Der Himmel ist unteilbar
„Der geteilte Himmel“ nach Christa Wolf in der Regie von Tilman Köhler, für die Bühne bearbeitet von ihm und Felicitas Zürcher, gesehen am 19. Januar 2013 im Staatsschauspiel Dresden (94. Premiere n.u.S.)
Ich nehme es vorweg: Schon lang nicht mehr hat mich ein Stück derart angerührt und begeistert.
Die Geschichte nachzuerzählen, ist in diesem Landstrich wohl eher albern. Ich beschränke mich auf einige Schlaglichter.
Zuerst die Bühne (Karoly Risz): Mal hängt der Himmel ganz tief, mal lässt er etwas Luft zum Atmen. Dann wird der feste Boden unter den Füßen plötzlich schräg und schräger, die Protagonisten haben Mühe, sich zu halten. Ein sparsamer Videoeinsatz (Michael Gööck) ergänzt dies kongenial.
Die Musik (Jörg-Martin Wagner): Eine einzige Geige auf der Bühne, gespielt von Maria Stosiek, ersetzte ein ganzes Orchester. Großartig.
Klug ausgewählte Kostüme (Susanne Uhl) setzen ihre eigenen Höhepunkte.
Schon der Prolog ist ein kluger Schachzug: Mit Texten u.a. aus „Stadt der Engel“ wird das Thema in die Zeiten eingeordnet. Dies bleibt aber die einzige Aktualisierung, ansonsten erleben wir die Handlung im Wechselspiel zwischen Ritas Krankenhausaufenthalt und dem eigentlichen Geschehen.
Die dramaturgische Idee, Rita in drei Personen aufzuteilen, eine vor und eine nach „dem Anschlag auf sich selbst“ und eine, die sich viel später daran erinnert, ist der Grundstock der Inszenierung. Und was für einer! Man kann Felicitas Zürcher dazu nur beglückwünschen.
Aber die Abgrenzung ist kein Dogma, die Ritas werfen sich die Bälle zu, wenn es um das Erzählen der Geschichte geht.
Überhaupt: Eine elegante, zum Teil indirekte Behandlung des Stoffes durch die Schauspieler bringt den Roman zum Klingen auf der Bühne.
Albrecht Goette, Ahmad Mesgarha und Philipp Lux brillieren in verschiedenen Rollen, sind mal Arbeiter, mal Chemiker, mal Familie. Hannelore Koch merkt man die Identifikation mit der älteren Rita deutlich an, und auch als Frau Herrfurth ist sie überzeugend.
Annika Schilling spielt die kranke Rita, den Punkt, von dem aus sich die Geschichte letztlich aufbaut. In ihrer letzten größeren Arbeit in Dresden (Gott sei es geklagt) setzt sie wiederum ein Glanzlicht. Wir werden sie vermissen.
Ich gebe zu, ich bin ein Fan von Matthias Reichwald. Dessen unprätentiöse, aber unglaublich energiegeladene Spielweise hab ich noch in jeder Rolle bewundert. Auch diesmal war er ein Ereignis.
Und, die größte Ehre zuletzt, Lea Ruckpaul. Ich gebe zu, ich war skeptisch, als ich sie auf den Plakaten sah. So jung und so eine Rolle …? Aber ich tue Buße: Diese Bühnenpräsenz, diese Klarheit im Ausdruck, diese Verletzlichkeit und Stärke … Die Nachricht, die sich auf den hinteren Programmheftseiten versteckte, ist nur folgerichtig: Ab der nächsten Saison gehört sie fest zum Ensemble.
Tilman Köhler als Regisseur gelingt es, dies alles zu einem Gesamtkunstwerk zusammenzufügen. Er ist – für mich – wieder auf dem Niveau der „Hl. Johanna“, auch wenn die Arbeiten dazwischen auch nicht schlecht waren.
Der Inhalt des Stückes bzw. des Romans? Ist doch schon tausendmal diskutiert und besprochen worden, ich wüsste nicht, was ich da hinzufügen könnte. Letztlich muss jeder selber sehen, wie er sich zu der Grundfrage des Textes stellt. In dieser Form tritt jene heute ohnehin nicht mehr auf. Oder gibt es noch eine Ideologie, für die es sich lohnt, eine Liebe scheitern zu lassen?
Bedaure, ich habe nichts zu bekritteln. Ein ganz großer Wurf.
Uns ist auch nix zum Meckern eingefallen … und das passiert selten.
Herzlichst, Will und Fritz