zu bleiben). CDU-Fraktionschef Kupfer wünscht sich bei dieser Gelegenheit ein härteres Durchgreifen, ein anderer harter Mann aus der Fraktion stellt fest, daß Dulig als Minister gar nicht zuständig wäre (und demzufolge den Mund zu halten habe?). Auch die Gewerkschaften der Polizei kommen zu Wort, daß eine davon sich ihrer Empörung in der „Jungen Freiheit“ Luft machte, scheint der SZ nicht erwähnenswert. Passend dazu wird Dresdens neuer Polizeichef mit der Aussage umschwärmt, daß er sich „als Chef der schlagkräftigen Truppe (SEK) im Pflastersteinhagel der Neustadt“ bewährt habe und auf solche Erfahrungen nun wohl zurückgreifen müsse. Na dann, Visier runter und Knüppel frei, und Waidmanns Heil auf allen Wegen.

Im Artikel darüber wird dann die Inhaberin einer „Lockvogel-Agentur“ porträtiert, das Thema hatte die MoPo schon vor Wochen durchgekaut, aber Recycling ist ja etwas Gutes.

Ich gebe zu, ich bin ein wenig voreingenommen. Aber wenn mir auf der Titelseite ein in Dresden weltbekanntes Doppelkinn unter der vollen Pracht seines Haupthaares entgegenschmunzelt, auf Augenhöhe mit einem von mir geschätzten Autor, und sich aus dem Text ergibt, daß beide nun wechselweise eine Kolumne unter dem Titel „Besorgte Bürger“ schreiben werden, darf ich auf Verständnis hoffen für meine Übellaunigkeit. Zumal Patzelt sich in seinem Beitrag wiedermal als Allgemeinplatzwart der politischen Diskussion erweist und sich an den Begriffen „Gutmensch“ und „besorgter Bürger“ wunddefiniert, aber wenig Sachdienliches beizutragen hat. Mal sehen, was Michael Bittner (der seinen Mitkolumnisten laut SZ schätzen soll) am nächsten Freitag gegenhält, sonderlich hoch hängt die Latte ja nicht.

Die Laune wird auch nicht besser, wenn man die halbe Seite liest, die die SZ dem AfD-Stadtrats-Fraktionschef Vogel einräumt und es dabei fertigbringt, nicht eine einzige kritische (Nach-) Frage zu stellen. So darf Vogel ungerührt behaupten, daß in Dresden eine ungleiche Behandlung von Extremen herrsche (ja, der meint das tatsächlich andersrum) und daß er zwar keine Berührungsängste mit Pegida habe, Bachmann und Festerling aber nicht bewerten wolle, weil das ja keine Dresdner seien. Und einerseits erklärt sich der seltsame Vogel (nur) für Kommunales zuständig, fordert aber andererseits härtere Strafen für Drogendelikte. Daß er einen aus Niedersachsen stammenden Stadtpolitiker als „Beispiel von nicht gelungener Integration“ bezeichnen darf, entspricht vermutlich zumindest dem Humorniveau der SZ. Und in Monaco sei es sehr sauber, deswegen müsse auch die Neustadt videoüberwacht werden. Ah, ja.

Kulturell war die SZ – von Ausnahmen abgesehen – nie eine große Leuchte. Daß es ihr aber gelingt, im Vorbericht zur Premiere von „Unterwerfung“ den Autor Michel Houellebecq und die vertriebene Frau Steinbach in einem Atemzug zu nennen, macht schon fassungslos. Zumal die Beschreibungen wie geschmacklos oder hetzerisch für deren ekelhaften Twitter-Beitrag im Konjunktiv geschildert und auf eine Stufe mit den Vorwürfen gegen das im vorigen Jahr erschienene Buch gestellt werden. Auf so eine dämliche Idee muss man erstmal kommen. Zumindest das nötigt mir fast schon wieder Respekt ab.

Der Vorteil einer Zeitung gegenüber dem Radio ist es, daß man damit auch eine störende Fliege bei Bedarf erschlagen kann. Im Falle der Sächsischen Zeitung spricht vieles dafür, die Fliege in Kauf zu nehmen.

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