Getagged: höherer Blödsinn
Die Liebe und das Vaterland
„Vaterlandsliebe“ … Unlängst aus dem Touri-Geplapper an der Fähre herausgehört: „… mehr Angst als Vaterlandsliebe …“.
Ja, sicherlich. Ist ja auch nicht schwer.
Aber ein schönes Wort, diese „Vaterlandsliebe“. Bringt einen auf Gedanken.
Zunächst einmal würde ich das aus meiner Perspektive dem homosexuellen Spektrum zuordnen. An sich kein Problem, ich wollt es nur mal gesagt haben.
Gibt es dann auch eine Vaterlands-Jugendliebe? Und muss man nach dem ersten Mal gleich heiraten, weil sonst die großen Brüder böse sind?
Wie ist das mit dem Körperlichen? In meinem Verständnis – gut, rein subjektiv – gehört das ja doch irgendwie dazu? Ob nun dreimal täglich oder jeweils am Hochzeitstag, bleibt der Neigung und der körperlichen Verfassung überlassen, aber ganz ohne? Schwierig, um diese schöne neudeutsche Vokabel auch hier unterzubringen.
Wie äußert sich Vaterlandsliebe? Gedichte schreiben, ok. Und sonst?
Kann ein Mann mehrere Vaterländer gleichzeitig lieben? (Bei mir wärs neben dem Königreich Böhmen dann noch die Bunte Republik, aber das nur nebenbei.)
Und die Frauen? Stabile Zweierbeziehung? Vaterfigur fällt mir da ein, oder besser Vaterlandsfigurliebe. Oder Vaterfigurlandsliebe? Jedoch, allein wegen der Figur liebt man doch nicht?
Apropos, kann ein Vaterland auch fremd gehen? Und wenn ja, auf welchem Mutterboden?
Gibt es auch Dreiecksbeziehungen? Offene? Führt das zu diplomatischen Verwicklungen? Wird der Botschafter einbestellt? Wozu? Zur Vaterlandsliebe?
Wozu führt unglückliche Vaterlandsliebe? Zum Wahnsinn, wie sonst auch? Oder nur zur Staatenlosigkeit?
Und, ganz wichtig: Gibt es freie Vaterlandsliebe? Ist Europa so was Ähnliches? Und warum ist Arthur Schnitzler dann ein Schweizer?
Für die, die bis hier durchgehalten haben:
Vaterlandsliebesspiel. Vaterlandsliebesvorspiel. Mir fällt da nur die teutsche Nationalmannschaft (m/w) ein. Erst singen, dann spielen.
Kann man Vaterlandsliebe erzwingen? Von welcher Seite aus?
Hm.
Ich glaub, ich hab in Stabü nicht aufgepasst.
War das jetzt schon Sex?
In Dresden sind wir alle weltberühmt
Es gibt sicher niemanden (von der Familie Wettin mal abgesehen), der über die Tatsache, dass es derzeit im Freistaat Sachsen keinen König gibt, trauriger ist als die Unterhaltungsredaktion des Mitteldeutschen Rundfunks. Dem amtierenden Freistaatsoberhaupt merkt man seine Abstammung von sorbischen Ackerbürgern leider dann doch an, der Glamourfaktor ist vernachlässigbar.
Schmerzlich bewusst wird uns dieses bei Gelegenheiten wie dem nach eigener Aussage bedeutendsten deutschen Ball (wie misst man das eigentlich?): dem SemperOpernball. Seit 2006 wird diese Festivität vom Verein „Semper OpernBall e.V.“ zelebriert, es ist also eine private Veranstaltung, was gern vergessen wird. Kopf des Vereins ist der in Dresden gut bekannte Hans-Joachim Frey, bis 2007 Operndirektor am Hause. Sein weiteres Wirken als Intendant am Theater Bremen war nicht von Glück begleitet, nach dem Versenken von 2,5 Mio. Euro nahm er dort 2010 den Hut.
Besser läuft da schon der Dresdner Opernball, hier ist man dankbar für jeden Hauch der großen weiten Welt, auch wenn man nicht immer ein glückliches Händchen mit seinen Stargästen hat. Jene werden durch die Verleihung eines absonderlichen Preises (seit 2010 „St. Georgs Orden“) angelockt, auf welchem der Hl. Georg zu Pferde sowie der Sinnspruch „Gegen den Strom“ (lateinisch, damit es nicht so peinlich ist) zu sehen sind. Den haben inzwischen so bekannte Gegen-den-Strom-Schwimmer wie Kurt Biedenkopf, Henry Maske, Roman Herzog und – das ist sicher bekannt – Wladimir der Demokratische erhalten, auch Michael Jackson, ja, kleiner hammer’s nicht. Jener konnte sich allerdings nicht mehr wehren, der Preis wurde ihm posthum hinterhergeworfen, eine seiner zahlreichen Schwestern vertrat ihn würdig.
„Herausragende Persönlichkeiten, die sich um Deutschland … und um Sachsen verdient gemacht haben“ werden ausgezeichnet. Interessanter Denksport, was wohl Roger Moore und Ornella Muti da zu bieten haben. Auch bei José Carreras fällt mir nicht gleich was ein, bei Putin ist die Sache allerdings klar: Schließlich hat er einige Jahre in Dresden für Ruhe und Ordnung gesorgt.
Noch eine Nörgelei gefällig? Genau zwei der fünfundzwanzig bisher Bedachten waren Frauen (und sind es vermutlich immer noch). Das erreicht bestes CSU-Niveau, und wenn das Verhältnis im Parkett ähnlich aussähe, müssten sich doch viele Männer bunte Tücher um den Arm binden und sich dann Mühe geben, nicht zu führen beim Walzer. Aber das tun sie ja meist ohnehin nicht.
Aber, wie schon gesagt: Es ist eine private Veranstaltung, es ist auch ein privater Preis, und seine Jodeldiplome kann jeder verleihen, an wen er möchte. Eigentlich.
Nun ist es aber so, dass dieser Ball durch die Anwesenheit des und durch die Eröffnung durch den sächsischen Ministerpräsidenten eine quasi-staatliche Bedeutung erhält. Auch schritten bereits eine Reihe von Bundespräsidenten den roten Teppich entlang, zuletzt Herr Wulff, und heuer ist „Berlin“ mit Peter Ramsauer vertreten, der bestimmt auch irgendwie zuständig ist und sein stählernes Lächeln mitgebracht hat.
Warum diese Vorrede? Weil es Dresden bzw. der Ballveranstalter wieder mal geschafft haben, mit dem Arsch ins Fettfass zu plumpsen. Selbst bis ins provinzielle Dresden sollte es sich herumgesprochen haben, dass jener Monsieur Depardieu, den man als Star- und Überraschungsgast gewonnen hat, derzeit eine kleinere steuerliche Auseinandersetzung mit seinem Geburtsland Frankreich hat und deswegen sozusagen fiskalisches Asyl bei einem vorherigen Preisträger beantragte. Dies ist mitnichten seine Privatsache, wenn ihm sogleich dieser Orden an den aufgedunsenen Leib geheftet wird. Und war da nicht eben noch was mit 50 Jahre Elysée-Vertrag? Gut, die Feiern sind vorbei, da wollen wir mal wieder Francois ein bisschen ärgern. Fingerspitzengefühl in Dresden und Berlin? Haben wir gar nicht nötig.
Ich hoffe sehr, dass jetzt M. Hollande Christian Wulff zum Ritter der Ehrenlegion ernennt, dann wären wir quitt.
Aber mit diesen abwegigen Gedanken werden sich die Gäste in und vor der Semperoper nicht plagen. Man muss anerkennen, dass das Management recht clever ist: Das Ding mit den Elefanten war nicht mehr zu kontrollieren, man weiß ja, wozu diese Tierschützer fähig sind, nöch? Das hätte hässliche Bilder gegeben, selbst der MDR hätte nicht drumrum filmen können. Also kurzfristig gecancelt, Respekt.
Wirtschaftlich brummt das Ding offenbar, die Karten scheinen alle weg zu sein, bei Preisen von 1.900 Euro bis runter zu 250 Euro (2. Klasse, Stehplatz) nicht unbedingt selbstverständlich. Wie viele werden die Karten wohl selbst bezahlt haben?
Man darf dabei durchaus fragen, ob es zu den Aufgaben des MP gehört, private Feiern zu eröffnen. Und selbst wenn – was ich in diesem Fall noch nachvollziehen kann – wäre der Preis für die Eintrittskarten für ihn und Frau Gemahlin doch als geldwerter Vorteil zu versteuern, wenn den der Freistaat bezahlt hat? Oder gab es gar keine Rechnung? Dann wär es Vorteilsnahme. Auweia, wenn das jemand liest …
Bei Herrn Bundesminister kann mir niemand glaubhaft machen, dass er „Verkehr, Bau und Stadtentwicklung“ an diesem Abend wesentlich voranbringt. Aber vielleicht hat ihn Frau Merkel geschickt, um oben genannten Fauxpas auch bundesamtlich zu beglaubigen. Dann wäre er aus Gründen der Staatsräson da.
Die übrigen Gäste sind klug ausgewählt. Herr Ballack kann seinen Werbe-Marktwert etwas aufpolieren, was sicher nur noch im Osten funktioniert, Herr Winterkorn lässt sich feiern, dass er in Sachsen weiter Autos bauen lässt und das Piech-Denkmal am Großen Garten nicht schleift, M. Juncker holt sich seinen ihm zustehenden Orden und dankt schon im Voraus auf der Website artig, wenn auch inhaltlich etwas schräg. Und Lauterbach lässt sich von seinem Zwilling im Geiste namens Ochsenknecht lobhudeln, im nächsten Jahr erleben wir das Traumpaar des schlechten Geschmacks vielleicht andersrum.
Zu Gerard Depardieu fällt mir noch ein, dass es in den Technischen Sammlungen am 4. und 5. April „Die letzte Metro“ gibt, ein Meisterwerk von Truffaut mit Catherine Deneuve und ebenjenem Spätverblödeten.
Prinzipiell, liebe Leser, hab ich nichts gegen sowas wie Opernbälle. Es soll doch jeder nach seiner Facon selig werden. Solange die freistaatliche Semperoper nicht auf den Kosten sitzenbleibt und den Einnahmeausfall (immerhin blockiert der Ball vier Tage lang das Haus) ersetzt bekommt, sollnse doch machen. Die Polizei tritt leider wie sonst auch kostenlos an, wenn auch nicht umsonst. Und die DVB wird ja wohl die Umleitungsaufwendungen in Rechnung stellen.
Auch die wirtschaftlichen Aspekte sind sicher nicht zu unterschätzen, grade im hochpreisigen Segment. Und die Arbeitsplätze in diesen Tagen. Und der Imagefaktor … Jaja.
Aber man kann sich ja trotzdem drüber lustig machen.
Zum Beispiel über die Bedeutungshuberei der Medien. Bei den bunten Blättern kann man das verstehen, das ist ja ihr Kerngeschäft, aber das vermeintlich rationale Zeitungen an der Spitze der Bewegung stehen, ist schon seltsam. Die SächsZ hat einen Twitterkanal geschalten und berichtet alles, was ihr so auf- und einfällt. Frau Derek ist ohne Mann da! Ich überlege kurz, doch noch hinzufahren. Und entscheide mich positiv. Mal sehen, was da so für Leute sind.
Es nieselt, manchmal schüttet es auch.
Die üblichen Verdächtigen schlurfen durch ein schmales Spalier von Schaulustigen und durchs Foyer, sicher steckt eine ausgeklügelte Logistik dahinter, die Hackordnung zu beachten und jedem Sternchen genug Aufmerksamkeitszeit zu schenken.
Zwar bin ich nicht im Besitz eines Fernsehgerätes, könnte mir also später nicht mal in einem Maso-Anfall den Rest der vierstündigen Hofberichterstattung des MDR ansehen. Aber ich erlebe die erste Stunde live mit und kann mir gut vorstellen, was noch kommt.
Witzig ist das, was auf dem Theaterplatz stattfindet. „SemperOpenairball“, auf so einen Namen muss man erstmal kommen.
Man kann dort: Sich langsam einregnen lassen, am Public Viewing vom Ballsaal teilnehmen, Bratwurst essen, den Jubelperser geben, mitgebrachten oder überteuerten Alkohol verzehren, die Aufstellung eines Weltrekords „wagen“ (nämlich dem Auf-glattem-Pflaster-so-tun-als-ob-man-Walzer-tanzt in einer noch nienienie dagewesenen ganz großen Gruppe), oder – Höhepunkt! – mit Gotthilf Fischer-Dübel und Roberto „Blacky“ Blanco ein Lied einüben! Es handelt sich dabei um das bekannte deutsche Volkslied „Moskau, Moskau“, womit wir erstens wieder bei Putin wären und zweitens endlich den Grund in diesem Meer von Schwachsinn erreicht haben, was mit dem neuen Text des Siegelschen Gassenhauers auch bewiesen wird.
Die genannten Herren zu kritisieren, gehört sich nicht. Schlimm genug, wenn man in diesem Alter noch arbeiten muss, zumal man sich sichtlich mit gerontotypischen Krankheiten rumschlägt. Ich bedecke diese Kadaver des Niveaus mit einem großen Tuch voller Barmherzigkeit und Milde.
Zwei euphorisierte Moderatoren auf der Bühne vor der Oper mühen sich nach Kräften, das doch ziemlich zahlreich erschienene Volk bei Laune zu halten, damit es seiner Hauptaufgabe nachkommen kann: Den Promis zuzujubeln. So wird auch ein schlichter Ballbeginn zu einem Ereignis, dass der Jahrtausendwende in nichts nachsteht.
So wie es Berufsbetroffene gibt, gibt es auch Berufsprominente. Einer, der dazu auf bestem Wege ist, wird vor das Mikrofon gezerrt. Michael Ballack ist solo da, Sensation! Und er will gar nicht tanzen! Das geht ja wohl gar nicht. „Ok, notfalls tanz ich mit meiner Mam“, hoffentlich hat das die Dame nicht gehört.
Flanierkarteninhaberinnen, aufgepasst. Hier geht was …
Wolfgang Stumph hat Geburtstag, na so ein Glück. Auch er darf sein Gesicht ins Fernsehen halten.
Auftritt Herr Tillich nebst Gattin. Völlig überraschend fällt die Reporterin über ihn her und fragt das Übliche. Nein, Herr Tillich, es gibt Sprechblasen, die nicht überall passen. „Mit der Unterstützung der Menschen hier draußen“ lässt sich ein Eröffnungswalzer nicht überstehen. Aber es wird schon gehn, ist ja nicht das erste Mal.
Ebenjene Menschen hier draußen sind äußerst gutwillig, machen brav alles, was die Moderatoren verlangen. Ihr da drin, wir hier draußen, das geht schon in Ordnung. Ein bisschen was vom Glanze fällt sicher ab.
Selbst das sturzdumme Liedchen wird mitgebrüllt und bejubelt, wenn es schon nichts mit dem Massenwalzerrekord werden sollte, zumindest den bei Peinlichkeit pro Quadratmeter haben wir erreicht.
Dann endlich ist es Neune. Emmer-wieder-Emmerlich eröffnet, das ist sein Parkett, hier ist er souverän. Das Girlie an seiner Seite kenn ich nicht, aber ein schönes Kleid hat sie an.
Einmarsch der Ehrengäste. Ballack zusammen mit Juncker, vielleicht geht ja auch da was. Frau Ferres und Herr Maschmeyer, ich überlege kurz, wie vielen hier draußen er wohl die Ersparnisse geleichtert hat. Waldi Hartmann, keine Feier ohne Meier, am Arm einen Ochsenknecht. Lauterbach gelackt wie immer, Bo Derek sieht von weitem noch recht frisch aus. Zum Schluss das Letzte: Ein früherer Sympathieträger namens Depardieu. Mon Dieu.
Dann gibt es ein bisschen Zirkus, wie vermeldet ohne Elefanten, was natürlich keiner erwähnt beim MDR.
Und nu? Eigentlich wollte ich bis halb Elf bleiben, wenn das Frischfleisch in den Saal gelassen wird. Aber was mach ich bis dahin? Die Laudatoren kann ich mir unmöglich anhören, ich würde auf dem Theaterplatz zur geistigen Revolution aufrufen müssen, was natürlich keiner befolgen würde bzw. könnte. Also kurzentschlossen Abmarsch. Feiert euren Ball doch alleene, ich hab genug gesehn.
Das Fazit:
Jedem Tierchen sein Pläsierchen. Aber nehmt Euch bitte nicht so wichtig.
Vielleicht schlachte ich ja doch mein Sparschwein und kauf mir im nächsten Jahr auch einen Logenplatz. In meinem Bekanntenkreis gibt es genug Damen, denen Kleider sehr gut stehen und die auf diese Festivität abfahren. Dann kann ich beim DressurTanzen der DebütantInnen zusehen (bestimmt lecker) und komm ins Fernsehen. Vielleicht kann ich auch einer anderen Dame weismachen, ein C-Promi zu sein, gibt ja genug Fernsehsender, die kann man unmöglich alle gucken.
Dann würde ich mir aber wünschen, dass diesmal der große Rainer Brüderle, unser Handtaschen-Berlusconi in der Pfälzer-Leberwurst-Edition, einen Preis bekommt. Verdient hätte er den mit Sicherheit.
Drüben (ich bin wieder auf der anderen Elbseite angelangt) ist das Festival der Irrelevanz nun in vollem Gange. Ich kann mir vorstellen, so nach Zwei kann es ganz nett dort sein. Naja, hier ist es auch schön.
Die fünf Anomalien des Autofahrers
In meinen gut vier Jahrzehnten als Verkehrsteilnehmer ist mir ein Sachverhalt immer wieder bewusst geworden, den ich anfangs nur ahnte, letztlich mit langjähriger Feldforschung und einigen Selbstversuchen vorgestern endlich endgültig verifizieren konnte:
Der Autofahrer unterscheidet sich vom normalen Menschen durch einige Anomalien, genauer gesagt durch Stücker fünf an der Zahl. Diese sollen im Folgenden kurz skizziert werden.
A1 (um hier einen Fachterminus zu verwenden):
Bewusstseinsübergang vom Fahrer zum Fahrzeug
Im Ergebnis kann der Fahrer die Körperlichkeiten beider Ob- bzw. Subjekte nicht mehr sauber trennen, es kommt dann zu dem schönen Satz „Ich steh dahinten“. Von anderen Transportmitteln ist dies bisher nicht bekannt, weder bei Kreuzfahrtschiffen, Bollerwagen, Fahrrädern oder Pferden liegen entsprechende Augenzeugenberichte vor. Ob der Bewusstseinsübergang auch bei LKW und Motorrädern stattfindet, ist in der Fachwelt noch umstritten.
A2:
Übertragung der Hygieneregeln vom Fahrer auf das Fahrzeug
Diese eng mit A1 verwandte Anomalie führt dazu, dass der Fahrer seine eigenen Körperpflegerituale auch an seinem Fahrzeug ausführt. Gern wird dies im traditionellen Fahrzeugpflegergewand vollzogen, das aus einem ehemals weißen Feinrippunterhemd, einer zerschlissenen Jogginghose in Schockfarben (wichtig sind dabei die großen Beulen an den Knien) und strassentauglichen Pantoffeln besteht. Profis tragen dazu noch ein Käppi mit der im Besitz befindlichen Automarke, um nicht versehentlich den falschen Wagen zu putzen.
Es sind auch Fälle einer vollständigen, also restlosen Übertragung des eigenen Reinigungsbedürfnisses auf das Fahrzeug bekannt, bzw. es wurden solche ruchbar.
A3:
Persönlichkeitsspaltung am Steuer
Die letzte der intrarelationalen Anomalien beschreibt die Verwandlung eines an sich friedfertigen Menschens in einen überreizten Fluchkanonier, der seine Umwelt generell als feindlich betrachtet, sobald er ein Lenkrad umfasst. Hier steht die Wissenschaft noch ganz am Anfang, eine Arbeitshypothese geht von einem doppelt asymptotischen Zusammenhang zwischen dem Verhalten außerhalb und innerhalb des Fahrzeugs aus, d.h., beide Alltagsextreme (lammfromm und bösartig) zeigen signifikant negative Verhaltensweisen im Verkehr, alle anderen sind irgendwie beherrschbar.
Über die Ursachen dieses Phänomens ist erst recht nichts bekannt, auch kennt man bislang kein Gegenmittel.
B1:
Krankhaft verändertes Rechtsempfinden
Hier handelt es sich um eine Anomalie in Bezug auf die (natürlich feindliche) Umwelt. Sie tritt oftmals in Verbindung mit A3 auf und führt beim Fahrer zum Grundgefühl, generell im Recht zu sein. Gern wird dies auch mit „eingebauter Vorfahrt“ beschrieben, vor allem bei Fahrzeugen mit höherem Kraftstoffverbrauch. Der davon Befallene nimmt Verkehrszeichen und Ampeln nur dann wahr, wenn sie ihn in Vorteil setzen.
Sollte sich das Problem nicht kurzfristig von selbst erledigen, erzielt man gute Therapieerfolge mit der Verschreibung von Kleinwagen oder bei schweren Fällen mit der Versetzung in den einstweiligen Fußgängerstatus.
B2:
Selektive Wahrnehmung von Verkehrsteilnehmern
Diese Anomalie ist inzwischen so weit verbreitet, dass die Fachwelt sich streitet, ob sie überhaupt noch als solche bezeichnet werden kann.
Sie bezeichnet das Vermögen von Autofahrern, durch nichtmotorisierte Strassenpartner einfach hindurchzusehen. Gut beobachten lässt sich dies an Einmündungen unterrangiger Strassen (wer nicht gesehen wird, kann auch kein Vorrecht haben) oder beim beliebten Parken vor abgesenkten Bordsteinen. Da ersteres inzwischen zum guten Ton gehört, verzichten viele Fußgänger und Radfahrer inzwischen auf die Ausübung ihres Vorrangs und tragen damit dazu bei, diese Anomalie in eine gesellschaftlich anerkannte Verhaltensweise zu überführen.
Das Vorstehende kann natürlich nur der allererste Einstieg in eine breit angelegte, interdisziplinäre Forschung sein. Neben der notwendigen weiteren Befassung mit den Grundlagen (eventuell sind sogar weitere Anomalien zu entdecken) gibt es zahlreiche Einzelfragen, die einer wissenschaftlichen Bearbeitung bedürfen. Exemplarisch seien genannt:
- Aus welchem Missverständnis speist sich das oftmals angenommene Menschenrecht auf kostenloses Parken vor der eigenen Haustür?
- Warum kauft jemand Pseudo-Geländewagen, wenn er doch maximal Bordsteine überfährt?
- Was führt zur generellen Ignorierung von Geschwindigkeitsvorgaben bei ansonsten kreuzbraven Bürgern?
- Gibt es einen Zusammenhang zwischen dem Selbstbewusstsein des Fahrzeughalters (oder ggf. von körperlichen Ausprägungen) und der Leistungsstärke seines Fahrzeugs?
- usw.
Also ein weites, dankbares Feld, ihr jungen Forscher und -innen. Frischauf ans Werk, oder auch: Vollgas! Die Welt wird es euch einmal danken.
So war 2013 – ein vorauseilender Rückblick
Januar: Wegen eines Übermittlungsfehlers wird der geplante Parteiverbotsantrag versehentlich gegen die FDP gestellt. In der Vorprüfung wird allerdings so viel belastendes Material gefunden, dass die Bundeswehr erstmals im Inneren eingesetzt wird. Sämtliche Funktionäre der früheren „Liberalen“ werden durch sie eingesammelt und mittels der Costa Concordia nach Cuba verschifft.
Der FC Bayern wird im März zum Meister erklärt, da keiner mehr gegen ihn antreten will. Die Saison wird abgebrochen, die verbleibenden Spieltage werden für Deeskalationsseminare mit den Fans genutzt.
Am 1. April treten Ramsauer, Altmaier, Grube und Kretzschmann sowie Palmer gemeinsam in Schwäbisch Hall vor die kurzfristig eingeladene Weltpresse, sich an den Händen haltend. Während Grube erklärt, dass nach den jüngsten Berechnungen Stuttgart 21 am Ende sogar Geld übrig behielte, wenn man die Schadensersatzforderungen gegen die Demonstranten durchsetzen würde, lächelt Ramsauer stählern und gibt bekannt, das er die Lösung gefunden habe. Eigentlich seien es sogar zwei Lösungen: Der Bahnhof bleibt oben und in den Tunneln und Katakomben wird das dringend benötigte Endlager für Atommüll eingerichtet.
Altmaier nickt tapfer, Kretzschmann säuselt etwas von „fairem Kompromiss“ und Palmer sieht aus dem Fenster. Übrigens werde Herrn Dr. Kefer in beidseitigem Einvernehmen die Leitung der unterirdischen Anlagen (mit Präsenzpflicht) übertragen, schmunzelt Ramsauer noch vor den Schnittchen.
Der Flughafen BBI geht im Juli vorzeitig in Betrieb, allerdings nur für Segelflugzeuge. Eventuell wird in drei Jahren noch eine Nutzung als Frachtflughafen möglich sein. Die Politik zieht die lange erwarteten Konsequenzen: Die Sekretärin des Flughafenchefs sowie sein Pilot werden fristlos entlassen.
Im Sommer gibt es wieder sehr schöne Bilder von Angela in den Alpen zu sehen.
In Bayern wird im September nach einem erdrutschartigen Wahlsieg der Grünroten die nächste Räterepublik ausgerufen. Es kommt zur Konterrevolution, Garmisch-Partenkirchner Gebirgsjäger und Ammergauer Heckenschützen marschieren auf München, bleiben aber im Ferien-Rückreisestau stecken und werden zwischen den Toscana-Urlaubern aufgerieben.
Nachdem Seehofer zu den Grünen übergetreten ist, übernimmt er das neue Amt des Bairischen Generalpräsidenten, während Ude die Arbeit machen muss.
Nachdem man beim DFB einschätzt, dass sich an den Kräfteverhältnissen nichts geändert hat, verzichtet man auf die Austragung einer Fußball-Meisterschaft und ernennt den FC Bayern zum Meister. Begleitet wird dies durch eine gemeinsame Kampagne mit dem Familienministerium: „Samstags gehört Papi mir!“
Steinbrück wird mit klarer Mehrheit zum Bundeskanzler gewählt, tritt die Stelle aber nicht an. Man konnte sich nicht über das Gehalt einigen, munkelt man. Merkel bleibt somit vorerst kommissarisch im Amt.
Kurze Zeit später verleiht ihr Gauck den Titel auf Lebenszeit, woraufhin sie ihn zum Kaiser ausruft.
Zu Ehren beider und um die sieche Wirtschaft anzukurbeln, verzichtet das deutsche Volk auf Vorschlag von Papa Benedetto auf Weihnachten und arbeitet durch. Unentgeltlich, versteht sich.
Sonst war eigentlich nichts Besonderes.
Ehebruch und Kuckuckskind
Der wahre Kern der Weihnachtsgeschichte
Nicht nur zufällig, sondern auch ganz ohne Absicht wurde ich neulich mal wieder mit der Geschichte von Josef und Maria und „ihrem“ Kind konfrontiert. Nicht schlecht ausgedacht, der Autor hatte zweifellos Talent. In unserem Zeitalter, das später sicher mal nach Markus Söder benannt werden wird, sind jedoch einige Richtigstellungen unerlässlich.
Mit dem heute erreichten Stand der Wissenschaften kann man nämlich mit großer Sicherheit ausschließen, dass die Empfängnis der Maria gänzlich vegan, also fleischlos zustande kam. Auch war die Gentechnik damals weder erfunden noch erlaubt, intravenös scheidet damit auch aus.
Herr Gott (oder auch das Gott, wenn es beliebt) musste also die Sache selbst in die, nun ja, Hand nehmen und auf den Spuren des großen Kollegen Zeus wandeln.
In welcher Form er sich wohl der tugendhaften Gemahlin von Josef genähert hat? Vielleicht als Weihrauch? Und gab es damals schon „Kirche von hinten“? Egal.
Ich gönne jedem sein Späßle, aber es sei doch darauf hingewiesen, dass für diese Verfehlung heute ein einfacher Pfarrer seine Planstelle verliert. Ab einem gewissen Dienstrang wird der Ehebruch allerdings rückwirkend in eine Segnung umgewandelt.
Überhaupt, die Ehe. Wer denkt denn heute noch an den armen Josef? Welche Seelenqualen musste der erleiden mit seinen Hörnern? Was wohl die Kumpels in der Kneipe gesagt haben? Dass das Balg nicht seins war, musste ja irgendwann zu sehen sein.
Josef ist für mich der eigentliche Held der Geschichte und auch der Ahnherr aller Männergruppen.
Auch wegen der Erziehung des Kuckuckskinds. Was kann schlimmer sein, als wenn das pubertierende Wesen bei der traditionellen Tracht Prügel „du bist gar nicht mein Papa“ brüllt? Unschön für alle Beteiligten.
Wie oft derdiedas Gott wohl seinen Sohn gesehen hat? Die Rechtslage war ja damals eher unübersichtlich. Ging ersiees mit ihm in den Zoo? Oder hat die Arche Noah für Klein-Jesus bauen lassen? Manche Sonntags-Väter übertreiben ja gerne ein bisschen.
Und wie war das mit dem Unterhalt? Ganz unvermögend dürfte Gott ja nicht gewesen sein, ich hoffe, er ist seinen Pflichten auch nachgekommen.
Hatte Jesus eigentlich Geschwister? Wohl nicht. Gott hatte sicher anderes im Sinn inzwischen, und Josef war bestimmt der Appetit vergangen. Vielleicht hat er sich auch ganz seinen Kumpels zugewandt, hier schweigt die Bibel sich wie üblich aus.
Also ziemlich zerrüttete Verhältnisse, in denen der kleine Jesus da aufwuchs. Dass er später auf die schiefe Bahn geriet, eine Sekte gründete und die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährdete, muss uns nun nicht mehr wundern.
„Schön Feierabnd!“
Generell bin ich neustadtinduzierten Festivitäten gegenüber aufgeschlossen, aber es klappte leider nie bisher. Aber heute.
Seit Oktober gibt es dienstags die Feierabend-Party im Bärenzwinger, die winterliche Ersatzdroge zur Saloppe. Hab nur Gutes gehört bisher.
Ach, der Bärenzwinger. Zwiefache Wehmut umfasst mich, als ich rechtzeitig vor Neun, also kostenlos, das ehrwürdige Gemäuer betrete. In der großen Tonne hab ich oft den Gundermann gehört, bevor die Evangelisten den Club rausgeworfen haben, wofür sie in der Hölle schmoren werden. An der Garderobe musste der Letzte den Mädels immer Sekt spendieren, das ist mir auch ein paar Mal gelungen.
Der zweite Grund der Wehmut ist übrigens rein privat.
Nette Mädels gibt es immer noch, hinterm Tresen. Und die Eibauer Brauerei hat den Laden fest im Griff, sogar Zwickel gibt es vom Fass. Gut so.
Noch ein Lob: Die Wiener werden mit warmem Toast serviert. Wer das für selbstverständlich hält, kauft selten welche.
Der Laden füllt sich nur langsam, es schneit ja auch seit Tagen. Die Musik ist angemessen, sogar alte Tocotronic-Kracher kommen zur Aufführung. Einziger Mangel aus meiner Sicht: Alles sehr herrenlastig bisher.
Auf dem unvermeidlichen Großbildschirm flimmern Fotos vergangener Partys. Scheint richtig was losgewesen zu sein. Ach, ich war ewig nicht hier. Warum eigentlich?
Den Vorteil der Ersparnis von 5 Eu Eintritt (Studis 3) bezahle ich mit etwas Langeweile. Bilder von fröhlich-trunkenen Menschen sind auch nur eine gewisse Zeit unterhaltsam, zumal ich kein Schwein kenne, weder auf den Fotos noch im Saal. Auch die Musik wird anstrengend, Karat wollte ich eigentlich nie wieder hören. Ich warte, das was passiert.
Ein schönes Paar betritt den Raum und unmittelbar danach die Tanzfläche. Respekt, bei mir haben die vielen Tanzstunden leider gar nicht angeschlagen.
Die Musik findet mit „Teil einer Jugendbewegung“ zu alter Stärke zurück, scheucht aber leider das Paar von der Fläche. Tja. Ist leider nicht wirklich tanzbar, aber schööön.
Der DJ korrigiert seinen Fehler schnell.
El Norberto, der Partymeister, ärgert sich ein bisschen über die Weicheier beiderlei Geschlechts, die der harmlose Schnee vom Kommen abhält. Beim letzten Mal wären 120 Menschen dagewesen, versichert er glaubhaft. Zum Trost gibt’s Johannisbeerschnaps aufs Haus, von dem ich unverzüglich betrunken werde.
Qualm on the dancefloor? Feurio?! Nein, nur Depeche Mode – Beweihräucherung. Alle, die sich berufen fühlen, stürmen das Parkett, allein an Menschen fehlts im Revier, um den Faust auch hier unterzubringen (nächste Vorstellung übrigens am 17.12.).
Unmerklich fast füllt sich der Laden doch ein wenig. Die, die da sind, haben Spaß, so soll es sein. Für die anderen kann ich das nicht beurteilen. Am Bildschirm jetzt Impressionen von Echtermeyers legendären Straßenbahnpartys, hübsch anzusehen.
Wir Werktätigen wissen, was um halb Elf ist: Da werden wir müde. Bleiben aber trotzdem noch.
Und es lohnt sich: Eine Dame ist ihrer Kluft nach offenbar grad vom Hengst oder auch Wallach gestiegen, Prinz Charles wäre begeistert ob des knappen Dress. Die einschlägigen Scherze müssen leider unterbleiben, dieser Blog ist und bleibt jugendfrei.
„Boots are made for walking“, naja, geben wir dem Laden noch eine Bierlänge.
Dieselbige später hat sich die Lage nicht geändert: gute Stimmung, meist gute Musik, gutes Ambiente, gute Bar. Fünfzig Leute mehr, und die Sache wär perfekt. (Da hätten übrigens nur die Hälfte derer kommen müssen, die sich per Facebook angemeldet hatten, aber so ist das nunmal.)
Der Volkskorrespondent tritt den halbwegs geordneten Rückzug an, mit dem festen Entschluss, bei fairen Randbedingungen wiederzukommen. Die Feierabend-Party hat es verdient. Nächste Gelegenheit schon am 18.12., und dann am 8. und 22. Jänner, falls die Welt zuvor nicht abgeschaltet wird.
Die Verpieschung
(erstmals veröffentlicht in der „BRN ToGo“ 2012)
„Angst ist Pieschen“, wie der Tagesbefehl Nr. 2 im letzten Jahr so trefflich feststellte. Ja, zweifelsohne. Pieschen ist aber noch viel mehr, z. B. Stadtflucht, Gottlosigkeit, Hafenfest und … Hundescheiße.
In den letzten Jahren trennte uns hier in der Neustadt gottlob nicht nur das Hechtviertel vom Quartier mit der gefühlt höchsten Hundehaufendichte der Welt. Undurchdringlich wie die Berliner Mauer schützte es uns vor Zuwanderung und Bettelei.
Doch es scheint eine sog. Wende eingetreten zu sein, die Indizien sprechen eine klare Sprache. Begonnen hat es mit der Ansiedlung obskurer Kneipen, die man inhaltlich eher in der Vorstadt Richtung Leipzig verortet hätte. Diese bevölkerten sich schnell mit jenen, die die Pieschener Hymne „Kommt die Neustadt nicht zu mir, dann geh ich halt zu ihr“ allzu wörtlich genommen hatten.
Das wäre alles noch verkraftbar gewesen, ist die hiesige Population doch vom allwochenendlichen Einfall der Speckgürtel-Landeier hinreichend abgehärtet. Doch viele blieben und brachten ihre seltsamen Sitten und Bräuche sowie ihre Köter mit.
Und wie nun inzwischen auch in Köln der Muezzin zum Gebet ruft, zieht jetzt ein (mehr oder weniger) zarter Duft von Hundescheiße durch die Neustadt.
Das sei zunächst nur einmal festgestellt. Es mag Menschen geben, die sich in diesen Umständen wohlfühlen, und wir wollen hier auch niemanden diskriminieren (wenngleich die sprachliche Parallelität von Exkremente und diskriminieren beachtlich ist). Doch was soll nun werden, wenn eines der letzten Alleinstellungsmerkmale der Neustadt verloren geht und nur noch die höchste Kinderwagendichte (sh. auch Tagesbefehl Nr. 2) sowie die Europarekorde in Dönerläden, Shisha-Lounges und Friseuren übrig bleiben? Das Viertel wird ein Stadtteil von vielen, rutscht gar in Richtung Pieschen ab.
Dann ist Schluss mit lustig. Dann wird Ordnung gemacht. Ein Auszug aus dem geheimen Maßnahmenkatalog der Stadtplanung beweist es:
- Die Alaunstraße wird endlich wegen ihrer Umleitungsfunktion für die Königsbrücker auf eine verkehrsgerechte Vierstreifigkeit gebracht. Durch den notwendigen Abriss der linken Häuserzeile verbleibt sogar noch Platz für einen Fußweg.
- Die Scheune wird geschlossen, entkernt und als Turnhalle wiedereröffnet. Der gewonnene Platz im Neubau wird zur Anlage zweier weiterer Parkdecks genutzt. Dieses Gebäude ist zwar nun nicht mehr direkt eine Turnhalle, aber trotzdem schön, wenn man der FDP glauben darf.
- Die BRN wird nach Cristiana verkauft (BRN To Go berichtete) und das Geld für Wichtigeres eingesetzt. Ersatzweise findet nun das „Große Ganz-Spät-Frühlingsfest der Neustadt“ statt, unter der Schirmherrschaft der Damen Helmina und Diletta. Versehentlich wird es im ersten Jahr auf dem Theaterplatz organisiert und verbleibt in der Folge aus traditionellen Gründen da.
- Die Prießnitz wird angestaut und im Mündungsbereich mit einer Schleuse versehen. Nun hat die Neustadt auch einen Hafen, der sich unter Inanspruchnahme kleinerer Flächen zwischen Sebnitzer und Bischofsweg erstreckt. Der Hafenkommandant zieht ins ehem. Krasnewski-Museum, d. h. in die obere Etage und bekommt ein Dienstmotorboot. Die frühere Prießnitzstraße darf sich nun stolz „Gewässer III. Ordnung“ nennen.
- Das dringend benötigte innerviertelische Center wird ins Dreieck gebaut, das Louisen- und Görlitzer Straße bilden. Den betroffenen Händlern und Gastronomen werden Ausweichstandorte im Elbepark 3. Bauabschnitt angeboten. Oder in Pieschen.
- Um dem Viertel wieder etwas Prägendes zu verschaffen, zieht das Friedhofsamt in das ohnehin nicht mehr notwendige Stadtteilhaus ein.
- Zur Angleichung der Lebensverhältnisse in ganz Dresden wird das Elsa-Fenske-Heim in die Neustadt gelegt. Dazu werden die an der Rothenburger / Louisenstraße ansässigen Schulen geräumt. Da man nun die Turnhalle in der Scheune auch nicht mehr braucht, wird diese erneut geschlossen und als Mini-Center wiedereröffnet.
Damit dieser grausame Plan nicht Wirklichkeit wird, seid wachsam, Bürger, Bürgerinnen! Geht auf unsere Mitbürger zu und erklärt ihnen den Gebrauch der praktischen Beutel!
Bedenkt: Mit einem kleinen Haufen fängt es an, und bald ist alles im Arsch.
Rundum Wohlfühlen bei facebook: Bloß nichts Negatives! Bloß keinen verärgern!
I like it, ein Dutzend Male am Tag …
Jedes “Like” ein neues Zeichen an die Welt: Ja, ich bin noch da, spiel noch mit, habe eine (positive) Meinung. Ich „leike“ (im Folgenden bleibe ich bei dieser Variante), also bin ich, bin existent und wahrnehmbar.
Außerdem gibt es eine Erwartungshaltung. Bei manchen meiner facebook-Kumpel (über das Wort „Freund“ ist schon genug gelästert worden) habe ich den Eindruck, sie sind beleidigt, wenn ich auf einen ihrer Beiträge mal nicht systemkonform reagiere. Führen die Abhak-Listen? Oder gibt es inzwischen ein Tool bei facebook (gegen Zuzahlung natürlich), das das Abhaken übernimmt und Statusberichte sendet? „Teichelmauke hat drei deiner Posts gelesen, aber noch nicht geleikt“? Da hab ich wohl was verpasst.
Ich gebe zu, dass mir manchmal auch Sachen gefielen, die ich dann nicht geleikt habe. Vielleicht, weil ich den Autor generell nicht so leiken kann, vielleicht auch aus Neid, dass das nicht mir eingefallen war. Manchmal hab ich es auch schlicht vergessen.
Ja, auch den umgekehrten Fall hat es gegeben, meist weil ich der Autorin eine gewisse Leikheit entgegenbrachte, die sich eher weniger auf ihre belletristische Originalität bezog. So ein Leikchen in Ehren kann niemand verwehren …
Ob es je etwas nutzte, vermag ich nicht zu beurteilen. Auch hier gibt es kein ceteris paribus.
Lustig find ich jene Seiten, die mit dem Erreichen einer bestimmten Anzahl von Leiks eine Aussage verbinden, die dann zur Botschaft wird. Tausend Leiker können nicht irren? Oh doch.
Aber zumindest schaden solche Aktionen nicht und tragen auch nur ganz geringfügig zur Klimaerwärmung bei.
Leik und Leid liegen manchmal dicht beieinander. Was uns nachts noch leiklich schien, verursacht am Morgen danach dann doch Schmerzen. Da hilft nur, rückgängig machen und hoffen, dass es noch keiner gesehen hat.
Das Leik als Waffe des kleinen Users? Neinnein, dafür sein ist eher langweilig, das hatten wir früher in der Dadaer zur Genüge. Und der Umweg über das Leiken eines kritisches Postings auf der Seite der, sagen wir mal Kreissparkasse Pirna-Sebnitz scheitert meist an den Administratorrechten selbiger.
Wenn doch mal einer „Hau den Lukas“ schreibt und tausend Tapfere mitleiken, wird vielleicht der BND aktiv (falls es da Internet gibt), aber Minister Lukas hat das nicht mal in der Presseschau. Ein lauer Furz in einer Sommernacht …
Dies führt aber zur entscheidenden Frage: Warum gibt es eigentlich kein „Dislike“?
Weil das nicht dem Geschäftsmodell von facebook entspricht. Konfrontation ist zwar kurzzeitig unterhaltsam, vor allem für die Mitlesenden, führt dann aber doch zu negativen Gefühlen, kein gutes Umfeld für eine Werbebotschaft. Das muss man mit einem Button nicht noch erleichtern, die kritischen Texte werden ja zum Glück meist nur überflogen und schnell erlahmt auch die Aufmerksamkeit. Katzenbilder und Allerwelts-Sinnsprüche sind da gefälliger, irgendeiner leikt immer und schnell ist ein Dutzend beisammen fürs gute Gefühl.
Wat lernt uns dat? Nichts Wesentliches. Ich werde hier nicht zum Leikboykott aufrufen, ich kenne meine Grenzen. Es ist was es ist, sagt nicht nur die Liebe.
Und wir haben wahrlich andere Sorgen.
In diesem Sinne: Leik mei feier.
Vaterlandsliebe …
Unlängst aus dem Touri-Geplapper an der Fähre herausgehört: „… mehr Angst als Vaterlandsliebe …“.
Ja, sicherlich. Ist auch nicht schwer.
Aber ein schönes Wort, diese „Vaterlandsliebe“. Bringt einen auf Gedanken.
Zunächst einmal würde ich das aus meiner Perspektive dem homosexuellen Spektrum zuordnen. An sich kein Problem, ich wollt es nur mal gesagt haben.
Gibt es dann auch eine Vaterlands-Jugendliebe? Und muss man nach dem ersten Mal gleich heiraten, weil sonst die großen Brüder böse sind?
Wie ist das überhaupt mit dem Körperlichen? In meinem Verständnis – gut, rein subjektiv – gehört das ja doch irgendwie dazu? Ob nun dreimal täglich oder jeweils am Hochzeitstag, bleibt der Neigung und der körperlichen Verfassung überlassen, aber ganz ohne? Schwierig, um diese schöne neudeutsche Vokabel auch hier unterzubringen.
Wie äußert sich Vaterlandsliebe? Gedichte schreiben, ok. Und sonst?
Kann ein Mann mehrere Vaterländer gleichzeitig lieben? (Bei mir wärs neben dem Königreich Böhmen dann noch die Bunte Republik, aber das nur nebenbei.)
Und die Frauen? Stabile Zweierbeziehung? Vaterfigur fällt mir da ein, oder besser Vaterlandsfigurliebe. Oder Vaterfigurlandsliebe? Obgleich, allein wegen der Figur liebt man doch nicht?
Apropos, kann ein Vaterland auch fremd gehen? Und wenn ja, auf welchem Mutterboden?
Gibt es auch Dreiecksbeziehungen? Führt das zu diplomatischen Verwicklungen? Wird der Botschafter einbestellt? Wozu? Zur Vaterlandsliebe?
Wozu führt unglückliche Vaterlandsliebe? Zum Wahnsinn, wie sonst auch? Oder nur zur Staatenlosigkeit?
Und, ganz wichtig: Gibt es freie Vaterlandsliebe? Ist Europa so was Ähnliches? Und warum ist Arthur Schnitzler dann ein Schweizer?
Für die, die bis hier durchgehalten haben:
Vaterlandsliebesspiel. Vaterlandsliebesvorspiel. Mir fällt da nur die teutsche Nationalmannschaft (m/w) ein. Erst singen, dann, nun ja, spielen.
Kann man Vaterlandsliebe erzwingen? Von welcher Seite aus?
Hm.
Ich glaub, ich hab in Stabü nicht aufgepasst.
War das jetzt schon Sex?
Meine Nacht als Ü-Irgendwas
26.09.12
Ok, heute kann, heute muss es mal wieder sein. Allmittwochabendlich lädt eine renommierte Neustädter Garage zum Ball für die reifere Jugend. Heute auch mit mir.
Nach Mitternacht kommen ist Routine, vorher sind nur die Frühaufsteher da. Krachbumm-Musik like Rammstein wechselt mit Balkanpop, der Laden ist halb gefüllt, man amüsiert sich wie Bolle.
Militär ist heute kaum vorhanden und fehlt mir auch nicht. Ansonsten die üblichen Verdächtigen, ein paar versprengte Touristen und etwas Frischfleisch, das neugierig beäugt wird. Alles wie immer also.
Der Laden hat sich aufgehübscht seit ich das letzte Mal hier war. Coole Sessel vor Großportraits von Musikschaffenden, die meisten leider schon tot. Nett.
Duran Duran? Ach ja, ich vergaß, Ü-Haltbarkeitsdatum. Trotzdem auch mal wieder schön.
„Hit the road, Jack.“ Na, jetzt noch nicht. Das Publikum zerfällt grob in zwei Teile: Aus-Versehen-hierher-Geratene und Abonnenten. Letztere sind deutlich in der Überzahl. Wo gehör ich eigentlich dazu? Wie immer irgendwo dazwischen.
In the Name of Love, ja klar, deshalb sind wir hier. Ein tiefer Blick aus einsamen Augen, ich verbiete mir jedweden Zynismus. Aber ich kann sie heute nicht trösten.
Die Barmäuse sind mal wieder die Schönsten im Saal, da mag man sich auf der Tanzfläche noch so abstrampeln. Sie beeindrucken durch schlichte Präsenz.
Ach, den DJ kenn ich doch? Klar, sonnabends, Lofthouse, war ich früher auch mal. Die Musik ist jetzt rockig, was nicht unbedingt tanzbar bedeutet, zumindest wenn man noch nicht betrunken ist. Aber the Cranberries hör ich doch ganz gerne.
Ein Uhr, ich hab den Eindruck, alle eingeschmuggelten „U“ verlassen jetzt den Saal. Na gut, sind wir halt unter uns.
Der Genuss alkoholhaltiger Mixgetränke verführt mich dann auch zu halbwegs rhythmischen Bewegungen auf der angenehm übersichtlichen Tanzfläche. Der DJ haut mir allerdings umgehend mit AC/DC einen großen Knüppel zwischen die Beine. Da könnte ja jeder kommen.
Schneller als ich es erwartete finden sich die ersten Temporärpaare. Na gut, es ist mitten in der Woche, man muss vielleicht früh raus. Ich blicke dezent zur Seite und wünsch ihnen Glück.
Eigentlich hab ich alles gesehn, die Musik dümpelt auch irgendwie so dahin. Na gut, austrinken können wir ja noch.
Jetzt gibt es sogar Rock’n’Roll. Man bewegt sich irgendwie dazu, ich kenne meine Grenzen und bleib hocken.
Es reaggaet jetzt, naja, auch nicht so meins. Ein paar neue Menschen sind hinzugekommen, aber voll wird es dadurch nicht. Gut so, sag ich als User.
So, der Drink ist ausgedrinkt, kein Grund mehr zu bleiben. Der DJ macht den Abschied leicht.
Zum Abschied noch ein freundliches Lächeln mit den Reinlassern getauscht, „Rausschmeißer“ wär hier echt fehl am Platze, und ab. Bis zum nächsten Mal, irgendwann.
Der letzte Satz ist nicht logisch? Dochdoch. Ich mag den Laden und die Schubse jeden Mittwoch. Das ist ja ohnehin die Zukunft der Neustadt … 😉
