Kategorie: Reisen

Und am Ende schuf Gott das Happy-End

„Hiob“ nach dem Roman von Joseph Roth in der Fassung von Koen Tachelet, Regie Nurkan Erpulat, Premiere am 18. Februar 2017 am Staatsschauspiel Dresden

Jahwe hat – wen wundert’s – jiddischen Humor. Ausgerechnet seinem treuesten Knecht Mendel Singer, der als Tora-Lehrer nun wirklich im Sinne des Herrn wirkt und sich auch sonst nichts zu Schulden kommen lässt im Glauben wie im Leben, gibt er in seinem Remake des Alten Testaments, das nunmehr im Galizien des beginnenden 20. Jahrhunderts und später in New York spielt, die Rolle des Hiob. Da kann man schon vom Glauben abfallen, wenn der eine Sohn zu den Kosaken geht, der andere rübermacht über den großen Teich, die Tochter eine Art Lily Marleen für Kosaken wird und dann das Nesthäkchen auch noch behindert ist, von der nörgligen Gemahlin ganz zu schweigen. Oder?

Wie es ausgeht, steht hier:

http://www.kultura-extra.de/theater/spezial/premierenkritik_hiob_staatsschauspielDD.php

 

Darf man über Pegida lachen?

Ein Reiseföhrer der besonderen Art: „Pegidistan – Reisen im Land hinter der Mauer“

Hier die Details:

Rezension auf KULTURA-EXTRA

Kleingießhübel – Eine Reiseempfehlung

Am Ende der Lindenstraße beginnt die Wildnis, wo das Krümelmonster haust und Glückspilze massakriert werden. Die Wildnis nennt man auch Kleingießhübel, Stadt der Friseure mit der Spezialisierung auf Pechsträhnen. …

„Wildnis“, ein Landschaftstheater mit Bewohnern der Sächsischen Schweiz
Kooperation der Gemeinde Reinhardtsdorf-Schöna, der Bürgerbühne des Staatsschauspiels Dresden und Theater ASPIK

http://www.livekritik.de/kultura-extra/theater/spezial/urauffuehrung_wildnis_staatsschauspieldresden.php

Den großen Spaß, dieses Spektakel anzuschauen, hat man leider nur noch am nächsten Wochenende: Am 13. und 14. September jeweils um 15 Uhr vor Ort in Reinhardtsdorf-Schöna, Sporthalle. Der Shuttle-Bus fährt jeweils 13.30 Uhr vom Staatsschauspiel Dresden.
Dies ist auf absehbare Zeit die letzte Gelegenheit, ein Landschaftstheater in dieser Gegend zu erleben. Es wird dringend zugeraten.

ICE mit Tunnelblick oder Der Alibizug

Warum täglich zwei ICE der Deutschen Bahn in Leipzig eine Stadtrundfahrt machen

Leipzig-Engelsdorf, fünf vor zwei am Nachmittag. Mein ICE von Dresden hat Leipzig Hbf fast erreicht, das wird ja heute deutlich früher als im Fahrplan steht? Auch mal schön.
Doch was ist das? Der Zug wird langsamer, biegt nach links ab. Der Güterbahnhof bleibt zurück, wir durchfahren frühlingshaft bunte Stadtviertel wie Anger-Crottendorf und Stötteritz, passieren das Völkerschlachtdenkmal und das imposante MDR-Gebäude. Eine Umleitung? Dann wird es dunkel.
Die S-Bahn-Station Bayerischer Bahnhof zieht vorüber, auch die am Markt, der Zug fährt jetzt sehr langsam, einmal kommt er auch zum Stehen, ehe er dann doch Leipzig Hbf erreicht, pünktlich um 14.08 Uhr, wenn auch 50 Meter tiefer als gewohnt.
Ein Versehen? Nein, das ist jetzt immer so. Leipzig Hbf (tief), wie der Bahnsteig unter der Erde offiziell heißt, bekommt täglich zwei ICE zu Gesicht, neben jenem nach Düsseldorf, in dem ich gerade sitze, auch einen nach Dresden.

Um das zu erklären, muss man mal wieder ein wenig weiter ausholen. Der City-Tunnel Leipzig, der im letzten Dezember feierlich in Betrieb gegangen ist und seitdem das Rückgrat des mitteldeutschen S-Bahn-Netzes bildet, hat eine lange Planungsgeschichte. Anfang der neunziger Jahre, als das Vorhaben dann konkreter wurde, war noch nicht entschieden, ob die geplante Neu- und Ausbaustrecke von Nürnberg nach Halle und Leipzig über Coburg und Erfurt geführt oder einen Weg weiter östlich nehmen würde, der sich eher an den vorhandenen Strecken orientiert hätte. Im zweiten Falle wäre ein Tunnel unter Leipzig, der fast genau von Süd nach Nord verläuft, sehr praktisch gewesen, um den alten Kopfbahnhof schneller zu durchfahren. Der Freistaat Sachsen hatte dies natürlich erkannt und dieses Argument neben den unbestreitbaren Vorteilen für den Nahverkehr taktisch geschickt in die Waagschale geworfen, als es an die Finanzierungsverhandlungen ging. Seitdem heißt der Tunnel eben „City-“ und nicht „S-Bahn-“, und der Bund stimmte zu, einen Teil der Kosten aus dem Topf für Fernverkehrsprojekte zu bezahlen.

Inzwischen ist die Lage eine andere: Die NBS Erfurt – Halle / Leipzig wird im nächsten Jahr in Betrieb gehen, die ABS/NBS Nürnberg – Erfurt folgt zwei Jahre später. Der Fernverkehr der DB zwischen Bayern und Berlin, der heute über den Frankenwald und durch das Saaletal fährt, hat künftig ein Drehkreuz in Erfurt, von einer Führung der Züge über Hof, Zwickau und Altenburg ist keine Rede mehr.
Was aber blieb, ist die Finanzierungsvereinbarung zum City-Tunnel Leipzig. Dort ist Fernverkehr erwähnt, und zumindest eine der Stationen, nämlich der Hbf, wurde ja auch mit entsprechend langen Bahnsteigen ausgestattet. Nur, welcher „weiße Zug“ sollte diese jetzt benutzen?

Man muss diese Finanzierungslogik nicht im Detail verstehen. Letztlich ist es alles Steuergeld, egal, ob es aus EU-Mitteln, vom Bund oder vom Freistaat Sachsen oder von der Stadt Leipzig kommt. Selbst die Gelder der DB AG, die auch zahlreich in das Projekt flossen, sind schlussendlich „Volksvermögen“, wie es früher einmal hieß, da die Deutsche Bahn ja weiterhin in Gänze dem Bund gehört. Welcher der Projektpartner wieviel und warum bei City-Tunnel bezahlt hat, gäbe eine eigene Geschichte her, für diese Erzählung reicht es zu wissen, dass mit dem nichtvorhandenen Fernverkehr im City-Tunnel ein veritables Problem bis hin nach Brüssel entstanden wäre.

Doch es fährt ja ein schneller Zug, sogar deren zwei, werden Bahn, Bund und Freistaat jetzt lächeln. Unstreitig tun sie das, der ICE 1745 um 11.50 Uhr nach Dresden und der ICE 1746 um 14.10 Uhr nach Düsseldorf, sogar der IC 1959 um 17.50 Uhr nach Dresden gibt sich noch die Ehre, es sind also strenggenommen sogar drei! Und am Wochenende gar noch einer obendrauf!
Und so kann auch die strengste Prüferin vom Rechnungshof nichts machen: Der Tunnel ist (auch) für den Fernverkehr gebaut, und es findet (auch) Fernverkehr statt. Alles in bester Ordnung, die sachgerechte Verwendung der Mittel kann testiert werden. Stempel drauf, zu den Akten.

Verkehrlich hat das große Kino, was die DB für Bund und Freistaat hier veranstaltet, jedoch keinen Sinn, es verwirrt eher die Reisenden. Man erwartet den ICE halt „oben“, und die zehn Minuten Fahrzeitverlängerung sind auch nicht wirklich schön.
Aber immerhin muss man zugeben, dass die Bahn das kleinste aller Übel wählte: Es wurde keinem Taktverkehr Gewalt angetan, sondern jenes ICE-Paar für den Alibiverkehr gewählt, das ohnehin „in freier Lage“ verkehrt. Dieses hat seine historischen Wurzeln übrigens in der früheren (InterRegio-) Mitte-Deutschland-Verbindung, die nach der Wende das Ruhrgebiet – damals noch über Gera und Chemnitz – mit Ostsachsen verknüpfte und heute rudimentär mit einigen ICE-Läufen weiterexistiert.
Der Wert umsteigefreier Verbindungen wird inzwischen auch bei der DB wieder anerkannt, zumal die Zielgruppe, also Menschen, die bequem reisen wollen, nicht ganz so zeitsensibel ist. Dies beschert jenen Direktverbindungen dann doch eine gewisse Renaissance und Bestandssicherheit.

Trotzdem ist der Schlenker durch die Leipziger Diaspora ein Ärgernis, nicht nur für die Reisenden. Es kostet schlicht auch mehr, länger und weiter zu fahren als es notwendig ist. Die Energie- und Personalkosten sind höher (auf einem Zug sind mindestens vier Leute am Arbeiten, drei Züge sorgen somit für geschätzt 300 Euro mehr am Tag), was sich im Jahr einschließlich Strom dann sicher schon auf gut 50.000 Euro hochrechnet. Ganz umsonst ist der Spaß also auch für die Bahn nicht.

Dass die DB es dennoch tut, hängt mit den vielfältigen und komplexen Verknüpfungen mit der politischen Landschaft zusammen, die diesem großen Konzern zu Eigen sind. Man muss das nicht grundsätzlich verdammen, als Bürger erwarte ich auch, dass die Politik Einfluss nimmt auf einen Bereich, der täglich die Mobilität von Millionen Menschen sichert, auch außerhalb der direkten Vertragsbeziehungen wie im Nahverkehr. Eine gewisse Transparenz sollte man dabei aber schon erwarten dürfen.

Der ICE im Leipziger S-Bahn-Tunnel hat also Gründe, ob gute, muss jede*r anhand der Fakten für sich entscheiden.
Die Eisenbahn, wie jeder weiß, besteht aus Wagen, Lok und Gleis, nur manchmal ist es eben doch ein wenig komplizierter.

Der Transport von Mensch und Vieh

… unterscheidet sich meist in vielen Dingen. Dass dem nicht immer so sein muss, beweist die Deutsche Bahn aktuell östlich von Dresden.

Sonntag nachmittag (11. August im Jahre 19 nach der Bahnreform), halb Drei, im idyllisch gelegenen Heide-Anrainerdorf Langebrück.
Sechs Wandersleut in den besten Jahren warten an der improvisierten Haltestelle des „Schienenersatzverkehrs“ (SEV), sie wollen nach Dresden. Klar, gebaut werden muss. Und wenn wenigstens eine von den hunderten maroden Brücken bundesweit mal erneuert wird, ist das im Prinzip zu begrüßen. Da muss man eben mal Bus fahren. Dauert ja auch nur zwölf Tage, und ein lustiger Maulwurf ist auch auf dem Plakat.
Und siehe, recht pünktlich kommt auch der Ersatzverkehr.

Doch was ist das? Der Bus, ohnehin nicht der größte mit seinen etwa vierzig Sitz- und 65 Stehplätzen, ist voll. Das heißt, richtig voll ist er eigentlich nicht, mit gutem Willen wäre auch trotz der fünf Fahrräder und zehn Großrucksäcke noch Platz. Aber freiwillig rückt hier drin keiner.
OK, ein Bus hat einen Fahrer, und der Zug- bzw. heute mal Busbegleiter der Deutschen Bahn ist ja auch dabei. Die werden das schon richten.

Denkste. Tür auf, Tür zu. Tür auf, Tür zu. Dazwischen noch ein bedauernder Satz des sicher früher mal Reichsbahn-Obersekretärs, man könne da gar nichts machen und es käme ja bald der nächste Bus. Abfahrt.
Wie bitte? Im Bus ist gut und gerne noch für zehn Menschen Platz, und eine verbleibende Fahrzeit von 10 min bis Dresden-Klotzsche scheint nicht unzumutbar im gedrängten Stehen. Doch der Schaffner schaut desinteressiert, und auch der Busfahrer stiert nur geradeaus aus seiner mit ihm schon gut gefüllten Fahrerkabine. Zu dumm, zu faul oder zu feige, ihren Job zu machen? Vielleicht auch alles davon.
Mir kann es ja egal sein, ich sitz schon drin, in Radeberg dauerte es zwar eine Weile, ehe sich die Reisenden selbst einsortiert hatten, aber immerhin, alle kamen mit. Und die Zeiten, wo ich mich selber reinhängte, im Interesse des „Systems“, sind vorbei. Man wird zynisch mit den Jahren.

Ankunft Dresden-Klotzsche. Schaffner raus, Kippe an. Ein Mensch von DB Sicherheit hält sich für Bond, James Bond, wenn man seiner Sonnenbrille bei verhangenem Himmel glauben darf, und hindert die Ankömmlinge am Erklimmen des bereitstehenden Triebwagens. Doch der Lokführer sperrt schließlich auf. Wenigstens ein Gerechter unter den DB-Völkern. Nur weg hier.

Auch am Tag zuvor, in der Gegenrichtung, dasselbe Spiel. Ein einziger, kurzer Bus für gut hundert Leute mit großem Gepäck. Aber hier hatte die Schaffnersche wenigstens noch Humor und sorgte dafür, dass alle mitkamen.

Ist es eigentlich zuviel verlangt, dass die Verantwortlichen bei der Deutschen Bahn einfach mal ihren Job machen? Zu überlegen, wann man welche und wie viele Busse man braucht, auch daran zu denken, dass am Wochenende gern mal mit Fahrrad zuggefahren wird und das Personal mal ein bisschen in Kundenfreundlichkeit und Verantwortungsbewusstsein zu schulen?
Seitdem der Zug für die DB in Ostsachsen verkehrsvertraglich endgültig abgefahren ist, hat man den Eindruck, hier soll noch nachträglich die Begründung dafür geliefert werden.

Mir gehen langsam die Argumente aus, wenn ich im Freundeskreis für das Bahnfahren werben will.

Hiddenseeer Elegien, Teil 7: Von Zukunftsplänen, Nutten und geräumten Zügen

Man steht sich wie gehabt am Sonnabend bis mittag von Rügen runter und ab mittag auf Rügen rauf, wenn man nur vier Gummiräder zur Verfügung hat. Da kann die neue Rügenbrücke noch so schön sein (hat eigentlich jemals einer der Dresdner Brückenentscheider hier Urlaub gemacht?, sie verlagert das Thema nur und löst es nicht. Wie auch. Wer keine Rügenautobahn bis Klein Zicker will, muss sich damit abfinden, dass es gelegentlich mal eng ist auf den Alleestraßen.

Die Differenzgeschwindigkeit Straße – Bahn beträgt im Moment minus 80 km pro h, ein hübsches Gefühl. Meine Wette ging übrigens unentschieden aus: Zwar kam ein bunter Train mit einer nicht wendezugfähigen 110 in Bergen mit plus 15 um die Ecke, aber der erhoffte Speisewagen aus Böhmen war dran und zwei fehlende Wagen 2. Klasse wurden durch einen recht neuen Großraumwagen ersetzt, der von 1. auf 2. umgelabelt wurde. Und da ein netter Mensch seinen reservierten Sitzplatz von Binz nach Berlin nicht antrat (oder nicht fand), kam ich auch bequem zu sitzen.
Also diesmal kein Genörgel, nur der Hinweis, dass die Farfalle sowohl mit als auch ohne Fauna „beim Tschechen“ sehr empfehlenswert sind.

Was blieb denn offen?

Zuerst einmal ein Thema, das sicher vielen am Herzen liegt: Was darf der Mensch am Hundestrand?
(Zur Erklärung für Nicht-Bader: Gehobene Seebadkultur zeichnet sich durch eine Dreiteilung des Strandes aus, Textil-, FKK- und Hundestrand.)
Während das schöne Wort Freikörperkultur jedem geläufig ist im deutschen Sprachraum (wird das eigentlich übersetzt oder ist das wie mit Kindergarten und Blitzkrieg?) und Textil sehr eindeutig ist, bedarf der Begriff „Hundestrand“ einer Hinterfragung. Wer darf da was? Menschen nur in Begleitung von Hunden? Und nackig oder blößenbedeckt? Und die Hunde? Es besteht Klärungsbedarf.
Ich bezweifele übrigens nicht, dass das in den diversen Ordnungen der Seebäder akribisch geregelt ist, nur weiß es keiner. Es wird also schlecht kommuniziert.

Noch so was: Was macht eigentlich die Küstenwache? Eine Feuerwache greift ein, wenn es brennt, die Rettungswache kommt, wenn es was zu retten gibt … aber Küste ist doch immer? Haben die Kollegen also Dauerstress und werden mit 40 pensioniert oder sind die so abgebrüht, dass sie auch fremde Küsten nicht erschrecken können?

Man kommt auf die putzigsten Gedanken, wenn man so am Meer rumlungert, u.a. auf den beliebten Systemvergleich anhand maritimer Filmkunstwerke. Im Osten fällt mir sofort „Zur See“ ein, jener Straßenfeger mit Horst Drinda am Ruder. „Das Traumschiff“ muss ich leider disqualifizieren, obgleich das schöne Vergleiche böte, hab ich nie gesehen, und wenn, würd ich es nicht zugeben. Also „Das Boot“, weder ein Mehrteiler noch in der Handels- bzw. Touristikflotte angesiedelt, aber halt das Einzige, was mir noch einfällt. Zwar ging der Kahn sehr unrühmlich unter, aber so effektvoll, dass man die Szene auch heute noch in Erinnerung hat. Doch nur DDR-Fernseh-Spezialisten erinnern sich des Sonnenblicks des Kapitäns zum Serienbeginn. Hier ist wohl einer der Schlüssel zu suchen, weshalb Hamburg heute nicht Ernst-Thälmann-Stadt heißt. Prochnow vs. Drinda, Grönemeyer vs. Schubert, ein leider ungleiches Duell.

[Übrigens, völlig offtopic: An einer Synopse der „Schwarzwaldklinik“ und des tschechoslowakischen „Krankenhauses am Rande der Stadt“ hätte ich großes Interesse, liebe Kunsthistorikerinnen.)

Bei der ganzen Denkerei hab ich übrigens ich völlig verpasst, wie der royale Wurf nun heißen wird. Liam, nach dem Vater? Barack, wegen der unverbrüchlichen Freundschaft? Oder Second-Service, wie wir beim Tennis sagen? Eigentlich isses auch egal.

Gelernt hab natürlich auch Einiges im Urlaub:
Man darf auf facebook ein dickes Kind nicht „dickes Kind“ nennen.
Man kann aber sein bellendes Meerschweinchen ruhig „Scarlett“ taufen, sicher auch auf facebook.
Die genaue Uhrzeit lässt sich auch mit „Juli oder August“ angeben (gilt nur auf Hiddensee).
Man wird trotz Erfahrungen nicht schlauer beim Sonnenstrahlenkonsum (gilt nur für mich und wusste ich auch schon).

Berlin naht, bzw. Berlin bleibt wo es ist („und das ist auch gut so“) und der Zug nähert sich der Dönermetropole. Ich tauche in den heimischen Nachrichtenkosmos. Na gut, was man so heimisch nennt, sagen wir mal „das Bundesland, in dem ich polizeilich gemeldet bin“.
Da sind interessante Dinge zu erfahren: Die Sportstadt Riesa – man weiß ja nicht erst seit Loddamaddäus vom Zusammenhang zwischen übermäßigem Sport und IQ – macht sich um die Integration bekannter Neonazis in die städtischen Entscheidungsstrukturen verdient. Uli Hoeneß hat einen Richter gefunden. Castorf wäre in Bayreuth fast gelyncht worden und ist damit automatisch in den erblichen Adelsstand erhoben. Die Sächsische Zeitung hat einen Krisenstab gebildet und beobachtet intensiv das Verkehrsgeschehen in der Dresdner Neustadt sowie Haustierschicksale in ganz Dresden. Bei der Albertbrücke geht es nicht um Fakten, sondern um Glauben und Politik.
Ich wage, den letzten Punkt zu verallgemeinern.

Wie nun weiter? Falle ich in ein tiefes Nachurlaubsloch und muss psychologisch betreut werden? Ach Schmarrn. Nach dem Urlaub ist vor dem Urlaub.
Und heute abend spielt ZAZ in der Garde. Bestimmt ausverkauft, mais je veux.

Aber eine Grundsatzentscheidung wurde urlaubsbedingt durch mich getroffen: Eigentlich hatte ich beschlossen, bis zu meinem 50. Geburtstag scheiße reich zu werden und dann irgendwas mit Koks und Nutten zu machen.
Aber nun hab ich einen anderen Plan: Ich kaufe alles nördlich von Vitte, habe selbstverständlich nicht die Absicht, eine Mauer zu errichten, sondern einen hohen Zaun, heuere die schärfsten Türsteherbullen von Großberlin an und mach es mir in Kloster gemütlich („in“, nicht „im“!). Als Rio der Erste, Sissi die Zweite, Hauptmann der Dritte oder einfach Teichelmauke.

Und das mit den koksenden Nutten geht ja dann immer noch.

PS: Es wird dann doch nochmal spannend.
„Leider fehlt heute der Wagen 256, in den Wagen 259, 258 und 257 ist die Klimaanlage ausgefallen. Aus Kulanzregelung bieten wir Ihnen an, mit dem EC 197 (zwei Stunden später, der Autor) zu fahren. Aus Überbesetzungsgründen können wir sonst nicht weiterfahren.“ Berlin Hbf tief macht seinem Beinamen alle Ehre. Seltsamerweise kann ich die Überbesetzung hier nirgendwo entdecken, mein leidlich gekühlter Wagen 260 ist zu einem Drittel gefüllt und Erstklass- und Speisewagen sind auch intakt.
Fünf Minuten später über Lautsprecher die Räumungsdrohung, schon mit etwas zitternder Stimme. Dann ein Friedensangebot, den ICE nach Leipzig an Bahnsteig gegenüber zu nutzen und dort nach Dresden umzusteigen. Offenbar weigern sich die Insassen der überhitzten drei Wagen tapfer, den Zug zu verlassen. Wer weiß ob das nicht das letzte Boot aus Berlin raus ist?
DB Psychologie tagt dann vermutlich und erkennt, dass man die Menschen aus fünf fast vollen Waggons unmöglich in zweien unterbringen kann. Also versucht man so viele wie möglich erstmal aus dem Zug rauszulocken und in den Alternativzug zu stopfen.
„Letzte Möglichkeit nach Dresden jetzt gegenüber! Der Zug fährt nicht weiter …!“ Die Stimme klingt schon hysterisch. Viele lassen sich becircen, auch weil die Bundespolizei inzwischen aufmarschiert.

Dann nochmal in sachlich: „Wir können die drei Wagen nicht mit Reisenden besetzen, bitte räumen sie diese. Die Bundespolizei wird jetzt durch den Zug kommen.“ Nebenan fährt der ICE nach Leipzig aus. Jetzt geht es ins Finale.
Offenbar sind noch so viele Verweigerer im Zug, dass man sich nicht traut, auf den immer leerer werdenden Wagen 260 (auch hier lassen sich viele verunsichern und steigen aus) zu verweisen. Ich kann das von hier aus nicht sehen. Oder hat man schlicht den Überblick verloren?

15.05 Uhr, ein Häuflein von vielleicht achtzig Mut- und Wutbürgern mit viel Gepäck steht jetzt noch auf dem Bahnsteig. Dann bricht endlich der Damm oder er wird bahnamtlich gebrochen, die beiden intakten Wagen füllen sich. Um 15.27 Uhr verlässt unser Zug (mit drei leeren Wagen an der Spitze und zwei normal besetzten dahinter nebst einem Speisewagen) den tiefen Hauptbahnhof. Was ist eine Dreiviertelstunde in einem langen Leben? Und was soll jetzt noch passieren bis Dresden?

PPS: Man soll sich darüber nicht zu sehr lustig machen. Es ist kein Spaß, über die Hälfte eines vollbesetzten Zuges räumen zu müssen, zumal bei dieser Hitze und bei einem hohen Anteil nicht deutschsprachiger Reisender. Ich hab das schon deutlich schlimmer erlebt, dass es auch professioneller geht, ist keine Frage.
Aber es zeigt sich auch, dass der Umgang mit Menschen (-Gruppen) gar nicht oft genug geübt werden kann, wenn man das beruflich betreibt. Und – aber so ist das ja immer im Leben – eine Kombination von Gelassenheit, Logik und Freundlichkeit bewährt sich in jeder Situation.

Hiddenseeer Elegien, Teil 6-einhalb: Vom Meer, zum Fluss

„Dat du min levsten büst“ … die Heimorgel von DB Regio kündigt Bergen auf Rügen an. Ganz nett, wenn man das nicht jeden Tag ertragen muss.
Rückfahrt. Fast schon erschütternd freundlich hat die Schaffnersche mir einen Fahrschein nach Dresden verkauft. Halb elf Uhr morgens, es hat schon siebenundzwanzig Grad. Im Schatten, klar. Ich schließe Wetten mit mir ab, wie die Zugkomposition des zu erklimmenden EC nach Brno diesmal drauf sein wird und hoffe, dass ich verliere.

Es hat sich einiges angesammelt am letzten Tage, dass einer schriftlichen Aufarbeitung bedarf. Aber das ist nicht der Ort dafür. Ein gekühltes Plätzchen mit Tisch, in der Nähe des Speisewagens … Träum weiter.

Exakt vor einer Woche minus einer Stunde erklomm ich die Fähre nach Hiddensee, der Kreis wird sich in Kürze also schließen. Selten hatte ich einen solch entspannten und zugleich eindrucksvollen Urlaub, nicht mal eine halbe Tagesreise von den heimischen Gefilden entfernt.

Nicht nur eigentlich war es hübsch im Norden. Auch, weil ich genug Grund fand, mich über irgendwas aufzuregen. Das ist gut für den Blutdruck und gegen Verkalkung. Und überhaupt: In dreißig Jahren sehe ich mich vor der Seniorenresidenz sitzen und allen mit dem Krückstock drohen. Das ist meine Bestimmung.

Und nochmal eigentlich sollten es ja sieben Teile der Elegien werden. Der Plan wäre – mit den noch zu verzapfenden Aufarbeitungen – also übererfüllt, doch will ich nicht die Normen brechen. Also nochmal ein Einschub.

Ich verlasse somit das Meer und begebe mich zum Fluss. Panta rhei.

Hiddenseeer Elegien, Teil 6: Von nicht mehr

Abschied auf Raten. Nein, nicht von Rathen, von Hiddensee. Bzw. von Hiddensee ganz, von der Ostsee wie geschrieben auf Rathen. Nein, auf Raten, in Saßnitz, auf Rügen.

Wie ich dahin kam? Sag ich nicht. Wer es wissen will, soll doch bei der NSA anrufen. Von mir erfährt man nichts.

Jedenfalls bin ich jetzt, Freitag morgen um neun Uhr in den Saßnitzer Banlieus, nachdem ich gestern noch einen scheidenden Kontrollgang nach Grieben durchführte, alles wohl befand, mich auf eine Seefahrt (weder lustig noch traurig) mit den Walroßbärten und –bäuchen der Reederei Hiddensee begab, überlegte, wie „Mann über Bord“ wohl gendergerecht heißen möge, glücklich auf einer Insel anlangte, die man im Vergleich zur verlassenen fast schon Festland nennen könnte, eine Nostalgietour durch Südostrügen absolvierte, den Südpol erreichte, ein wunderbares Meerbad (gar nicht kalt und brett-eben, das Gewässer) nahm, der Baaber „Aalkate“ meine Aufwartung machte, eine wirklich feine Brücke im Saßnitzer Hafen bewunderte, beim Städtchen Abbitte leistete ob meiner herabsetzenden Äußerungen zur innerörtlichen Schönheit (aber das „Rügen-Hotel“ gehört wirklich gesprengt) und dann ziemlich todmüde ins Bette plumpste. Mehr war eigentlich nicht.

Und meine kruden Gedanken von unterwegs muss ich erst nochmal sortieren.
Deswegen: Schalten Sie auch morgen wieder ein!

Hiddenseeer Elegien, Teil 5: Vom Kotzenmüssen und -wollen

Ich leide heute unter meinen Kochversuchen. Dabei konnte man da nicht viel falsch machen, eigentlich: Zwiebeln, Rindswurst, Tomaten, Gewürze, und das braten. Aber dazu das Öl von den in der letzten Nacht verschlungenen Trockentomaten zu verwenden, war suboptimal. Nun plagt mich ein Schluckauf, und übel ist mir auch. Heute abend bleibt die Küche kalt.

Bei der Sichtung der digitalen Nachrichten zum sogenannten Frühstück stelle ich fest, dass Franziskus bald den Ehrennamen „van Almsick“ verliehen bekommen dürfte, so hemmungslos populär wie der grad tut. Muss ich jetzt auf ein liebgewonnenes Feindbild verzichten? Aber ich vertraue auf den Kirchenapparat, so „heiß“ (höhö!) wie das jetzt gesprochen wird, wird das in der nächsten Bulle nicht sein. Der Schweinkram unter Männern wird den hochamtlichen Segen nicht erhalten, eher kommt ein Päderast in den Himmel.
(Irre ich mich, oder ist die Kirche bei den Praktiken, die auf einer kleinen griechischen Insel perfektioniert wurden, duldsamer? Na gut, die Frau spielt im Christentum eh nicht so eine große Rolle, wenn sie nicht als Muttergottes daherkommt, hat also ihre Nische sicher.)

Heide graut’s mir mal beim Ausflug. Ja, Schenkelklopfer, Heidekraut. So weit das Auge reicht.
„Es war die Eule, nicht der Kuckuck!“ Auch das ist geklaut, zum einen bei Shakespeare, zum anderen bei Sasha Krieger, der so ähnlich eine seiner lesenswerten Rezensionen überschrieb. Erneut „Na und?“. Eigentum ist Diebstahl, geistiges sowieso, wenn es nicht gerade um meines geht.
Was ich damit beschreiben wollte, war auch nur die Eule am Eingang zum Naturschutzgebiet. Der Witz überrascht durch seine geringe Fallhöhe.

„Vorsicht Kreuzottern!“, ein Schild mit dieser Botschaft ziert ein Grundstück, das ich passiere. Der Besitzer muss Psychologe sein und/oder in der Werbebranche arbeiten. Die Aussage und Wirkung ist dieselbe wie bei „Betreten verboten!“, aber es klingt ungleich freundlicher.

Es geht ein Wind, ein heftiger, und der macht mächtig Wellen. Aber das Wasser ist deutlich wärmer als am Wochenende, oder ich bin inzwischen männlicher geworden. Ein Vergnügen, die Heldenbrust den rauen Naturgewalten darzubieten und von jenen ordentlich auf die Fresse zu bekommen. Ich kann nicht genug kriegen.

Apropos Masochismus: Später am Tage ziehe ich mir in einer schwachen Stunde das MDR-Fernsehen rein. Manchmal muss ich das haben. Es ist so bräsig wie eh und je, am Leipziger Flughafen werden Autos gestohlen, oje-oje-ojemine, der rüstige Rentner vermisst seinen Geländewagen. Mögen doch wieder mehr Reissäcke umfallen in China.
Es wird auch halb acht nicht besser, Tendenzfernsehen. Die Anhalter Regierung setzt jetzt voll auf Transparenz, wer für die IGB arbeitet, darf nicht mehr an von jener begünstigten Firmen beteiligt sein oder muss dies zumindest angeben vorher. Und vielleicht auch was abgeben … Haben die nie was von Compliance gehört? Sagenhaft.
Der erste fernsehjournalistische Grundsatz (ohne Krawatte = Sport) gilt immer noch, und der Selbstverteidigungsminister sieht aus wie ein trauriger Dackel. Den Spitznamen „Die Misere“ kann er jetzt getrost von seinem glücklosen Verwandten übernehmen.

Aber zurück ans Wasser. Ein Tiefflieger passiert den Strand und macht uns deutlich, dass welche aufpassen, auf Friedenswacht sind, während wir Zivilisten feige Urlaub machen. Erwähnte ich schon, dass auch ich Soldaten für Mörder halte? Zumindest für potentielle?

Noch was unter Männern: Freunde, wenn ihr ein T-Shirt am Strand tragt, ist das ok. Auch gegen einen Rucksack ist nichts einzuwenden beim Flanieren. Aber bitte, dann verpackt euer Gemächt. Es gibt kaum etwas Peinlicheres als einen Mann unten ohne, mit freier Hängung in der Öffentlichkeit. Ich weiß, das ist ein freies Land, aber es gibt auch Grenzen.
Bei Damen würde ich den Einzelfall prüfen wollen, aber die kommen eh nicht auf solche kruden Ideen.

Nicht nur ich werde darob zornig, auch der diensthabende Wettergott. Und nun wird es richtig beeindruckend. Erst dunkel, dann finster, dann Schluss mit lustig. Die weichen Eier um mich herum flüchten in Scharen, obwohl das Wasser im Prinzip dasselbe ist, was nun von oben statt von unten kommt.
Auch ich trete den Rückzug an, jedoch geordnet und in Würde, was mir einige schöne Fotografien beschert, aber auch ein klatschnasses Hemdchen. (Ja, ich hatte eine Badehose an.) Eine halbe Stunde später lächelt der Himmel unschuldig, als wär nichts gewesen.

Auf meiner in alle Richtungen offenen Abneigungsskala nehme ich anlässlich meines Hafenbesuchs dann eine weitere Spezies auf: Die In-Einem-Fisch-Imbiss Curry-Wurst-Fresser. Hier kann man mit hoher Sicherheit von einer fortgeschrittenen Verblödung ausgehen.
Der von mir georderte Rotbarsch schmeckt aber auch nicht, obwohl ich parteipolitisch großzügig bin.

Dann besagte schwache Stunde, ich musste putzen und auf Figaro kam Wagner live. Aber ohne Bild fetzt das nicht, es kam also zu meiner Begegnung mit dem MDR-Fernsehen.

Mein letzter Abend auf der Insel, Godewind zieht, u.a. mit dem W-LAN. Aber auch das Bier ist gut, vor allem wenn man weiß, dass das „Hiddenseer“ in der Oberlausitz gebraut wird. Noch ein weiterer väterlicher Rat sei mir gestattet: Auf einer im Prinzip autofreien Insel wirkt es etwas komisch, wenn man den Porsche-Schlüssel effektvoll auf den Kneipentisch knallen lässt. Sogar sehr blonde Damen verstehen dies als Imponiergehabe. Wobei, vielleicht schlägt es ja trotzdem an, keine Ahnung, ich hab kein Auto. Nicht mal einen Porsche.

Apropos reich und schön: So oft, wie ich auf meinen diversen Kanälen in den letzten Tagen „Meine Insel“ lesen konnte, scheine ich einem vielfachen Immobilienbetrug allergrößten Ausmaßes auf der Spur zu sein. Ich beantrage Akteneinsicht beim Grundbuchamt! Und gründe eine Selbsthilfegruppe! Denn viele jener, die sich als Inselbesitzer wähnen, dürften dort nicht mal im Kleingedruckten vorkommen.
Oder ist Hiddensee immer noch Volkseigentum? Das letzte seiner Art? Ich dachte eigentlich, dass Fräulein R. aus der Seminargruppe nebenan damals das letzte gewesen wäre … Aber ich irre mich auch gelegentlich.

Hiddenseeer Elegien, Teil 4: Von Höhenmetern und von Nichts

„Rrrrromantik!!!“ brüllt im Geiste Sven Regener neben mir und schwenkt seine Trompete. Ich stehe auf dem Hochuferweg, ein kleiner Austritt, 50 Meter unter mir das Meer, das ordnungsgemäß tost. Ich will Meer, immer Meer!

Heute bin ich ein Wandersmann. Zwar wollte ich meinem Vorsatz, kein Fahrrad auszuleihen, am Vormittag untreu werden, weil mich mein Geschwätz vom Vortag prinzipiell niemals nicht kümmert und der Bessin bei der glühenden Sonne doch etwas weit erschien, aber: Ausgebucht! Zumindest beim ersten Verleiher, und beim zweiten war der Hof auch leer. Da war ich dann beleidigt und nahm eine Zielanpassung vor: Dornbusch, ein schöner Wald oberhalb der Steilküste.

Zum Frühstück gab es Omelett. Ich bin bass erstaunt ob meiner Fähigkeiten und meines küchentechnischen Elans. Und Castorf gab es auch, auf nachtkritik.de, er lässt ja grad den Ring wandern in Bayreuth. Und dies sehr gut, wie zu lesen ist. Das würde ich mir gerne ansehen, also falls jemand eine Karte übrig hat … Ich nehm auch Loge.

Noch zwei wichtige Nachträge zum gastronomischen Vorabend:

In der Hotelkneipe, in der ich bislang allabendlich verkehrte („Godewind“, das kann gern mal geschrieben werden), gab es noch etwas, dass sich treffend nur mit „Oh alter Knaben Peinlichkeit“ umschreiben lässt. Vier ältere Herren machten auf Großsegler und Mädchenverderber, aber das durchweg hübsche und kompetente weibliche Personal um die Zwanzig ließ sie allesamt freundlich abtropfen, ob die Mädels nun aus Pommern oder der Slowakei kamen. Ganz großes Kino.

Und noch was, auf einmal hoben zwei Musiker an zu spielen. Sie seien die Vorhut einer größeren Band, die nach und nach hier eintrudeln würde, sagte der Leader. Dann gab es New Orleans – Jazz, der Gitarrist tat sich schwer mit dem Singen, aber der Trompeter war großartig. Und selbstverständlich war noch eine Sängerin im Saal, und selbstverständlich hatte sie Lust mitzutun, und selbstverständlich war sie gut … Ach Hiddensee.
What a night, auch ohne Telefonnummern auf der Kippenschachtel.

Ehe ich aufbreche, gab ich noch eine Wahlwette ab beim Spiegel, eher Wunsch als Wette, aber vielleicht ja selbsterfüllend. Und dann noch bad news von der Arbeitsfront, aber nach ein paarmal telefonieren war alles wieder gut. Los jetzt.

Der Dornbusch ist ein tiefer Mischwald, den man von außen gar nicht so wahrnimmt. Aber der Weg (der mit der Romantik) zieht und windet sich, doch man ist im Schatten und das ist gut so heute, liebe Genossinngenossen. Die Sonne feiert ihr Comeback.
Den Pfad erreicht man vom südlichen Kloster am besten über den Biologenweg, der nicht nur genderkorrekt eigentlich Biologinnenweg heißen müsste. Wohin ich auch blicke im weitläufigen Areal der Uni Greifswald, nur Damen sind zu sehen. Und auch das ist gut so, obgleich ich zur Erholung hier bin. Also ab in den Wald.

Eine meiner Lieblings-Äbb auf dem Eierfon ist die, wo man eingeben kann, was man grade tut, ob Laufen, Radfahren, Kriechen oder Fliegen, nur so als Beispiele. Mit Schwimmen stell ich mir das schwierig vor, und bei Tätigkeiten, die nicht mit Ortsveränderung zu tun haben, versagt das System völlig. Aber sonst ist es sehr drollig: Man bekommt am Ende der Tour alles ausgespuckt, was man gar nicht wissen will, Zeit, Weg, Durchschnittstempo, Höhenmeter und –profil, Kalorienverbrauch usw.. Man überwacht sich sozusagen selbst, was aus staatsbürgerlicher Sicht völlig in Ordnung ist, global gesehen allerdings Arbeitsplätze vernichtet. Da muss sich Herr Friedrich sicher bald nochmal entschuldigen in Amerika.

Das System weiß also, als ich wieder in Kloster bin, beim Fischer: 6,42 km bin ich gegangen, in 1 h 28 min, das macht peinliche 4,35 km/h, aber immerhin 578 Höhenmeter hab ich geschafft und dafür 539 kcal verbraucht. Diese nachzuladen, ist das geringste Problem.
Das Höhenprofil sieht aus wie das einer klassischen Alpenetappe, nur dass der Tourmalet hier 75 m über dem Meer ist. Aber wirklich hübsch das Ganze, und wenn mir der Anbieter dafür Geld zahlen würde, tät ich auch den Namen verraten.

Den Rest des Tages verbringe ich wieder mit Nichts. Nichts ist mir ans Herz gewachsen, sie ist eine charmante und kluge Begleitung, die immer weiß, worauf es gerade ankommt. Sie erzählt mir von sich, und ich ihr von ihr, auch wenn das nicht logisch klingt. Im Handumdrehen ist der Nachmittag vorbei.

Um nicht als zwanghaft zu gelten, kehre ich heute abend in Kloster ein, in der Stammkneipe vom letzten Mal, die auch am Kollwitz-Platz sein könnte. In Berlin wohlgemerkt. Die Gastro ist fest in europäischer Hand, zumindest was den Service angeht (die Kasse bewachen die Preußen), ein Blondton schöner als der andere, ach ja, Sommer. Erwähnte ich schon, dass ich zur Erholung …?
Man muss zwar zahlen für das W-Lan, aber was soll der Geiz? Was ich hier reinstecke, kann ich nicht mehr vertrinken. Das ist dann auch gut für den heute abend langen Heimweg.