Hiddenseeer Elegien, Teil 5: Vom Kotzenmüssen und -wollen


Ich leide heute unter meinen Kochversuchen. Dabei konnte man da nicht viel falsch machen, eigentlich: Zwiebeln, Rindswurst, Tomaten, Gewürze, und das braten. Aber dazu das Öl von den in der letzten Nacht verschlungenen Trockentomaten zu verwenden, war suboptimal. Nun plagt mich ein Schluckauf, und übel ist mir auch. Heute abend bleibt die Küche kalt.

Bei der Sichtung der digitalen Nachrichten zum sogenannten Frühstück stelle ich fest, dass Franziskus bald den Ehrennamen „van Almsick“ verliehen bekommen dürfte, so hemmungslos populär wie der grad tut. Muss ich jetzt auf ein liebgewonnenes Feindbild verzichten? Aber ich vertraue auf den Kirchenapparat, so „heiß“ (höhö!) wie das jetzt gesprochen wird, wird das in der nächsten Bulle nicht sein. Der Schweinkram unter Männern wird den hochamtlichen Segen nicht erhalten, eher kommt ein Päderast in den Himmel.
(Irre ich mich, oder ist die Kirche bei den Praktiken, die auf einer kleinen griechischen Insel perfektioniert wurden, duldsamer? Na gut, die Frau spielt im Christentum eh nicht so eine große Rolle, wenn sie nicht als Muttergottes daherkommt, hat also ihre Nische sicher.)

Heide graut’s mir mal beim Ausflug. Ja, Schenkelklopfer, Heidekraut. So weit das Auge reicht.
„Es war die Eule, nicht der Kuckuck!“ Auch das ist geklaut, zum einen bei Shakespeare, zum anderen bei Sasha Krieger, der so ähnlich eine seiner lesenswerten Rezensionen überschrieb. Erneut „Na und?“. Eigentum ist Diebstahl, geistiges sowieso, wenn es nicht gerade um meines geht.
Was ich damit beschreiben wollte, war auch nur die Eule am Eingang zum Naturschutzgebiet. Der Witz überrascht durch seine geringe Fallhöhe.

„Vorsicht Kreuzottern!“, ein Schild mit dieser Botschaft ziert ein Grundstück, das ich passiere. Der Besitzer muss Psychologe sein und/oder in der Werbebranche arbeiten. Die Aussage und Wirkung ist dieselbe wie bei „Betreten verboten!“, aber es klingt ungleich freundlicher.

Es geht ein Wind, ein heftiger, und der macht mächtig Wellen. Aber das Wasser ist deutlich wärmer als am Wochenende, oder ich bin inzwischen männlicher geworden. Ein Vergnügen, die Heldenbrust den rauen Naturgewalten darzubieten und von jenen ordentlich auf die Fresse zu bekommen. Ich kann nicht genug kriegen.

Apropos Masochismus: Später am Tage ziehe ich mir in einer schwachen Stunde das MDR-Fernsehen rein. Manchmal muss ich das haben. Es ist so bräsig wie eh und je, am Leipziger Flughafen werden Autos gestohlen, oje-oje-ojemine, der rüstige Rentner vermisst seinen Geländewagen. Mögen doch wieder mehr Reissäcke umfallen in China.
Es wird auch halb acht nicht besser, Tendenzfernsehen. Die Anhalter Regierung setzt jetzt voll auf Transparenz, wer für die IGB arbeitet, darf nicht mehr an von jener begünstigten Firmen beteiligt sein oder muss dies zumindest angeben vorher. Und vielleicht auch was abgeben … Haben die nie was von Compliance gehört? Sagenhaft.
Der erste fernsehjournalistische Grundsatz (ohne Krawatte = Sport) gilt immer noch, und der Selbstverteidigungsminister sieht aus wie ein trauriger Dackel. Den Spitznamen „Die Misere“ kann er jetzt getrost von seinem glücklosen Verwandten übernehmen.

Aber zurück ans Wasser. Ein Tiefflieger passiert den Strand und macht uns deutlich, dass welche aufpassen, auf Friedenswacht sind, während wir Zivilisten feige Urlaub machen. Erwähnte ich schon, dass auch ich Soldaten für Mörder halte? Zumindest für potentielle?

Noch was unter Männern: Freunde, wenn ihr ein T-Shirt am Strand tragt, ist das ok. Auch gegen einen Rucksack ist nichts einzuwenden beim Flanieren. Aber bitte, dann verpackt euer Gemächt. Es gibt kaum etwas Peinlicheres als einen Mann unten ohne, mit freier Hängung in der Öffentlichkeit. Ich weiß, das ist ein freies Land, aber es gibt auch Grenzen.
Bei Damen würde ich den Einzelfall prüfen wollen, aber die kommen eh nicht auf solche kruden Ideen.

Nicht nur ich werde darob zornig, auch der diensthabende Wettergott. Und nun wird es richtig beeindruckend. Erst dunkel, dann finster, dann Schluss mit lustig. Die weichen Eier um mich herum flüchten in Scharen, obwohl das Wasser im Prinzip dasselbe ist, was nun von oben statt von unten kommt.
Auch ich trete den Rückzug an, jedoch geordnet und in Würde, was mir einige schöne Fotografien beschert, aber auch ein klatschnasses Hemdchen. (Ja, ich hatte eine Badehose an.) Eine halbe Stunde später lächelt der Himmel unschuldig, als wär nichts gewesen.

Auf meiner in alle Richtungen offenen Abneigungsskala nehme ich anlässlich meines Hafenbesuchs dann eine weitere Spezies auf: Die In-Einem-Fisch-Imbiss Curry-Wurst-Fresser. Hier kann man mit hoher Sicherheit von einer fortgeschrittenen Verblödung ausgehen.
Der von mir georderte Rotbarsch schmeckt aber auch nicht, obwohl ich parteipolitisch großzügig bin.

Dann besagte schwache Stunde, ich musste putzen und auf Figaro kam Wagner live. Aber ohne Bild fetzt das nicht, es kam also zu meiner Begegnung mit dem MDR-Fernsehen.

Mein letzter Abend auf der Insel, Godewind zieht, u.a. mit dem W-LAN. Aber auch das Bier ist gut, vor allem wenn man weiß, dass das „Hiddenseer“ in der Oberlausitz gebraut wird. Noch ein weiterer väterlicher Rat sei mir gestattet: Auf einer im Prinzip autofreien Insel wirkt es etwas komisch, wenn man den Porsche-Schlüssel effektvoll auf den Kneipentisch knallen lässt. Sogar sehr blonde Damen verstehen dies als Imponiergehabe. Wobei, vielleicht schlägt es ja trotzdem an, keine Ahnung, ich hab kein Auto. Nicht mal einen Porsche.

Apropos reich und schön: So oft, wie ich auf meinen diversen Kanälen in den letzten Tagen „Meine Insel“ lesen konnte, scheine ich einem vielfachen Immobilienbetrug allergrößten Ausmaßes auf der Spur zu sein. Ich beantrage Akteneinsicht beim Grundbuchamt! Und gründe eine Selbsthilfegruppe! Denn viele jener, die sich als Inselbesitzer wähnen, dürften dort nicht mal im Kleingedruckten vorkommen.
Oder ist Hiddensee immer noch Volkseigentum? Das letzte seiner Art? Ich dachte eigentlich, dass Fräulein R. aus der Seminargruppe nebenan damals das letzte gewesen wäre … Aber ich irre mich auch gelegentlich.

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