Kategorie: Kultur

Oh Boy. Oh Jakob Fabian.

“Fabian” nach dem Roman von Erich Kästner in der Regie von Julia Hölscher, auf die Bühne gebracht von ebenjener und Felicitas Zürcher, Uraufführung am 15. März 2013 im Staatsschauspiel Dresden

Es: Das Jakob Fabian, ein planloses Menschlein in einer großen Stadt in einer gar nicht großen Zeit. Berlin, 1931.
Es windet sich. Sie winden, sie räkeln sich. Es kriecht, es wimmelt durch die Nacht. Den Vertrag für die Befrie(di)gung der Rechtsanwaltsgattin schlägt es aus. Dummer Fehler.
Es liest einen Mutterbrief. Sehr anrührend, kennen wir.

Es swingt, alle swingen, die Herren in Sockenhaltern. An der Bar gibt es Nachschub an Frohsinn.
Es zuckt. Unruhevolle Jugend? Eher ADHS.
Brauchen wir Männerbordelle? Von mir aus doch, solang man nicht zwangsrekrutiert wird, meint der Rezensent.

Wir müssen alle etwas wollen, nicht nur die Helden. Es aber nicht. Wo kein Wille ist, ist vielleicht trotzdem ein Weg.
Es schlingert. Es klammert sich an die Bar.

Die schlagen sich, die Linken und die Rechten. Vertragen werden sie sich nicht, wie auch. Es ist es egal.
Dr. Labude, der Freund, erleidet ein Pendlerschicksal. Sex nach Kalender ist nicht das Wahre. So weit, so traurig. Es kann da auch nicht helfen.
Es tanzt. Es paart sich.
Wenn die Frau eine Ware ist, macht Billigkeit misstrauisch. Wo ist der Haken?
Berlin ist ein Irrenhaus. Sicher doch.

Es lernt sie kennen. Sie! Es trommelwirbelt die ganze Nacht. Es scheint glücklich.
Morgens im Büro bewirbt es Zigaretten, beflügelt von der Liebe. Dann wird es gekündigt. Es ist schockiert.
Es begegnet dem Immer-wieder-sich-selbst-Erfinder, es ist fasziniert und beherbergt ihn.
Armut macht besonders frei. Nothing let to lose. Das Elend zeigt sich eindrucksvoll, 2,72 Mark pro Tag und Mensch.
Es bettelt. Es wird ausgeraubt. Und für das Männerbordell ist es schon zu alt.

Mama ist zu Besuch. Soll nichts merken.
Es sponsort die Karriere seiner Liebe mit seinem letzten Geld. Dummerweise ist sie erfolgreich. Es kann jetzt gehen. Man kommt nur aus dem Dreck, wenn man sich selber dreckig macht, sagt sie.
Es macht alles. Bzw. würde alles machen, wenn man es ließe. Die Talente reichen immerhin zum Verhungern.

Dann seltsamer Dialog zu dritt. Es versucht sich freizuvögeln. Wenns hilft? Es bleibt der, der er ist. Die Hoffnungslosigkeit begleitet es fortan.

Labude ist nun in allen Fächern durchgefallen, glaubt er. Er nimmt sich aus dem Rennen.
Das Leben ist ein Zyniker. Labudes Tod ist Folge eines universitären Scherzes. Haben Sie Humor?
Es entsetzt sich. Ab nach Hause. Nach Dresden.

Früher wars schöner. Es bewegt sich rückwärts und begegnet der Vergangenheit. Seit es groß ist, wartet es auf den Startschuss. Leben im Wartestand. Das kann man in Dresden besonders gut, hier ist alles „ehemalig“, die ganze Stadt scheint paralysiert.
Es erleidet einen Wutausbruch. Ist das die Wende? Nein.

Es scheitert am ersten Versuch einer großen Tat. Es ertrinkt bei einer versuchten Rettung. Es ist gescheitert.
Lakonisches Ende. Jakob Fabian, er war einer von Hunderttausenden.

Kästners Satire über die frühen dreißiger Jahre ist – offensichtlich zu Unrecht – kaum bekannt. Diese heute und hier in Dresden auf die Bühne zu bringen, ist instinktsicher und zweifellos eine gute Idee. Fabian, ein Falladascher „Kleiner Mann“ ohne Anhang und Vorstellung vom Platz im Leben, aber die Schicksale ähneln sich.

Eine Einordnung ins Heute fällt schwer. Gegen ´31 ist das aktuelle Geschehen hier pillepalle, aber ein paar hundert Kilometer weiter südlich ist ´31 Realität. Und das Stück läuft ja sicher noch eine Weile, wer weiß schon, was die Zukunft bringt.

Die Bühne bildet einen angemessenen Rahmen, das Geschehen spielt sich auf zwei Podesten und dem Raum dazwischen ab, im Hintergrund eine unterbrochene, durchlässige Wand. Alles sehr grau, im Gegensatz zum bunten Treiben. Das Leben entspringt meist den Luken in den Podesten. Wenig Schnörkel, kaum Requisiten.

Zur darstellenden Compagnie: Keiner fiel nach unten ab, alle wurden dem sehr bewegungs- und körperbetonten Inszenierungsansatz gerecht, auch die „reinen“ Schauspieler. Vom Sänger hätte ich mir mehr Beiträge erhofft, die Tänzerin Romy Schwarzer hatte auch wenig Gelegenheit, sich auszuzeichnen. Dies gilt für Johanna Roggan zwar nicht, aber oftmals waren es undankbare Rollen, mehr Objekt als Subjekt. Dennoch ein nachhaltiger Eindruck bei mir.

Jan Maak und Ahmad Mesghara als Multi-Rollisten fand ich sehr gut, ebenso Lea Ruckpaul als Fabians Geliebte Cornelia. Die Krone möchte ich aber diesmal zwei Herren aufsetzen: Thomas Braungardt als Labude war anrührend, authentisch, fesselnd. Und Philipp Lux in der Titelrolle trug das Stück, gab den Takt vor, um ihn herum drehte sich das Geschehen. Wieder einmal eine erstklassige Leistung.

Der Regisseurin Julia Hölscher ist ein Kompliment zu machen: Sie hat aus einem Stoff, der von Hause aus mit Theater nicht viel zu tun hat, gemeinsam mit der Dramaturgin Felicitas Zürcher (deren Arbeiten am Haus bisher immer hochklassig waren) ein Stück gemacht, das zu den Höhepunkten in dieser mit Highlights fast überladenen Dresdner Saison gehört. Kein Überflieger, sicher auch nichts für das Theatertreffen, aber eine Inszenierung, die etwas zu sagen hat. Eine lange Laufzeit ist zu wünschen.

PS: Ach ja, der etwas eigenartige Titel dieses Beitrags.
„Oh Boy“, ein Film von Jan Ole Gerster, der unglaublich dicht an dieser Handlung dran ist. Da taumelt auch einer durch Berlin und merkt gar nicht richtig, was ihm geschieht. Ich hielt es für angemessen, das zu zitieren.

Weltall, Kirche, Mensch

„Leben des Galilei“ von Bertolt Brecht / Margarete Steffin in der Regie von Armin Petras, Premiere am Staatsschauspiel Dresden am 9. März 2013

Zu Beginn eine gleißende Helle, als ob man in die Sonne schaut. Die Kunst ist erstmal anstrengend, der Sinn erschließt sich erst später.
Ein Focaultsches Pendel schwingt zwischen raumhohen Spiegeln, mühsam ist es zu erkennen.

Das Licht geht aus, erleichterter, dämlicher Applaus, mich erfasst Fremdscham.
Galileo rezitiert seine Erkenntnisse, der Hintergrund füllt sich mit Lauschern. Er stiftet Verwirrung und Durcheinander, der Mittelpunkt ist weg.
Seine weitere Karriere ist auf ein Plagiat gestützt, er verkauft das Fernrohr aus Holland als seins und erntet den Ruhm. Die Übergabe an den Dogen von Venedig spielt die Tochter nach, das ist witzig. Dann eine Menge Italo-Klischees, eine Gehaltsverhandlung, Wolfgang Michalek witzelt sich in einer seiner vielen Rollen in Fahrt.
Es gibt Zitate aus der Dreigroschenoper, dann noch ein Faustscher Hundemonolog: Galilei ist groß, aber unzufrieden. Sehr schöne Bilder in der Folge, auch viel Pantomime. Die aufgebaute Kunst bleibt nicht stehen, sie fällt um bzw. entwickelt sich weiter.
Bühnennebel zieht in den Saal, die älteren Damen neben mir husten demonstrativ. Galileis Entdeckung auf den Punkt gebracht: Da ist kein Halt im Himmel. Da ist auch kein Platz mehr für Gott.

Die Tochter (Julischka Eichel eher unterfordert) muss ein Dummchen spielen, auch die Haushälterin (eine souveräne Nele Rosetz für die erkrankte Karina Plachetka) hat die Klischees zu bedienen. Minderlustig. Auch Sebastian Wendelin, der ansonsten als Andrea Sarti großartig ist, macht als singender Kastrat keine tolle Figur. Dann sind auch noch die Requisiten störrisch.

Galilei, nunmehr am florentinischen Hof, will einen Beweis per Augenschein erbringen, wird aber in einen formalen Disput gezwungen. Dieser ist erstklassig in Szene gesetzt, der Mathematiker sagt, es kann nicht sein, der Philosoph, es ist nicht nötig, der Theologe, es ist gefährlich. 3:0 für den AC Florenz.
Die katholische Dialektik ist einfach: Wenn das Fernrohr Ergebnisse bringt, die von der Lehre abweichen, kann es nicht zuverlässig sein. Also ist damit gar kein Beweis möglich.
Soll man (nicht) fragen, wohin die Wissenschaft uns führt? Die Frage scheint heute genauso aktuell wie damals.

Die Pest bricht aus, auch das faszinierend dargestellt auf der Bühne. „Keine Panik!“ ist die Parole, die mit Galilei zurückgebliebene Haushälterin stirbt trotzdem. Für die Wissenschaft?
Das Teufelsrohr, was dieser Galilei da anschleppte, scheint gefährlich. Am Ende ist die Erde auch nur ein Stern! Vorsichtshalber wird ein ptolemäisches Gebet gesprochen.
Krachbumm-Musik setzt ein, die Szenen werden jetzt untertitelt. Es folgt eine Zitatenschlacht mit Kardinal Barberini, die die Indizierung der „Diskursi“ aber nicht mehr abwenden kann. Galilei ist fortan verboten.

Der Mönch, der kurz danach Galilei seine Abkehr von der Wissenschaft erklären will, hat bedenkenswerte Argumente: Leben die Menschen auch in Armut, so leben sie doch in einer Ordnung und wissen, dass jemand sie leitet und über sie wacht. „Kein Aug liegt auf uns? Kein Sinn im Elend?“ Ordnung ist wichtiger als Wissen.
Danach Albernheiten mit Tonband. Wendelin pendelt und entlässt uns in die Pause.

Die Transformation ins Heute erscheint gar nicht schwierig. Wenn jemand das herrschende Finanzsystem in Frage stellte, z.B. nach der Berechtigung des Zins fragte, oder einfach den Besitz an Boden und Immobilien grundsätzlich negieren würde, wären die Reaktionen sicher ähnlich, auf die heutige Art. Aber warum soll man diese Fragen nicht stellen? Dass die Erde eine Scheibe ist, war früher genauso Grundkonsens wie heute die Mär vom Wachstum als Heilsbringer.

Nach der Pause muss Virginia weiter blödeln, es nimmt kein Ende, sie kann einem leid tun. Gut gemeint ist das Gegenteil von gut, das bestätigt sich immer wieder.
Acht Jahre später, die Spiegel sind inzwischen blind, das Pendel steht still. Galilei hat sich eingerichtet, eine Knoff-Hoff-Show seiner Mitarbeiter findet statt, die aber ebenso wenig zur Wahrheitsfindung beiträgt wie die folgende Schmonzette zwischen Virginia und Ludovico, die dann fast peinlich wird.
Der alte Pabst geht, habemus papam Barberini, zur Feier des Tages wird Wein aus Plasteflaschen getrunken, wohl bekomm’s. Galilei forscht jetzt wieder, das Fräulein Tochter verliert daraufhin den Bräutigam. Wir müssen alle Opfer bringen. Für die Wissenschaft?

Der eiserne Vorhang senkt sich. Abbruch? Nein, W. Michalek tritt davor und muss nun auch den Kaspar geben. Natürlich macht er auch das großartig, einer wie er könnte auch das Telefonbuch zur Verlesung bringen und das Publikum damit begeistern, aber dem Ablauf des Stücks wird damit endgültig das Genick gebrochen.
Erst als Michalek in den Eisler-Song einsteigt, gewinnt die Szene Relevanz zurück. „Man scherzt nicht mit der Bibel“, wohl wahr.
Zurück im Spiel. Man lässt Galilei waren, das Publikum auch. Das Pendel schwingt wieder, irgendwann kommt es dann aber doch zur Auslieferung nach Rom, warum auch immer. Galilei bewohnt ab sofort einen Käfigwagen.

Der Zweifel sei die Grundlage seiner Forschung, sagt die Inquisition. Und wer zweifelt, ist schon dagegen. Das haben also weder Hitler noch Stalin erfunden.
Cui bono? Der Kirche sicher nicht, also zeigt man ihm die Instrumente.
Währenddessen warten seine Jünger auf das Ergebnis. Eine anfangs phantastische Szene, die leider am Ende wieder in Comedy endet.
Er hat widerrufen. Traurig das Land, das keine Helden mehr hat, oder eher jenes, das Helden nötig hat? Die Antwort bleibt offen.
Ein halbwegs passender 80er-Jahre-Poptitel beendet die Szene.

Galilei im Hausarrest, er wird besucht von Andrea. Mit jenem gelangt eine Abschrift des bösen Buchs in die weite Welt, fernab des Zugriffs der Kardinäle. Aber Galilei bleibt ein Gefangener der Kirche bis zu seinem Ende.
Die Idee ist gut, doch die Welt noch nicht bereit, wie vor zwanzig Jahren Tocotronic so treffend sangen.

Üppiger Applaus am Ende, einige Jubelschreie für das Regieteam, denen ich mich nicht anschließen möchte.

Noch einige Nachbemerkungen:
Das Bühnenbild war großartig, wie viele andere zuvor auch. Ich habe keinen Unterschied zwischen einem renommierten bildenden Künstler und den sonst hier tätigen Bühnenbildnern gesehen.
Neben den schon erwähnten Darstellern möchte ich noch Gunnar Teuber hervorheben, der dem Federzoni Herz und Leidenschaft gab.
Die Hauptrolle war mit Peter Kurth prominent besetzt. Ich sah eine seriöse Leistung, aber nicht mehr. Neben Michalek hatte er schlechte Karten.
Das Programmheft ist äußerst informativ und dabei noch lesbar, vielen Dank dafür.

Zum Schluss: Selten sah ich ein Stück mit einer derartigen Diskrepanz zwischen großartigen, bildgewaltigen Szenen und völlig banalen, sinnfreien Zwischenspielen. Das wird mir noch eine Weile Stoff zum Nachdenken liefern.

F wie Freiheit, T wie Tod

„Die im Dunkeln“ von Mona Becker in der Regie von Bernhard Stengele, Uraufführung am Landestheater Altenburg, gesehen am 8. März 2013

Schön, wenn sich eine solche Mitfahrgelegenheit bietet: Freunde hatten familiär bedingt die Idee, Altenburg zu besuchen und das neue Stück am Theater, das auch überregional einiges Aufsehen erregt hatte, anzusehen. Da muss man doch mit!

Auf der Hinfahrt durch nebelverhangene Landschaften grübele ich, wie man das wohl auf die Bühne bringt: Es soll um den Widerstand in der frühen DDR gehen, der für die Beteiligten oftmals tödlich endete. Eine wahre Geschichte aus Altenburg wird erzählt, eine, die jahrzehntelang keiner wissen durfte und wollte. Das inszeniert sich nicht mit leichter Hand, ich hoffe sehr, keine Enttäuschung zu erleben.

Das Altenburger Theater ist prächtig, plüschig-schön, man merkt die frühere Residenz. Den ersten Kontakt mit dem Stoff bringt wie gewohnt das Programmheft. Dieses hier ist handlich und kompakt, bietet aber eine Fülle von Material zum Thema, ohne den Zuschauer zu überfordern, wie es anderswo manchmal geschieht. Es ist der beste Begleiter durch das Stück, den man sich vorstellen kann, dafür schon mal ein großes Lob.

Der Saal ist voll gefüllt, was dem Vernehmen nach hier nicht üblich ist. Die Altenburger scheinen gewillt, sich mit diesem Teil ihrer Geschichte auseinanderzusetzen. Mir wurde ein Platz in der ersten Reihe zugewiesen, das hat Vor- und Nachteile. Vom Rang aus sieht man hier auch sehr gut, stelle ich fest. Naja, beim nächsten Mal.

Am Anfang herrscht totale Finsternis. Dann schält sich langsam eine Vorgeschichte heraus, erst die Nazis mit den erst später wahrgenommenen Gräueln, dann kurz die Amis und dann die Russen, bei denen man schon bald die Tendenz zum Totalitarismus bemerkt.
Ein kluger dramaturgischer Griff: Es gibt zwei Erzähler, die abwechselnd sich selbst mit 19 spielen und dann – die Mäntel der Geschichte überstreifend – die Geschichte aus Sicht der Veteranen schildern. Diese zwei gibt es wirklich, sie haben bei der Entstehung des Stückes mitgewirkt und wurden zur Premiere umjubelt.
Auch andere treten kurz aus ihren Rollen, um sich vorzustellen. Das hört sich dann z.B. so an: „Flack, Siegfried, Lehrer, 22, 1950 in Moskau erschossen“. Spätestens jetzt wird klar, dass das kein leichter Abend wird.

„Nicht so laut“ ist das ständige Motto dieser Jahre, Geschichte wiederholt sich offenbar doch. Einige, Schüler wie Lehrer, wollen das nicht hinnehmen, leisten zunächst intuitiv Widerstand, werfen Flugblätter, finden sich zu Gruppen zusammen, malen das „F“ für Freiheit an die Wände der Kreisleitung, planen schließlich eine Störsenderaktion zu Stalins Siebzigstem.

Das Stück versteht sich – wenn ich es recht verstehe – als Doku-Schauspiel, das zieht mitunter langwierige und hölzerne Diskussionen auf der Bühne nach sich. Man begreift schnell die Motivation der Widerständler, danach wiederholt sich vieles. Es gibt „Wir“ und „Ihr“, eine klare Kante dazwischen, die „Ihr“-Seite bleibt unbeleuchtet.
Für die „Wir“’s gibt es gelegentlich Revolutionsromantik, aber auch die interessante Frage, ob jene in ihrem jugendlichen Furor nicht von der „Kampfgruppe gegen Unmenschlichkeit“ (KgU), die von Westberlin aus agierte, nicht unnötig in Gefahr gebracht und geopfert wurden. Auch das ist ein bedenkenswerter Teil der Geschichte.

Die Einordnung in das zeitliche Umfeld erfolgt im Wesentlichen über Musik, Tanz und die Kostüme. Das gelingt (meist) gut, wirkt nur manchmal etwas unmotiviert (der Bruch durch den „Zug nach Kötzschenbroda“ ist schon heftig). Später gelingen dann großartige Bilder, wie die Darstellung der Verhaftungen, bei der jeder Geschnappte aus der großen Tanzrunde ausscheidet. Der Fuchs geht um, am Ende bleibt kaum einer übrig auf dem Parkett, alle sind verdächtig.

Zuvor noch der Höhepunkt des Widerstands, der Bau und Einsatz eines Störsenders zur Pieckschen Rede zum 70. von Väterchen Stalin. Das ist sehr gut in Szene gesetzt, die Antenne zieht sich quer durch den Zuschauersaal, die Anspannung ist allen Akteuren anzumerken. Ein paar Minuten sind sie auf Sendung, dann fährt ein Auto verdächtig nah vorbei, es wird abgebrochen und blitzschnell abgebaut. Für’s Abi lernen muss man ja auch noch.
[Ein trauriger Treppenwitz der Geschichte ist übrigens, dass bis heute nicht klar ist, ob die Störsendung überhaupt jemanden erreichte. In den späteren Urteilen spielte dies kaum eine Rolle, da ging es um die Flugblätter und vor allem um Spionage.]

Ein Vierteljahr später dann besagte Verhaftungswelle, die quälend langen Verhörszenen verursachen fast Brechreiz. Immer wieder die Schläge des Holzhammers auf den Tisch, alle schrecken hoch. Mit Schlafentzug werden sie weichgekocht, das Aufgeben ist nur eine Frage der Zeit.
Den Akteuren gelingt die Gratwanderung zwischen realistischer Darstellung und peinlichem Übertreiben. Die Vernehmer (unnötig karikiert mit blechbehangener Brust) treten am Ende kurz aus ihren Rollen, versuchen zu erklären, tun Zweifel kund. Schwarz-Weiß ist hier nicht angebracht, dieses Thema wäre sicher auch noch ausbaubar gewesen.
Vorangegangen war die für mich stärkste Szene des Stücks: Der Chor der Angehörigen, die auf der Suche nach den Verhafteten Bettelbriefe an die Organe schreiben. Erinnert mich an Chile, Argentinien, die Demonstrationen der Mütter. Beklemmend, erschütternd, alle im Saal sind angefasst. Szenenapplaus, völlig zu Recht.

Die sowjetische Nationalhymne im tiefsten Moll leitet die Gerichtsverhandlung ein. Vier mal Erschießen. Alle anderen Angeklagten gehen ab, die vier Todgeweihten bleiben zurück und dürfen noch ein Gnadengesuch nach ganz oben reichen. Abgelehnt, klar. Einer, Hans-Joachim Näther, verweigert auch dies, konsequenterweise erkennt er das (sowjetische) Gericht nicht an. Dass seine Gedichte im Laufe des Stückes mehrere Male rezitiert werden, halte ich allerdings für keine gute Idee. Dokumentarisch sicher wertvoll, aber die ihnen zugewiesene Rolle im Text füllen sie nicht aus, zu simpel sind sie gestrickt.
Den dann folgenden Wechsel zum Schlager kann ich nur Quark nennen.

Im Zug nach Moskau. Selbstgespräche der Verurteilten, Albträume, Apathie, Verzweiflung, Ruhelosigkeit, wir sehen die ganze Palette. Im Traum erscheint Sophie Scholl, untermalt mit Heine-Zitaten, der Frage, ob sie in Kenntnis des Endes auch so gehandelt hätte, weicht sie aber aus.
Die Erschießung selbst wird beeindruckend in Szene gesetzt. Einer nach dem anderen wird von der Liste der Lebenden gestrichen. Dann noch der Auftritt einer Angehörigen, die sich jahrzehntelang um einen Toten sorgte, auch dies ergreifend, ein guter Schlusspunkt.
Doch Autorin und Regie haben die beiden Erzähler nochmal vorgesehen: Diese finden heroische Worte für die Botschaft, Auflehnen gegen Ungerechtigkeit sei Pflicht. So wahr, so banal. Da unterschätzt man das Publikum ein wenig. Hoffe ich.

Das Stück – ein Auftragswerk – geht die Altenburger etwas an, das merkt man. Fast 100 bleiben zum Publikumsgespräch, was ein wenig schwer in Gang kommt, aber dann doch noch einige Einblicke bietet. Die Autorin Mona Becker (noch jünger als erwartet, was ihr einen unbefangenen Blick auf die Geschehnisse erlaubt) ist neben der Dramaturgin Geeske Otten selbst dabei, der beratende Historiker Dr. des. Enrico Heitzer sitzt im Publikum. Eine übersichtliche Szene.
Dass alle da sind, hat auch mit dem Rahmenprogramm zu tun: Am Sonnabend gibt es eine Tagung zum Thema „Widerstand in der frühen DDR“, das heutige Friedrichgymnasium (als EOS „Karl Marx“ damals ein Hauptschauplatz des Geschehens) beschäftigt sich intensiv mit dem Stoff, ab April wird es eine Ausstellung geben. Man hat das Gefühl, hier wird ein Stück regionale Vergangenheit konsequent aufgearbeitet. Auslöser dafür ist das Theater, das damit einer seiner vornehmsten Aufgaben in bester Weise nachkommt.

Meine eingangs geschilderten Befürchtungen haben sich nicht bewahrheitet. Ich sah ein packendes Stück, das einen schwierigen Stoff dramaturgisch ansprechend auf die Bühne brachte. Kein schöner Abend, aber ein guter.
Aus dem Schauspielerensemble möchte ich niemanden herausheben, alle waren authentisch, eine geschlossene Leistung. Es bleibt dem Landestheater Altenburg zu wünschen, dass der Publikumszuspruch so bleibt und vielleicht auch auf andere Stücke ausstrahlt, wenn die Besucher sehen, was Theater vermag.

Der gute Mensch vom Supermarkt

„Meine Kältekammer“ von Joël Pommerat in der Regie von Christoph Werner, gesehen am 28. Februar 2013 im Puppentheater Halle (deutsche Erstaufführung)

 

Nach dem Theaterexperiment nun anderntags das Puppentheater. Soso. Da will wohl einer Bandbreite beweisen.

Ischschwör, es ist Zufall, durch den beruflichen Kalender bedingt. Jener bescherte mir eine Übernachtung in Halle und zu meinem Glück gab es keinen Klassiker am „richtigen“ Theater. Man muss es fast Vorsehung nennen.

 

Puppentheater, na gut. Sicher ganz nett, muss es ja auch geben. Und Minoritäten sind schützenswert, wissen wir ja. Also begibt man sich mit einem wohlwollenden Lächeln ins (überraschend moderne) Haus und kann nachher sicher einen Strich auf seiner Gutmenschenliste machen.

 

Denkste. Richtige Menschen auf der Bühne, neben den Puppen. Ein spannendes, vielseitiges Bühnenbild. Schnelle Szenenwechsel, die wohl nur mit diesem Medium so funktionieren. Eine Story, die mit meinem Begriff vom Puppentheater so gar nichts gemein hat (und im französischen Original auch als Menschentheater aufgeführt wird). Ich bekenne mich mal wieder zu meinen Bildungslücken, gebe aber zugleich die Beseitigung einer solchen bekannt.

 

Das Neben-, besser Miteinanderagieren von Puppen und Menschen ist für mich das eigentliche Faszinosum an diesem Abend. Der magische Moment, wenn man vergisst, ob die handelnde Person von einem Darsteller oder einer Puppe verkörpert wird (bei vielen wechselt das ständig), lässt bei mir nicht lange auf sich warten. Das Medium hat einen neuen Fan gewonnen.

 

Die Handlung ist schnell erzählt: Ein reiches Ekel vererbt aus Boshaftigkeit schon zu Lebzeiten seinen Supermarkt an die Angestellten und verlangt als Gegenleistung, dass sie ihn in einem Theaterstück jährlich lobpreisen. Das Aschenputtel der Runde (Estelle) nimmt sich der Aufgabe an und versucht den Bösen, der unheilbar erkrankt ist, damit zu bessern. Ihre Kollegen kann sie jedoch nur zusammenhalten, in dem sie sich in ihren fiesen Bruder verwandelt und Angst und Schrecken verbreitet. Eine Mischung aus Shin Te und der Heiligen Johanna sozusagen, auf jeden Fall ist jede Menge Brecht dabei.

 

Es ist „schön“ zu sehen, wie die normative Kraft des Faktischen aus der Runde von klassenbewussten Arbeitnehmern nach und nach kleine Kapitalisten macht, die, Zwängen gehorchend, auch schon mal einen Schlachthof abwickeln, damit nicht alles hopps geht. „Man wäre gut, anstatt so roh, doch die Verhältnisse, sie sind nicht so.“ Brechtscher Hattrick, falls es nicht bemerkt wurde.

 

Eigentum heißt Verantwortung, willkommen in der Realität. Jene verändert die Protagonisten schneller als die es wahrhaben wollen, in unterschiedlichem Tempo allerdings, was immer wieder zu Reibereien in der Runde führt. Demokratie ist ziemlich scheiße in der Wirtschaft, es braucht die harte Hand. Also Estelles bösen Bruder. Business ist a dirty job but somebody must do it.

 

Leider gewinnen nur zwei der sieben Genossen wirklich Kontur: Neben Estelle noch Alain (Lars Frank), der zuerst die Realität erkennt und entsprechend handelt, aber das zumindest noch begründen kann. Alle anderen bleiben vage, ihre Wandlungen werden nur angedeutet, hier wäre mehr drin. Auch der Gag mit dem unverständlich sprechenden Chinesen erschöpft sich irgendwann.

Die für mich völlig überflüssige Nebenhandlung um Estelles prügelnden Ehemann und den angeblichen Kläranlagenarbeiter, der sich als Auftragsmörder entpuppt und als Werbegeschenk den bösen Gatten umlegt, hätte zugunsten der besseren Ausleuchtung von z.B. Blocq oder Claudie durchaus entfallen können.

 

Marie Bretschneider als Estelle kenne ich noch aus ihrer Dresdner Zeit, vor allem aus den grandiosen „Pandabären“. Sie hat die mit Abstand größten Gestaltungsmöglichkeiten und begeistert mich, auch durch ihre Körpersprache (was im Puppentheater natürlich von besonderem Wert ist).

 

Das Ende? Naja, nicht wirklich plausibel. Die Bekehrung des Ekels scheitert, das Theaterstück findet nicht statt, Estelle verschwindet und kehrt nach zehn Jahren wieder. Ihre Ex-KollegInnen haben sich inzwischen vom Besitz befreit und sind wieder Malocher mit oder ohne Job. Dem Weltfrieden hat das nichts gebracht, die Drecksarbeit haben dann halt andere gemacht und den Gewinn daraus eingestrichen.

Estelle verschwindet wieder, geht ins Facility Management (putzt also) und wartet geduldig auf den im Knast gelandeten Befreier.

 

Von meinen inhaltlichen Mäkeleien abgesehen, ein rundum gelungener Abend mit einer Neuentdeckung für mich: Puppen sind auch nur Menschen.

 

Der Himmel ist unteilbar

„Der geteilte Himmel“ nach Christa Wolf in der Regie von Tilman Köhler, für die Bühne bearbeitet von ihm und Felicitas Zürcher, gesehen am 19. Januar 2013 im Staatsschauspiel Dresden (94. Premiere n.u.S.)

Ich nehme es vorweg: Schon lang nicht mehr hat mich ein Stück derart angerührt und begeistert.

Die Geschichte nachzuerzählen, ist in diesem Landstrich wohl eher albern. Ich beschränke mich auf einige Schlaglichter.
Zuerst die Bühne (Karoly Risz): Mal hängt der Himmel ganz tief, mal lässt er etwas Luft zum Atmen. Dann wird der feste Boden unter den Füßen plötzlich schräg und schräger, die Protagonisten haben Mühe, sich zu halten. Ein sparsamer Videoeinsatz (Michael Gööck) ergänzt dies kongenial.
Die Musik (Jörg-Martin Wagner): Eine einzige Geige auf der Bühne, gespielt von Maria Stosiek, ersetzte ein ganzes Orchester. Großartig.
Klug ausgewählte Kostüme (Susanne Uhl) setzen ihre eigenen Höhepunkte.

Schon der Prolog ist ein kluger Schachzug: Mit Texten u.a. aus „Stadt der Engel“ wird das Thema in die Zeiten eingeordnet. Dies bleibt aber die einzige Aktualisierung, ansonsten erleben wir die Handlung im Wechselspiel zwischen Ritas Krankenhausaufenthalt und dem eigentlichen Geschehen.

Die dramaturgische Idee, Rita in drei Personen aufzuteilen, eine vor und eine nach „dem Anschlag auf sich selbst“ und eine, die sich viel später daran erinnert, ist der Grundstock der Inszenierung. Und was für einer! Man kann Felicitas Zürcher dazu nur beglückwünschen.
Aber die Abgrenzung ist kein Dogma, die Ritas werfen sich die Bälle zu, wenn es um das Erzählen der Geschichte geht.

Überhaupt: Eine elegante, zum Teil indirekte Behandlung des Stoffes durch die Schauspieler bringt den Roman zum Klingen auf der Bühne.
Albrecht Goette, Ahmad Mesgarha und Philipp Lux brillieren in verschiedenen Rollen, sind mal Arbeiter, mal Chemiker, mal Familie. Hannelore Koch merkt man die Identifikation mit der älteren Rita deutlich an, und auch als Frau Herrfurth ist sie überzeugend.
Annika Schilling spielt die kranke Rita, den Punkt, von dem aus sich die Geschichte letztlich aufbaut. In ihrer letzten größeren Arbeit in Dresden (Gott sei es geklagt) setzt sie wiederum ein Glanzlicht. Wir werden sie vermissen.
Ich gebe zu, ich bin ein Fan von Matthias Reichwald. Dessen unprätentiöse, aber unglaublich energiegeladene Spielweise hab ich noch in jeder Rolle bewundert. Auch diesmal war er ein Ereignis.
Und, die größte Ehre zuletzt, Lea Ruckpaul. Ich gebe zu, ich war skeptisch, als ich sie auf den Plakaten sah. So jung und so eine Rolle …? Aber ich tue Buße: Diese Bühnenpräsenz, diese Klarheit im Ausdruck, diese Verletzlichkeit und Stärke … Die Nachricht, die sich auf den hinteren Programmheftseiten versteckte, ist nur folgerichtig: Ab der nächsten Saison gehört sie fest zum Ensemble.

Tilman Köhler als Regisseur gelingt es, dies alles zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufügen. Er ist – für mich – wieder auf dem Niveau der „Hl. Johanna“, auch wenn die Arbeiten dazwischen auch nicht schlecht waren.

Der Inhalt des Stückes bzw. des Romans? Ist doch schon tausendmal diskutiert und besprochen worden, ich wüsste nicht, was ich da hinzufügen könnte. Letztlich muss jeder selber sehen, wie er sich zu der Grundfrage des Textes stellt. In dieser Form tritt jene heute ohnehin nicht mehr auf. Oder gibt es noch eine Ideologie, für die es sich lohnt, eine Liebe scheitern zu lassen?

Bedaure, ich habe nichts zu bekritteln. Ein ganz großer Wurf.

Das bunte Leben in schwarz-weiß

Oh Boy,

Ein Berlinfilm wie man ihn noch nicht gesehen hat.
Eine Wiedergeburt des Film Noir. Fast jedenfalls.

„Das Einzige was ich noch für dich tun kann ist nichts mehr für dich zu tun“. Sagt der Vater und hat vermutlich recht.

Wie nicht von dieser Welt irrlichtert ein hauchzarter Nico (Tom Schilling) durch Berlin, ohne Studienplatz, ohne Job, ohne Ziel.

Es kommen vor:
Ein sexuell frustrierter Nachbar mit Mitteilungsdrang.
Eine Debilkorrekte Filmproduktion.
Eine Fahrscheinkontrolle mit internen Problemen.
Ein Koksservice mit lieber Oma.
Ein Schrei- und Stöhntheater mit empfindsamem Chroreographen.
Eine Jugendbande mit schwerer Kindheit.
Eine Psychotante mit demselben Problem, aber einer scheinbar netten Lösung.

Berlin halt.

Gwisdek in gewohnter großer Rolle, „aus heutiger Sicht gab es damals nicht“.
Dann Charité.  Dann Tod.

Und richtigen Kaffee gibt es nicht für Nico.
Sonst passiert eigentlich nicht viel.

Muss auch nicht. Tolles Kino.

Von Jan Ole Gerster. Noch nie gehört. Geht auch nicht. War sein erster.

Noch zwanzig Jahr zu arbeiten …

„Die Firma dankt“, UA von Lutz Hübner, in der Regie von Susanne Lietzow gesehen am 22. April 2012 im Staatsschauspiel Dresden

Eine Parabel zwischen alter und neuer Arbeitswelt, sie handelt vom verlorenen Wert von Verdiensten, vom Neu-Erkämpfen-Müssen seiner Position, vom Spielen nach unbekannten Regeln, von den Schmerz-Grenzen erhaltener Demütigungen. Lutz Hübner lässt einen Mittvierziger die „Neuaufstellung“ seiner Firma durchleben und durchleiden. Am Ende muss jener erkennen, dass für ihn kein Platz mehr da ist, den er ohne Selbstaufgabe ausfüllen könnte.

Adam Krusenstern muss warten. Warten im Gästehaus seiner frisch übernommenen Firma, die ihn zu diesem Wochenende einbestellte. Ihn, den letzten verbliebenen Abteilungsleiter, alle anderen wurden vom neuen Management schon entsorgt. Er hat keine Ahnung, was ihn erwartet, Rauswurf, Degradierung oder Beförderung.

Auch die ersten Begegnungen machen ihn nicht klüger. Hier scheinen alle keine Nachnamen zu haben. Kein Zeitplan, keine Tagesordnung, so ein Chaos hat Adam in 20 Jahren Betriebszugehörigkeit noch nicht erlebt. Die Assistentin umschwirrt ihn (oder überwacht sie ihn?), die beißlustige Personaltrainerin gibt abwechselnd den guten und den bösen Bullen, der neue Personalchef bleibt ganz allgemein in seinen Sprechblasen. Alle sind irgendwie unter Spannung. Nur der mutmaßliche Praktikant ist überlocker, Krusenbergs Ratschläge zu Umgangsformen belustigen ihn. Hier prallen Welten aufeinander.

Krusenberg spürt, dass etwas von ihm erwartet wird. Er beruft ein Meeting ein, aber es wird ein Desaster. Schon am Gestühl scheiternd, verhungert er bei seinem Schaulaufen vor einem desinteressierten Kreis. Demütigung durch Ignoranz. Das Auftauchen des jungen Schnösels, den alle wer weiß warum anhimmeln, lässt die Besprechung endgültig platzen. Die Teilnehmer widmen sich wichtigeren Dingen.

Nur der selbstgewisse Schnösel bleibt, versaut erst Adams Anzug und dann endgültig dessen Laune mit seinen Thesen von der modernen Wirtschaft. Erfahrung und Kompetenz sind unwichtig, die Systeme organisieren sich selbst, Produktperfektion ist irrelevant, man muss den Kaufvorgang verkaufen. Krusenstern versinkt im riesigen Sofa und taucht als Marionette wieder auf. Alles ist offensichtlich Scharlatanerie, aber diese kommt an. Doch was sollen facebook-Produkte in einem Stahlwerk? Hat er in seinen 20 Arbeitsjahren wirklich alles falsch gemacht? Ist er verdorben für die schöne neue Firmenwelt?

Die anderen sind inzwischen in Feierlaune. Der vermeintliche Praktikant Sandor ist ein umworbener Shooting-Star der New Economy, der endlich zugesagt hat, den Laden zu übernehmen. Der Aktienkurs steigt.

Die Nutzwertanalyse des frischgebackenen Chefs geht allerdings zu Krusensterns Ungunsten aus. Adam macht den üblichen Deal, Abfindung gegen geräuschlosen Abgang, besser er wird mit ihm gemacht. Mangels Personalakte muss zu seiner Verabschiedung aus seinem Dossier vorgelesen werden. Was man so alles anhäuft in zwanzig Jahren … die wissen wirklich alles.

Es ist Sandors erste selbstverursachte Kündigung, das will er sich aus der Nähe ansehen. Sein strafverschärfendes Mitgefühl und seine These, Krusenberg sei ein Oldtimer, zwar unpraktisch und kaum verwendbar im Alltag, aber sehr faszinierend, lässt jenen die Contenance verlieren. Er hat noch zwanzig Jahre zu arbeiten!

Die folgende Prügelei bleibt einseitig. Sandors geschmeidige Virtualität hat der physisch-archaischen Gewalt aus der Old Economy nichts entgegenzusetzen. Sieg durch K.O. in der ersten Runde.

Dies führte nun eigentlich zum berechtigten fristlosen Rauswurf des Übeltäters, allein Sandor fühlt sich als Warhol-Wiedergänger und erkennt eine prägende Szene aus dessem Leben: Das Valerie-Attentat. So einen könnte er doch gut brauchen? Er trifft eine Management-Entscheidung.

Die Runde ist irritiert, dass Krusenstern nun wieder im Rennen ist. Offenbar verstehen auch sie die Regeln nicht ganz. Aber nach welchen Regeln würfeln die Affen? Der Personalchef hängt seinen Golfpullover in den neuen Wind, die Trainerin nimmt erneut seine Daten auf. War ja alles schon gelöscht.

Mitten im Gespräch entspringt ihr eine flammende Rede über Würde und Selbstachtung. Sie ahnt, dass die Probleme des Krusenstern bald auch die ihren sein werden.

Adam entwickelt seine Strategie zur Würdebewahrung, reicht die innere Kündigung ein und geht auf Sabotagemission am Betriebsklima. Auch übt er schon mal Fiesigkeit am schwächsten Glied der Kette, alles natürlich präzise abgehört von Sandors Spielzeugen. Dennoch will der ihn haben, für die Skeptiker-Rolle ist er die Idealbesetzung.

Schlussszene. Während Sandor von der Old-School-Vorstellung des Krusensternschen Meetings schwärmt und dieses am nächsten Tag mit seinem neuen Team als Retro-Kapitalismus zelebrieren will und die Personaltrainerin plötzlich nicht mehr gebraucht wird („Danke, wir melden uns“), verschwindet der Personalchef vollumfänglich in Krusensterns Gesäß.

Davon unangenehm aufgestoßen, steht Adam die ganze Absurdität der Situation plötzlich klar vor Augen. Was ist die Ermordung eines Mannes gegen dessen Weiterbeschäftigung? Er geht ab, ob er den Personalchef vorher noch ausscheidet, ist nicht zu erkennen. Den Dank, Firma, begehr ich nicht.

Game over.

Wie kommen Menschen mit den immer schnelleren Veränderungen in der Arbeitswelt zurecht? Wie agieren Menschen in Systemen, die sie nicht mehr verstehen? Wie reagieren Menschen auf die Tatsache, dass man sie als nicht mehr brauchbar einschätzt? Wie fühlen Menschen, die heute noch Vollstrecker und morgen schon Aussortierter sind? Wie gehen Menschen mit Macht um?

Alle diese Fragen werden angerissen in Hübners Stück, logisch, dass sie nicht komplett beantwortet werden können. Aber er bereichert damit eine Diskussion über mindestens zwei Zukunftsthemen, nämlich der von Personalchefs gerne so genannten „Sicherung der Beschäftigungsfähigkeit älterer Arbeitnehmer“ (welche inzwischen bei Mitte Vierzig beginnen) und ganz nebenbei auch zur Relevanz von virtuellen Werten in der Ökonomie. Die Gegenpole Sandor und Krusenstern (alle anderen Figuren sind nur Mittel zum Zweck) repräsentieren die alte und die neue Welt, wobei das Neue nicht unbedingt gut sein muss, nur weil es das Neue ist. Irgendeiner muss den Jungen auch erklären, dass ein Geldschein nicht größer wird, wenn man mit der bekannten I-Geste zwei Finger auf ihm spreizt.

Ich habe zahlreiche nachdenkliche Gesichter nach draußen gehen sehen, unter den meisten waren Krawatten befestigt. Der nächste Tag wird ein Montag sein, da wird Vielen Vieles bekannt vorkommen.

Nach „Frau Müller muss weg“, jener Cash-Cow des Staatsschauspiels, wo es sehr präzise um den vergleichsweise beschränkten Bereich der Schullaufbahnwahl der lieben Kleinen ging, dreht Lutz Hübner jetzt ein größeres Rad, ist dabei aber ebenso genau in den Beobachtungen und hellsichtig in den Prophezeiungen. Man sollte das Stück (auch) auf Aktionärsversammlungen spielen.

Last but not least wie immer die Schauspieler:

Julia Keiling und Annedore Bauer als Gäste standen in den großen Pumps von Ina Piontek und vor allem Christine Hoppe, die die Premiere bestritten hatten. Frau Hoppe (auf deren baldige Wiederkehr sicher neben mir sehr viele hoffen) hatte ihre Personaltrainerin weiter nach vorne in der Wahrnehmung gebracht, Frau Bauer spielte zurückhaltender. Letzteres hilft sicher der Konzentration auf die beiden Antipoden, auch wenn die Ella in ihrer Ahnung, dass auch sie bald zu den Krusensterns gehören wird, eine sehr interessante Figur ist.

Thomas Eisen ist sehr präzise besetzt, eine Rolle wie für ihn gemacht, der er ohne Abstriche gerecht wird.

Christian Clauß in seiner ersten größeren Arbeit (noch als Student begonnen) sehr sehr authentisch, mit jeder Faser das verwöhnte Jüngelchen, dessen Spielzeug immer größer wird, dem man wegen seines wachen Interesses und seiner Begeisterungsfähigkeit aber nicht wirklich böse sein kann.

Der Krusenstern ist eine Figur, bei der man vorsichtig sein muss: Zu viele können da aus eigenem Erleben mitreden. Philipp Lux nimmt sich der Aufgabe in äußerst sensibler Weise an, er zeigt keine Karikatur, keinen Revoluzzer, auch kein Opfer, sondern einen Menschen, der die Welt um sich herum nicht mehr versteht und deshalb zweifelt, ob er noch dazu gehört. Bravo.

Ich las mit Freude, dass das Stück auch in dieser Saison auf dem Spielplan stehen wird. Also noch viel Zeit, um meiner Empfehlung zu folgen: Unbedingt ansehen!

Die Metaphernschlacht im böhmischen Wald

„Die Räuber“, Friedrich Schiller, in der Regie von Sebastian Baumgarten gesehen am 20. April 2012 im Staatsschauspiel Dresden

Aus Schillers Frühwerk wird in der Regie von Sebastian Baumgarten ein Franz-zentriertes, mit zeitgeschichtlichen Metaphern vollgeladenes Schauspiel. In einer grandiosen Bühne kämpfen die ungleichen Brüder um ihre Rolle im Leben und die Gunst des zweifelnden Vaters. Durch die besondere Heraushebung von Franz und Amalia gewinnt Baumgarten einen eigenen Blick auf die Geschichte, der allerdings von einem Zuviel an Bezügen und Zitaten wieder verstellt wird.

Es ist eher eine Opernausstattung, finde ich, Bühne und Kostüme lassen die Herkunft des Inszenierungsteams erahnen. Was ja nicht schlecht sein muss.

Begonnen wird mit einer fulminanten Überraschung: Der sechsfache Hausknecht verwirrt anfangs, bereichert aber dank seiner / ihrer animalischen Beweglichkeit das Bühnenspiel ungemein. Erstes Bravo.

Man kommt recht schnell zur Sache mit Franzens Intrige. Der alte Graf von Moor will den Einflüsterungen seines Zweitgeborenen, den er immer verachtete und ihn das auch spüren ließ (die klassische schwere Kindheit) aber noch nicht recht lauschen, zumal ihm mit der vorlesenden Schwiegertochter in spe Amalia Angenehmeres winkt. Ob man diese nun unbedingt aus „Emmanuelle“ vortragen lassen muss, sei dahingestellt.

Der Graf wurde diesmal von Albrecht Goette vom Blatt gespielt, Dieter Mann war erkrankt. Aber es war dennoch zu sehen, dass die eingeschmolzene Rolle eines (hierfür überqualifizierten) Gaststars nicht bedurft hätte. Die Handlung trugen andere Figuren.

Noch winkt der „böse“ Franz nach seinen Ausbrüchen verlegen ins Publikum. Das soll sich bald ändern.

Szenenwechsel. In einer Leipziger Drill-Station (Warum eigentlich? Hier folgt doch die Ursache der Wirkung?) erhält der „gute“ Karl den verhängnisvollen Brief, der seine Terroristenkarriere begründet. So weit, so plausibel.

Franz umwirbt derweil mit den Mitteln des Schwanensee die treue Amalia, die aber standhaft bleibt. Deren Figur (Sonja Beißwenger voll gefordert in der anspruchsvollen Rolle) ist stark aufgewertet im Stück, sie verkörpert das Reine und Gute und ist damit in der Unterzahl.

Dennoch hat die Welt sich umgedreht, nur ist der erste Platz in Vaters Herzen derzeit nicht vergeben. Karl muss endgültig weg, das ist klar, und doch will Franz es nicht gern selbst getan haben. Der Plan muss nochmal in die Intrigenschmiede.

Franz als armer Tor? Im Spielplan verrutscht? Auch schön, Faust hatten wir lange nicht am Hause.

Gesucht wird nun ein Werkzeug, ein Pferd aus Troja, um des Vaters Herz zu stürmen. Der Zombie Hermann (muss ich wohl nochmal nachlesen) steht bereit. Zwar glaubt der Alte die Geschichte vom heldenhaften Ableben seines gefühlt einzigen Sohnes, mobbt Franz aber weiter. Und am Tode des armen Karl will er nicht schuld gewesen sein, erst recht nicht Franz, der nur mal kurz Hände waschen muss.

Nun hacken fünf Zwerge Holz im Takt zu Melodien aus Winnetou. (Ja, ich weiß, das Bild soll ein anderes sein, aber das hier ist ja mein Bild) Über den seltsamen Auftritt der Nonnen breiten wir den Mantel des Schweigens. Der Räuber, Brandschatzer und GEZ-Betrüger Karl von Moor wandelte sich wohl zwischenzeitlich zum Stülpner Karl oder allgemeinverständlich zum Robin Hood. Dann sind es sieben, die nach getaner Räuberarbeit friedlich das Abendessen einnehmen, kalorienarm und alkoholfrei. Nur ein Schneewittchen fehlt zum Idyll.

Der alte Mordbube Schufterle muss gehen, er passt nicht mehr zum gelifteten Markenauftritt. Allein, es ist zu spät, die Bande ist umzingelt. Karl ist fortan für die Durchhalteparolen zuständig, und da keiner der Genossen den Chef ausliefern will, kommt es bald zum großen Showdown. Aber erstmal ist Pause.

In der Vermutung, einen erholten Zuschauer vorzufinden, lässt Regisseur Baumgarten dann aus allen Rohren Metaphern in die Menge feuern.

Wir ertragen eine Grundsatzrede des Franz mit den üblichen Versatzstücken. Damit man es auch nicht falsch einordnet, gibt es Bilder von brennenden Büchern und Reichstagen dazu. Aha. Die lauwarme Symbolik des 33-45-89 ist ein erstes Buh wert.

Das zweite gibt es für das simple Bild mit Kampftrommeln und Runenschrift, das allein durch Lautstärke imponiert.

Irgendwann in der ersten Halbzeit wurde der Kapitän ausgewechselt, sprich Graf von Moor ging von uns. Ich gestehe, ich hab es nicht mitbekommen. Jedenfalls steigt jener wieder aus der Gruft und verleitet Amalia zu einer seltsamen Sprecharie. Der mit sauteuren Rosen auf der Szene erscheinenden Franz erhält von ihr mit ebenjenen eine ordentliche Tracht Prügel. Dann wird’s aber unappetitlich. Für alles zusammen Buh Nummer Drei.

Zurück im Wald, Karl ist den Häschern wie auch immer mit geringen Verlusten entronnen. Was den böhmischen Recken nicht glückte, gelingt dann aber einem Paterchen mit einer rührenden Geschichte, die Karl verdammt an die eigene erinnert. Spontan beschließt er, gen Franken, nach Hause zu ziehen.

Eh es untergeht: Das Bühnenbild ist eine wundersame Allzweckkonstruktion, die gefühlt ein Dutzend Szenenbilder ermöglicht. Bravo Zwo ist fast zuwenig des Lobes.

Jenes Bühnenbild muss dann auch irgendwie Afrika abbilden. Hm. Das wird schon alles seinen Sinn haben.

Die Wiederbegegnung mit Amalia findet teil-inkognito mit Karl als Großwildjäger statt. Dann gibt es noch eine angedeutete Titanic-Bug-Szene, ist ja grad Jahrestag. Ich ahne, das nimmt kein gutes Ende.

Zumindest für Spiegelberg, den Vize der Räuberkompanie, tritt dies schnell ein. Seine eigene Meuterei überlebt er nicht. Die Kameraden sind treu wie … ich kenn mich da nicht so aus.

Franz hat offenbar auch eine Farm in Afrika. Aber das bekommt ihm nicht, er wird vor Angst fast wahnsinnig und klärt vorsichtshalber seine Beziehung zur Religion. Richtig weiter bringt ihn das nicht, er bringt sich aus Angst vor dem Tode um. Offiziell heißt das „er richtete sich selbst“, in praxi versaut er erst seine Unterwäsche und haucht nachher recht unspektakulär sein Leben aus. Franz Moor hat seine Schuldigkeit getan, er kann vergehen.

In der Folge setzt ein Massensterben ein, das Geschehen wird unübersichtlich. Der Schweizer ist offenbar eher ein Samurai, Amalia leistet ihren Beitrag zum Thema „Sterbehilfe“, einige andere werden auch noch vermisst. Man weiß nicht recht, wer am Ende noch am Leben ist, aber zum Schlussapplaus sind alle wieder da.

Ist das zu albern? Mag sein, aber mit dem Ausflug nach Afrika ging mir die Ernsthaftigkeit flöten, tut mir leid.

Die unfreiwillige Krönung: Der fiese Räuber Namenlos wird zum Geburtshelfer und nimmt das Kindlein der sterbenden Amalia, nun ja, entgegen. Die angedeutete Entbindung der A. verdient den Peinlichkeitspreis 1. Klasse. Am Nabelschnürchen.

Der alte Moor vergeht nicht und lebet ewiglich, lernen wir in der Schlussszene. Sogar mit neuer Amalia. Aber nun kann uns nichts mehr erschüttern. Ende, der Applaus herzlich, aber nicht so üppig wie gewohnt.

Zu zwei Hauptdarstellern ist noch nichts gesagt worden: Matthias Reichwald hat den ihm gelassenen Raum meist genutzt, die Motive von Karl traten aber nicht so klar zutage, wie ich es mir gewünscht hätte. Das ist aber vor allem eine Frage der Regie.

Wolfgang Michalek war unbestritten der Star des Abends, der die Szenerie dominierte. Die Monologe waren grandios, im Spiel mit den anderen blieb er aber seltsam blass. Dennoch eine hervorragende Leistung.

Nein, es war nicht so, dass ich nur „böhmische Wälder“ verstand, wie Amalia so hübsch sagte. Es ist auch nicht so, dass mir das Stück gar nicht gefallen hätte. Ich hatte mir nur mehr versprochen.

„Die Räuber“ sind Allgemeingut am Theater, selbst ich hab schon drei Inszenierungen davon gesehen. Es ist sicher schwer, noch etwas Neues hineinzuinterpretieren. Aber willkürlich die Zeitgeschichte ins Stück zu pressen, reim dich oder ich fress dich, kann es auch nicht sein. Weniger wär hier mehr gewesen.

Übrigens, auch mal interessant: Vergleichende Rezensionsstudien.

Was sonst nur die Presseabteilung für die hauseigene Wandzeitung macht, hab ich für den Privatgebrauch getan (nein, ich hab nicht abgeschrieben oben, höchstens ganz wenig, und wenn überhaupt, dann nicht mit Absicht).

Erfreulicherweise wird unser Viertelprovinz-Theater immer öfter überregional wahrgenommen, und der Name Baumgarten ist stets für einen Skandal gut. Trotzdem gab es außer den drei üblichen Verdächtigen (SächsZ, DNN und nachtkritik.de) bis dato nur eine Besprechung in der Frankfurter Rundschau (wortgleich in der Berliner Zeitung) und eine in der Freien Presse aus Chemnitz, die ich fand.

Einig sind sich alle, ein opulentes Werk gesehen zu haben und finden Begriffe wie Schauspiel- bzw. Ton-, Musik- und Bildergemälde, Gesamtkunstwerk oder Deutschland-Installation. Allerdings werden auch Bezeichnungen wie inszenatorischer Budenzauber, Symbolwald oder Mammutabend verwendet, die das Unbehagen über ein Zuviel an Metaphern ausdrücken.

JedeR RezensentIn ergeht sich in Lobpreisungen von Wolfgang Michalek, hier soll nur die schönste wiederholt werden: „Er ist ein Böser, der in jedem Moment anders böse ist“. Wirklich unbestritten ist das ein Michalek-Abend, dem allerdings zu Gute kommt, dass das Stück von Regie und Dramaturgie konsequent auf Franz Moor ausgerichtet wurde.

Alle anderen Darsteller laufen mit einem respektvollem Abstand ein, auch der sonst hochgeschätzte Matthias Reichwald und Alt- und Gaststar Dieter Mann. Lediglich die FR sieht Sonja Beißwenger als Amalia auf Augenhöhe und erkennt Facetten, die den Kollegen offenbar verborgen blieben.

Das Gesamturteil der Rezensenten liegt dicht beisammen. Einig ist man sich, dass man immer noch einen Schiller sah (was nicht selbstverständlich sein soll), dessen Vorlage dramaturgisch geschickt in Richtung Franz gedreht wurde. Die aktuellen Bezüge waren nicht immer schlüssig, die Menge an Bezügen und Anspielungen drückte die Handlung teilweise beiseite. Gewisse Längen nach der Pause bemerkten drei der Schreiber, mit der Dauer von immerhin drei Stunden waren alle nicht recht glücklich.

Dennoch ging keiner unzufrieden nach Hause, man sah ein interessantes, diskussionswürdiges Stück und zum Teil erstklassige Schauspielerleistungen.

Tja, wenn man also genug Rezensionen nebeneinander legt und noch die eigene laienhafte Meinung hinzu nimmt, kriegt man fast ein objektives Bild, oder?

Egal, ob Objektivität oder qualifizierte Subjektivität: Ich empfehle hinzugehen und sich selbst ein Bild zu machen. Das nächste Mal .. siehe Spielplan. In diesem Theater.