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Qual der Wahl mal anders
Lustiges und Bösartiges über Wahlplakate
„Wohin mit dem Hass?“ sangfragte der Distelmeyer-Jochen schon vor Jahren, und ich weiß was er meint. Da muss halt eine jede ihre Lösung selber finden (und sagt mir nicht, es gäbe nichts zu hassen).
Meinereiner verklappt das seit Jahren in die nützliche Erfindung „Internet-Blog“ – für Begriffsstutzige: Das ist hier, wo Du grad bist. Das tut erstmal gut, es ist raus und kann gefunden werden. Die ganze Welt kann es lesen, oder könnte es, denn sie wird das nicht tun, warum auch. Niemand wird es lesen oder ein paar wenige, heute oder morgen, es kommt nicht darauf an.
Die Vorrede eben hat nicht viel mit dem folgenden Text zu tun, der objektiv wie immer sein wird. Sie schlummerte aber schon eine Weile im tiefen Teller der Teichelmauke, und nun ist sie aufgewacht, macht Blasen und will raus. Also bitte, gern geschehen.
Eigentlich soll es um meine Lieblingsinspiration gehen: Wahlplakate.
Genauso wie ich überzeugt bin, daß diese keinen halbwegs vernünftigen Menschen in seiner Entscheidung beeinflussen (aber es gibt ja auch noch ein paar andere), so begierig saugen sich meine Augen an jedes Stück Pappe, das mich bekehren soll. In Wahlkampfzeiten bin ich blind für alles andere in der städtischen Welt – wenn in einem Schaufenster Nackte ausdruckstanzen würden, was selbst in Dresden nicht völlig unwahrscheinlich ist, ich bemerkte sie nicht.
Ich finde das weder gut (mein Verhalten) noch schön (den Anblick). Die quietschbunte Installation kann selbst die langweiligsten Innenstadtstraßen – von denen die weltgrößte Landeshauptstadt von ganz Sachsen reichlich hat – noch versauen und daß deren Hängung immer öfter für diverse Nichtsnutze Anlass wird, ihrem Mangel an Anstand, Bildung und vielem anderen Worte und leider auch Taten zu verleihen, macht es nicht besser.
In oberbayrischen Kleinstädten sah ich mal eine auf den ersten Blick originelle Lösung: Es hatte an den zentralen Plätzen große Bretterwände, so drei mal sechs Meter, an denen war die bildliche Botschaft zu hängen und sonst nirgendwo. Nun gibt es in besagten Flecken in der Ansichtsgüte meist nicht viel zu verderben, was über weißblauen Touri-Kitsch hinausginge, und irgendwie finde ich es auch apolitisch, aber die vergleichende Wahlplakatdeutungswissenschaft hat weniger Aufwand (Verkehrsvermeidung!) und das Volk hat einen Platz, wo es sich versammeln und etwaige Meinungsunterschiede gleich besprechen kann wie dunnemals auf der Agora der Griechen. Heutzutage sind auch Frauen zugelassen, so weit ist man in Bayern dann doch.
(Überhaupt ist man in Bayern in vielen Dingen schon sehr weit, zumindest deutlich weiter als hier, das kann auch die dortige Koalition aus CSU und Mistgabel-CSU nicht zurückdrehen.)
Aber ich verzettele mich. Eigentlich sollte doch die Parteienbeschimpfung im Mittelpunkt stehen, da nehmen wir die Mistgabel mal als Überleitung.
Die „Freien Wähler“, denen die erste Unverschämtheit galt, sind mir bislang plakativ nicht bewusst vor Augen gekommen im aktuellen Wahlkampf. Gewiss sind sie auch vertreten, ein Oberbürgermeister eines mittelsächsischen Kaffs strebt ja nach Höherem, aber aufgefallen sind sie halt nicht. Sie gehen unter in den vielen „Freien“, und als Faustformel mag gelten, daß „frei“ vor allem frei von Empathie, Güte, Menschlichkeit und weiteren Eigenschaften, mit denen früher die Gutmenschen und heute die woke Blase in Verbindung gebracht werden, bedeutet. Dies vor die Klammer gezogen, sind die Ausprägungen rechts der Mitte weit aufgefächert. Von puren Rechtsradikalen und Neonazis, die frohgemut schon unseren stellv. Ministerpräsidenten – einen Winkeladvokaten aus Chemnitz – plakatieren, über drei alte weiße Männer mit Hund, die was von Wadenbeißer schreiben, obwohl der Hund gar nicht zur Wahl steht bis zu einem Bündnis, das sich atypisch gar nicht auf die Freiheit beruft, aber mit der Dümmlichkeit der Botschaften gut ins Cluster passt, ist vieles vorhanden. All diesen wünsche ich satte vier Prozent zu Lasten derjenigen, die noch zu beschimpfen sein werden.
Bei „frei“ ist noch eine Fußnote angezeigt. Auch die FDP bezieht sich darauf und beweist mit ihrer aktuellen Kampagne, daß neben Immobilienheinis auch Werbefuzzies die Basis der Partei bilden. Nun hat sie aber keine Müllerstochter und auch kein Rumpelstilzchen (das ist ja ausgetreten, haha), und so wird das gedroschene Stroh wohl nicht vergoldet werden können. Aber die F.D.P. oder fdp oder was immer der Zeitgeist bisher zu fordern schien, hat eine Mission ausgerufen, und Missionar Malorny wäre mit den vier Prozent wohl mehr als glücklich, realistisch betrachtet. Immerhin erfahren wir, daß M. ein Mobiltelefon besitzt, Technologie in seinem Hobbykeller entsteht, er auf Wunsch dackelgleich gucken kann und heiße Luft stets die heiße Luft der anderen ist. Mehr will ich gar nicht wissen.
Nicht nur alphabetisch käme Herr Z. für mich am Schluss. Aber so wichtig ist er nun auch wieder nicht, daß ich ihm das Ende meiner Elegie widmen möchte, und irgendwie zählt er ja auch zur liberalen Hinterlassenschaft. Gerne würde ich ihn fragen, was er als einzelner Abgeordneter (wenn er denn gewählt würde) im Landtag tun wird: Sein Ausflugslokal sachsenweit promoten? Dem Affen mal richtig Zucker geben? In jeder Rede bekannt geben, daß die Grünen der Beelzebub sind? Eine Altersversorgung aufbauen? Sicher ist es alles davon und noch viel mehr, aber was man als Wählerin davon hat (Familienangehörige mal ausgenommen) bleibt mir ein Rätsel. Bühnen hat der Holger mit dem Stadtrat und diversen Ausschüssen nun wahrlich genug, auch die Sächsische Zeitung ist stets zu Diensten, wenn auf der Hofewiese mal wieder ein Kasten Bier umgefallen ist oder dem Zastrowitsch irgendwas nicht passt an der Dresdener Verkehrspolitik.
Da wir grad bei Populist*innen sind (das Sternchen setze ich hier mit besonderer Freude): Die Dame mit dem Porzellangesicht schickt sich an, auf sächsischem Boden die aktuellen Weltprobleme zu lösen. Das ist ihr umso höher anzurechnen, als das sie hier gar nicht zur Wahl steht, aber das ist egal, wo ein Genosse ist, da ist auch die Partei. Und so werden bald Frieden, Gerechtigkeit und Zusatzrente überall einziehen, da hat die Hl. Johanna mit der Töle nicht mehr viel zu melden, selbst wenn diese auch anbietet, den Krieg zu beenden.
Die Marke „BSW“ ist mir aber noch einen Absatz wert. Das ehrbare Bahn-Sozialwerk (das nun wirklich nichts für die aktuelle Misere der DB AG kann) hat diese bei mir seit jeher inne, und ich hoffe, bei vielen anderen auch. Da diese mit vielen positiven Vibes belegt ist, es hat sowohl auf Hiddensee als auch in Garmisch Ferienhäuser, die man für kleines Geld nutzen kann, nur mal als Beispiel, ist das für mich ein klarer Fall von Produktpiraterie und erklärt vermutlich einen Großteil des Erfolgs dieses obskuren Stalinistenvereins. Hierfür ist mir dann auch das Sternchen zu schade.
Apropos Piraten: Immer noch halte ich diese Zueignung für die denkbar dämlichste Bezeichnung, die sich eine Partei geben kann. Das ist nicht Jack Sparrow, das ist Mord, Entführung und Sklaverei, um auch dies einmal losgeworden zu sein. Und diesmal haben sie auch den Ehrenpreis für das schlechteste Layout errungen. Das Ärgerliche ist aber weniger der Name als die Tatsache, daß die sicher wieder einige Stimmchen einfangen, die dann auf der richtigen Seite fehlen werden. Das gleiche gilt für die Partei genannte Partei, deren Plakate meist originell sind, aber das ist es nicht wert. So schön es ist, auf der rechten Seite die Volksfront von Judäa und die judäische Volksfront sowie die Front judäischer Volksangehöriger usw. zu haben, so ärgerlich ist es auf der linken Seite. VOLT immerhin hat begriffen, daß anderthalb Prozent nichts ändern, auch wenn man deren Empfehlung kritisch sehen mag.
Diese immerhin hat ordentliche Plakate, und deren Generalsekretär hat grad die Langweiligkeit als neue deutsche Sekundärtugend ausgerufen, insofern passt das.
Meine Herzenspartei hat sich diesmal nicht mit Ruhm bekleckert. Die Plakate der Direkten sind sympathisch, immerhin, das ist bei Löser und Co. aber auch nicht schwer. Die allgemeinen Botschaften verlieren sich jedoch sehr in der Weltlage, warum man konkret in Sachsen die Grünen wählen soll, bleibt im Dunkeln. Macht es trotzdem.
Die Partei mit Faschisten im erweiterten Führungskreis (okay, das haben andere Parteien auch, aber da ist es noch nicht amtlich festgestellt worden und die spielen gottlob nur Kreisklasse) hat erwartungsgemäß mit ihren Plakaten neue Tiefenrekorde auf der Geschmacksskala aufgestellt. Daß „Abschieben, Abschieben, Abschieben!“, was ich mal auf der Theaterbühne im Chor gebrüllt habe, um die Klientel ins rechte Licht zu setzen, es auf ein Wahlplakat schafft, hätte ich aber dann doch nicht für möglich gehalten.
Kommen wir abschließend zur hiesigen Staatspartei, so weit kann man glaub ich nach fast 35 Jahren Dauerherrschaft gehen. Erstaunlich dicht am Volke ist der MP, wenn er mit seinen Plakaten signalisiert, daß jeder mal einen schlechten Tag haben und man sich das auch ansehen lassen könne. Die anderen Kandidierenden sind meist besser frisiert und wirken ausgeschlafen, aber als Landtagsabgeordnete*r der CDU hat man vielleicht auch die Zeit dafür. Über die Sprüche gehe ich mangels relevanter Masse hinweg, immerhin weisen alle Plakate darauf hin, daß es um Sachsen gänge. Gut für jene, die glaubten, daß hier der Landtag von Thüringen, die Weinkönigin der Rheinpfalz oder der Papst zu wählen seien.
Der harte Mann Christian im Dresdner Norden hat sogar einen Comic-Zeichner verpflichtet, der ihn in verschiedenen Posen abbildet. Warum, wird klar, wenn man den Herrn Fraktionsvorsitzenden im photographischen Portrait sieht. Ich will da aus meinem Glashaus gerne einen Stein werfen: Politik führt zum Doppelkinn und zur Verbreiterung des Körpers im allgemeinen und des Antlitzes im Besonderen. Und bis man das akzeptiert, hat halt der Zeichner ein Zubrot.
Der Landtag von Sachsen ist bislang recht bunt besetzt, und die Regierungskoalition ist genau besehen eigentlich ein Ding der Unmöglichkeit. Die normative Kraft des Faktischen hat hier bisher für halbwegs stabile Verhältnisse gesorgt, und auch wenn der MP sich als Quartalsirrer entpuppte, hielt der Wille zur Macht und/oder die Angst vor der Veränderung den Laden zusammen. Wie das im neuen Landtag aussehen wird, ist unklar, schlimmstenfalls sind es noch drei Parteien (eine davon in Teilen faschistisch, eine andere stalinistisch, die dritte sehr sehr konservativ), bis zu sechs (sorry FDP und not sorry an die rechten Zwerge) wären denkbar. Es kommt – diese Plattitüde sei mir gestattet – auf jede Stimme an.
Eine unterirdische Idee – die Dresdner CDU will tunneln
Wahlkampfzeiten sind dankbare Zeiten für Spötter und Klugscheißerinnen. Zu offensichtlich sind die Stilblüten, als daß man der Versuchung widerstehen könnte. Diesmal soll aber nicht der verhinderte Deutschpauker in mir zum Zuge kommen, es geht um andere Dinge.
Bei jeder Wahl geht es ja auch darum, die MLPD in puncto Dümmlichkeit auf den Wahlplakaten zu überbieten. Auch dieses Mal gab es einige hoffnungsvolle Versuche, aber die Genossen haben die Angriffe souverän mit „Arbeiter in die Offensive“ abgewehrt. Chapeau! Aber dies nur nebenher, es soll hier nicht um die Weltrevolution gehen, sondern um profanere Dinge.
Wie im Bilde zum Text zu besichtigen ist, möchte die CDU Dresden-Neustadt in Person von Johannes Schwenk den Neustädter Markt mit einem Autotunnel bereichern und damit eine „Flaniermeile zwischen Albertplatz und Altstadt“ schaffen. Neustädter Markt, das ist dort, wo ein scheinbar goldenes Pferd samt pummeligen Reiter der barocken Langeweile den Rücken zuwendet, um durch eine platanengesäumte Hauptstraße seiner Befreiung entgegen zu galoppieren (meine Interpretation). Oftmals muss es dabei durch Würstchen- und Nippesstände hindurch, die dann „Fest“ genannt werden, in Verbindung mit Jahreszeiten oder was der Marketing-Kalender sonst so hergibt. An Weihnachten (wie es anderswo heißt, was die Weltläufigkeit des Verfassers belegt) gibt es die Festivität gar unter Leitung eines stadtbekannten Gastwirts und Grünenfressers, der neuerdings seinen Namen zum Programm gemacht hat, übrigens genau wie eine Dame mit stählernem Antlitz, die er aber vermutlich gar nicht leiden kann. Aber was weiß ich schon von der Kollegialität unter Populisten (Frauen sind mitgemeint).
Ich schweife ab. Hier soll es doch um die mit Verlaub unterirdische Idee gehen, im Zuge der Großen Meißner Straße einen großen Dresdner Tunnel zu graben. Hatte man vor Wochen auf einschlägigen Plakaten noch schamhaft gefragt, ob dies wohl sinnvoll wäre, sind nun alle Hemmungen gefallen, der Spruch ist mit einem Ausrufezeichen versehen.
Ich gehe davon aus, daß der (mir) unbekannte Kandidat Schwenk die finanzielle Situation der weltgrößten Landeshauptstadt von ganz Sachsen einigermaßen überblickt. Vielleicht ist ihm sogar bewusst, daß sogar für den Neubau der Nossener Brücke noch zahlreiche Scheinchen zusammengekratzt werden müssen, ehe es zum großen Werke kommen kann, was nicht unwesentlich daran liegt, daß ein früher in Dresden tätiger Kassenwart nunmehr konservativ (also bewahrend) auf den freistaatlichen Töpfen sitzt. Auch einige andere Infrastrukturprojekte der Kommune, denen Dringlichkeit zugesprochen werden muss, sind „finanziell nicht untersetzt“, wie es in diesen Kreisen heißt, bei Bedarf könnte ich eine Liste senden.
Aber das Praktische an einer solchen Forderung, mal eben 100 Millionen plus x im HQ50-Gebiet der Elbe zu vergraben (könnte ich erklären, aber es soll hier niemand überfordert werden), ist ja, daß man nie in die Verlegenheit kommen wird, diese ernsthaft diskutieren zu müssen, sie gleichwohl irgendwie als innovativ hängenbleibt, solange man nicht drüber nachdenkt. Es ist ein bißchen so wie ein schöner großer Wahlkampfballon voller heißer Luft, der ganz schnell aufsteigt in schwindelerregende Höhen, dann außer Sicht gerät und abgekühlt auf irgendeinem Rieselfeld weit vor der Stadt landet. Aber dann hat die hiesige CDU sicher schon einige andere Säue über die Augustusbrücke getrieben.
Nochmal im Klartext: Die Stadt hat für solchen Schmarrn auf Jahrzehnte hinaus kein Geld, und der Freistaat auch nicht. Der Bund nicht, die EU nicht, und wenn es die Weltregierung wirklich gibt, hätte die dafür auch nichts übrig. Oder was soll Dresden dafür besser liegenlassen? Blaues Wunder verschrotten, BUGA absagen, ESMC-Erschließung sein lassen, Tunnel am Wiener Platz sperren (weil nicht mehr sanierbar), Ullersdorfer Platz canceln, Schulen und Kita verrotten lassen, Königsbrücker Straße und Stauffenbergallee unter Denkmalschutz stellen? Ideen sind willkommen.
Mal abgesehen davon, daß es also „schwierig“ wird, das Geld dafür zu besorgen, ist die Idee als solche aber auch krude. Die Piktogramme auf dem Bild sind zwar ganz hübsch, aber entsprechen nur links der Wahrheit. Das erste illustriert tatsächlich zutreffend die Maxime der Verkehrsplaner des vorigen Jahrhunderts (das in Dresden nachvollziehbarerweise noch bis 2016 andauerte) „der Fußgänger gehört unter die Erde“, unabhängig übrigens von der Weltanschauung. Was mittig den Ist-Zustand beschreiben soll, vernachlässigt den Umstand, daß durch die revolutionäre Erfindung der LSA (Lichtsignalanlage, vulgo „Ampel“) der Verkehrsraum zumindest auf der Zeitachse unterschiedlich zugeordnet werden kann.
Das Problem, was hier beschworen wird, ist schlicht keines. Im Gegenteil, mit dem Umbau der Kreuzung und der Sperrung der Augustusbrücke für den privaten Autoverkehr sind dort Verhältnisse zu verzeichnen, von denen in anderen Stadtteilen geträumt wird. OK, es fehlen längs der Großen Meißner noch ordentliche Radwege, aber das sind vergleichsweise Luxusprobleme.
Dreist ist allerdings die Darstellung rechts. Gerne wüsste ich, was mit der Straßenbahn passiert, wie künftig die Andienung des Hotels und der Museen erfolgt und wo die Ver- und Entsorger sowie die Rettungsdienste fahren sollen. Das ganze ist eine große Mogelpackung, denn eine oberirdische Verkehrsführung wird immer notwendig sein, wenn auch nur noch mit einer Spur je Richtung. Aber das kann man deutlich billiger haben.
Die für einen Tunnel erforderlichen Rampen werden mitten im Carolaplatz und am Palaisplatz beginnen müssen, damit ist die generelle Umgestaltung dieser Örtlichkeiten verbunden. Von mir aus kann man ja gerne ein Stückchen vom Palast des Ministerpräsidenten abschneiden, aber beim Japanischen Palais bin ich hartleibig, dort findet schließlich neuerdings das Sommertheater des Staatsschauspiels statt (wenn auch leider sonst nicht viel). Ohne das weiter zu vertiefen, aber die Idee ist derart unsinnig, daß man sich fragt, in welcher Wissenschaft Herr Schwenke denn mitarbeitet (mehr als „wiss. MA“ gibt die Vorstellung auf der website des CDU-Ortsvereins nicht her). Vermutlich wird er Wasser- und Kofferträger eines Landtagsabgeordneten sein, aber ich bin zu faul zum Recherchieren, und so wichtig ist er nun auch nicht.
Lassen wir es mit einem Lehrsatz beenden: Wenn du selbst keine konkreten und sinnvollen Ideen hast, denk dir was aus, was schön klingt, aber nie in die Nähe einer Realisierung kommt. Dann gehst du erstmal als Visionär durch und musst nie ernsthaft darüber diskutieren. Und zur nächsten Wahl mach dann einen Schwenk, es bieten sich die Flugtaxis an.
Wir Unbürgerlichen
Manchmal lese ich die „Sächsische Zeitung“.
Ich tu das meist ungern, das Blatt ist mir wegen seiner Bräsigkeit ein Ärgernis, allerdings in vielem auch verlässlich. So kann man darauf wetten, dass die Karikatur auf der Seite 1 immer entweder dämlich ist oder das ungesunde Volksempfinden bedient. Oft trifft beides zu.
Auch die Kommentare scheinen häufig am Stammtisch abgelauscht zu sein, aktuell wird gern gegen Streikende gewettert. Spocht hat auch in dieser Zeitung einen deutlich höheren Stellenwert als Kultur, die sich an schlechten Tagen dann auch mal auf Artikel zum Fernsehprogramm beschränkt.
Aber die gedruckte Medienlandschaft ist in unserer in Sachsen weltgrößten Landeshauptstadt nicht eben überwältigend, der Dresdner Ableger einer Leipziger Volkszeitung führt zwar kulturell, ist aber lokal recht schwach auf der Brust. Die beiden hiesigen bunten Blätter unterscheiden sich nur im Format, aber nicht im Format (bitte kurz über diesen Satz nachdenken) und sollen hier nicht weiter betrachtet werden.
Dass es in vergleichbaren Städten (ich nehm immer gern Nürnberg dafür, das ist zwar nicht mal Sitz einer Regierungsdirektion, ansonsten aber ähnlich, was auch in einer gewissen Bratwurstmentalität zum Ausdruck kommt) nicht besser ist, kann nur ein schwacher Trost sein.
Nun wirken allerdings die Medien als „vierte Staatsgewalt“ an der politischen Willensbildung der Bevölkerung mit, und wenn in einer Stadt das Oberhaupt zu wählen ist, scheint besonders wichtig, dass die lokalen Zeitungen gut und kompetent über die Wahl und den Kampf zuvor berichten. Quantitativ ist der SZ da nichts vorzuwerfen, sie hat eine Serie „Dresden wählt“ eingerichtet und ihre Leser befragt. Die Ergebnisse wurden heute (23.05.15) vorgestellt.
Eigentlich gab es ja zwei Umfragen: Eine klassische, bei der die Antworten auf dem Postwege eingingen, und eine im Internet. Bei ersterer beteiligten sich 1.300 Menschen, die nach Angaben der SZ zur Hälfte die 50 überschritten haben (nach einer Aussage in einem zweiten Artikel sei die Hälfte der Einsender bereits über 60). Zwar wird im Text darauf hingewiesen, dass die Ergebnisse nicht repräsentativ wären, das hindert den Autor Andreas Weller aber nicht daran, die Ergebnisse auf die Nachkommastelle genau zu interpretieren, auch bei der „Sonntagsfrage“ (ob sich jene explizit auf den Stadtrat bezog, bleibt leider offen).
Interessante Aussagen gibt es dennoch zu lesen: Markus Ulbig, dessen Anhänger wohl etwas schreibfaul sind, kommt auf gerade mal 9% in diesem Wettstreit, was laut Weller daran liege, dass den sächsischen Innenminister aus Pirna nun mal keiner kenne in Dresden.
Über 95% der Einsender wollen zur Wahl gehen, Überraschung. Wenn jemand sich der Mühe unterzieht, den Fragebogen auszufüllen, sollte man ihn schon für einen potentiellen Wähler halten können.
Dass Frau Stange (42%) und Herr Hilbert (38%) das Rennen hier klar unter sich ausmachen, ist ebenfalls keine Überraschung, dass Frau Festerling und Herr Vogel unter drei Prozent liegen, spricht für die Seriosität der Leserschaft.
Für die Seriosität des Journalisten spricht allerdings nicht, dass er in seiner Spekulation zum zweiten Wahlgang dann tatsächlich von „bürgerlichen Kräften“ faselt. Dort zählt er offenbar auch Herrn Vogel von der AfD hinzu, böswillig könnte man ihm auch unterstellen, dies gelte auch für Frau Festerling und Frau Liqueur, aber es ist wohl nur unbeholfen formuliert.
Ah ja, das versammelte Bürgertum gegen die Gottseibeiuns, gegen das SED-Geschöpf (wie Weller in seiner missglückten Glosse zwei Seiten später anmerkt), gegen die Anti-Bürgerliche. Dann ist ja alles klar. Wer Dresden vor den roten Horden – die sich infamerweise mit den grünsiffigen Gutmenschen verbündet haben- retten will, wählt das bürgerliche Lager. Bürgerlich klingt gut, klingt nach Steuern zahlen, Müll trennen und arbeiten gehen. Alles andere ist dann doch suspekt, wie die langnasige Tante, die das Feigenblatt für die Sozialschmarotzer abgeben soll.
Nein, ich glaub nicht, dass da eine Absicht dahintersteht, man soll die SZ nicht überschätzen. Es sind wohl eher Gedankenlosigkeit, das unkritische Übernehmen von Begrifflichkeiten (immerhin taucht das Wort „Mitte“ nicht auf) und eine gewisse Unprofessionalität die Ursachen.
Übrigens, die Internet-Umfrage ist der Sächsischen völlig um die Ohren geflogen. Die Pegidisten haben hier kräftig mobilisiert, 5.400 Teilnehmer gab es (ob die Stimmabgabe mit der IP-Adresse registriert wurde, um Mehrfachbeteiligungen zu vermeiden, weiß ich leider nicht mehr), von denen ein Sechstel gar nicht wählen gehen wolle. Der Rest war fast zur Hälfte für Frau Festerling.
Den Rest der Ergebnisse spar ich mir, außer den 42,5% für die Sonntagsfrage (diesmal auf den Bundestag bezogen) für die AfD … Die sinnfreien Zahlen füllen dann aber immer noch einen guten Teil der Seite. Auch wenn es Unfug ist, irgendeiner wird es schon lesen. Konsequent wäre hier eine leere Spalte gewesen.
Tucholsky (bzw. sein Verleger) hat einen seiner Sammelbände mit „Wir Negativen“ überschrieben. In Dresden heißt es jetzt für uns „Wir Unbürgerlichen“.
Vorsicht: Wahlkampf!
Die Fortsetzung der Betrachtung zur Unabhängigkeit von Dirk Hilbert (FDP)
Vorab ein Verbraucherhinweis: Im folgenden Text ist Wahlkampf drin. Wahlkampf kann Sie zum Nachdenken bringen, klüger machen und im schlimmsten Falle sogar Ihre Entscheidungen beeinflussen.
Ich halte diesen Hinweis für notwendig, weil in den dankenswert zahlreichen Reaktionen auf meinen Beitrag „Eine ganz spezielle Form des Wahlbetrugs“ gelegentlich der Vorwurf aufkam, das wäre Wahlkampf.
Ja Herrschaftszeiten, was denn sonst? Eine Neuinterpretation der Verse von Walther von der Vogelweide? Eine Sammlung Kochrezepte? Fußballer-Philosophie?
Zudem ist es seltsam, „Wahlkampf“ als Vorwurf zu gebrauchen. Gehört sich das nicht? Ist Wahlkampf (zumindest der von den anderen) unanständig? Und, verehrter Herr Hilbert, wenn Sie in Ihrer Anmerkung auf Facebook meinem Beitrag „Wahlkampfrhetorik“ zuerkennen, wäre es schön, wenn Sie diese dritte Art der Rhetorik (ich kenne bislang nur gute oder schlechte) auch erklären. Ist das etwa eine, wo man es mit der Wahrheit nicht so genau nehmen muss …? Ich will da nichts unterstellen, aber da fällt mir das Stichwort „Vollbeschäftigung“ ein.
Die bisherigen Reaktionen auf meine Einlassung auf den verschiedenen Kanälen waren, wenn sie als Text formuliert wurden, meist Widersprüche (die in Summe etwa dreißig Likes nehm ich trotzdem gern zur Kenntnis). Das ist auch nicht weiter verwunderlich, für Widerworte ist auch bei mir der Antrieb höher.
Prinzipiell lassen sich die Argumente in drei Punkten zusammenfassen: Dirk Hilbert hätte 1. als Vertreter von Frau Orosz einen guten Job gemacht und es wäre 2. doch egal, ob er sein Parteibuch schamhaft verstecke. 3. schließlich wäre es dringend notwendig, der rotgrünroten Stadtratsmehrheit einen Bremsklotz zu verabreichen.
Zu 1. kann man sicher geteilter Meinung sein: Für mich hat Hilbert in dieser Zeit das Mutti-Prinzip konsequent angewendet, viel vorangekommen ist (auch) in dieser Zeit nicht. Und wie er künftig zu agieren gedenkt, konnte man an seinem Veto zum Thema Lustgarten gut erkennen. Mit dem von mir kritisierten Sachverhalt hat diese Tatsache allerdings rein gar nichts zu tun.
Herr Hilbert, soviel zu Punkt 2, ist auf dem FDP-Ticket Bürgermeister geworden und es auf FDP-Ticket (und durch einen taktischen Rückzug für den zweiten Wahlgang) vor sieben Jahren geblieben. Dass er nun, kurz vor der Wahl, sein politisches Coming-Out erlebt, seine Unabhängigkeit entdeckt und die Parteifreunde auf Distanz hält, weil mit derem Label kein Blumentopf mehr zu gewinnen ist, halte ich für Etikettenschwindel.
Herr Zastrow hat mit seinem ungeschickten Gruppen-Selfie dankenswert klar gemacht, wer im Windschatten von Herrn Hilbert in die Stadtspitze einziehen würde. Und ich persönlich bin sehr froh, dass Holger Zastrow sowohl im Land als auch in der Stadt seinen Einfluss verloren hat.
Herr Hilbert schreibt übrigens in seiner Replik: „… Genauso begeistert unterstützen mich Handwerker, Kleingärtner, Künstler, Sportler usw. – sprich Dresdens Bürger!“ Nun kann man die FDP sicher für eine Berufsvereinigung oder einen Freizeitclub halten, nur bislang fungiert sie als politische Partei. Das sollte ein „unabhängiger Kandidat“ wissen.
Der Kern ist allerdings der letzte Punkt. FDP (und CDU) betrachten die letzte Wahl zum Stadtrat immer noch als Betriebsunfall, der sie unrechtmäßig von der ihnen hier zustehenden Macht in der Stadt abklemmte. Und so versucht man bis zur nächsten Wahl soviel wie möglich an Veränderungen zu verhindern, ob nun mit den Bemühungen, Bürgerentscheide zu initiieren oder mit der Besetzung des OB-Sessels. Das ist natürlich nachvollziehbar, aber ob es im Interesse der Stadtentwicklung ist, glaube ich nicht.
Alle, die meinen, die Stadtratsmehrheit bräuchte ein Gegengewicht, schätzen den Unterhaltungswert des Rates wohl höher als seine Gestaltungsfunktion. Aber ein Patt ist in der Demokratie kein guter Zustand, da passiert nämlich nicht viel.
Ich persönlich wünsche mir, dass Dresden in den nächsten Jahren die Chance hat, durch eine Gestaltungsmehrheit aus Bürgermeistern und Stadtrat jene Entscheidungen zu treffen, für die sie gewählt worden sind.
Eine sehr spezielle Form von Wahlbetrug
Der unabhängige Kandidat Dirk Hilbert und die Dresdner FDP
Nein, dass die Herren der Dresdner FDP nicht clever wären und ihre Schritte nicht (vor allem werbe-) strategisch sorgfältig planen würden, habe ich nie behauptet. So glaube ich auch nicht an einen Zufall, der Herrn Holger Zastrow am 13. Mai auf facebook fröhlich vom „Liberalen Maifest“ in einem Dresdner Mittelklassehotel grüßen ließ, mit einem Gruppen-Selfie, wie man das heute halt so macht.
Das Fest sei ihm gegönnt, so viel zu lachen hat man als FDP-Mitglied heutzutage nicht mehr, und den Mienen einiger Abgebildeter nach gab es ja auch etwas Anständiges zu trinken, wenn nicht gar zu rauchen.
Interessant war allerdings, welcher Begleittext das Gruppenfoto zierte: „Viele Grüße vom Liberalen Maifest der FDP Dresden mit unserem OB-Kandidaten Dirk Hilbert. Gewohnt kämpferisch und nicht nur angesichts aktueller Umfragen bestens gestimmt, gehts in die heiße Phase im Dresdner OB-Wahlkampf. Läuft! #obwdd #FDP“.
Moment mal. Meint er jenen Dirk Hilbert, der laut amtlicher Veröffentlichung der Landeshauptstadt Dresden einen Tag zuvor bis zum Stichtag genug Unterstützerunterschriften gesammelt habe, um als Kandidat zur OB-Wahl zugelassen zu werden? Der als Erster Bürgermeister seine Parteimitgliedschaft ruhen lässt, um ein Kandidat für alle Dresdner zu sein? Dessen Wahlplakate in den Dresdner Stadtfarben gehalten sind, aber jeglichen Parteiverweis vermissen lassen?
Ich hab nochmal nachgesehen, vorsichtshalber, man will ja nichts Falsches behaupten. Aber es gibt tatsächlich nur einen Dirk Hilbert unter den sechs Bewerber_innen für das Amt. Dann wird er es wohl doch sein.
Nun wird die Dresdner FDP wissen, dass sie als Stadtratspartei ohne weiteres einen Kandidaten zur Wahl hätte aufstellen können, ohne mühevoll 240 Unterschriften einzutreiben. Daran kann es nicht liegen.
Doch erinnern wir uns: Herr Zastrow kommt aus der werbenden Zunft und hat schon oft das schlechte Bild „der Marke FDP“ beklagt (völlig zu Recht übrigens, auch wenn wir über die Gründe sicher sehr verschiedener Ansicht sind). Logisch, dass man dieses tote Pferd nicht reiten will im Wahlkampf. Zumal in einem, in dem die FDP – durch welch seltsame Fügungen auch immer – die Chance hat, einen OB-Posten in einer Halbmillionenstadt mit einem Parteimitglied zu besetzen.
Also ist Camouflage angesagt. Der Kandidat gibt sich überparteilich und unabhängig – die Parteilogistik wird er sicher dennoch in Anspruch nehmen. Und nachdem der Text auf dem Wahlzettel feststeht (Herr Hilbert tritt unter dem schönen Titel „Unabhängige Bürger für Dresden“ an), kann man am Tag danach die Katze auch aus dem Sack lassen.
Nun weiß ich über die Abhängigkeiten des Menschen Dirk Hilbert recht wenig, es ist ihm zu wünschen, dass sich jene in (legalen) Grenzen halten, und gutes Essen – wie sein Körperbau nahelegt – ist eine lässliche Sucht. Der Politiker Hilbert hat da aber dann doch einige Verpflichtungen, so ein Wahlkampf will bezahlt werden und das Salär eines Bürgermeisters ist nicht eben fürstlich. Da kommt eine Partei wie die immer noch recht vermögende FDP im Hintergrund sicher recht.
Nur wird damit die Beschreibung auf dem Wahlzettel zur Mogelpackung, wo Hilbert draufsteht, ist FDP drin. Seit dem Trojanischen Krieg weiß man um die Wirksamkeit solcher Tarnungen, und auch wenn es mir fernliegt, Herrn Hilbert mit einem hohlen Holzpferd zu vergleichen, entspricht dies sicher nicht dem Geist des Wahlgesetzes. Deswegen auch die harte Zueignung einer „sehr speziellen Form des Wahlbetrugs“, denn „Schummelei“ klingt mir dann doch zu harmlos. Vermutlich mag das alles halbwegs rechtens sein (und wenn nicht, wie im Fall Töberich, scheint es den FDP-Protagonisten auch egal), aber sauber ist es nicht.
Dresden ist ja immer für eine Provinzposse gut, und so könnte es durchaus dazu kommen, dass die FDP eine wichtige Wahl gewinnt, weil sich ihr Kandidat alle Mühe gibt, nicht mit ihr in Verbindung gebracht zu werden. Über seine fachliche Eignung mag man streiten, für mich hat er in immerhin schon vierzehn Jahren Wirtschaftsbürgermeister nicht viel gerissen, Dresden hängt inzwischen deutlich hinter Leipzig zurück. Richtig große Schnitzer sind ihm aber auch nicht unterlaufen (wenn man von den Querelen um die Besetzung des Amtsleiters für Wirtschaftsförderung mal absieht), er hat sich offenbar seine Strategie bei Mutti (Merkel) und Vati (Tillich) abgeschaut.
Und da Zwerg Ulberich erkennbar wenig Ambitionen hat, das zünftige Amt des kommandierenden Innen-Generals für Sachsen für den anstrengenden Job eines Dresdner Oberbürgermeisters aufzugeben und seine Rolle als Adabei gefunden zu haben scheint, der traurige Vogel von der AfD und die Tatjana aus dem Land der Finsterlinge sich um den Protestwähleranteil streiten werden und Lara Liqueurs Freibier sicher nicht für eine Mehrheit reicht, bleibt nur Eva-Maria Stange, dieses Szenario zu verhindern.
Jene tritt übrigens auch als Vertreterin einer Wählerinitiative an, macht aber keinen Hehl daraus, welche Parteien sie unterstützen. Und da jene auch die Mehrheit im Stadtrat bilden, wäre ihre Wahl nicht nur wünschenswert, sondern auch hilfreich für eine funktionierende Stadtregierung. Anderenfalls wird künftig jede Stadtratssitzung zur Kraftprobe zwischen dem OB und der Ratsmehrheit, Entscheidungen werden da sicher selten fallen.
PS vom 15.05. zu den Kommentaren:
Im Normalfall bin ich der Ansicht, dass sich jeder für sich selbst blamiert mit seinem Beitrag. Zwei hab ich dann aber doch gelöscht, von einem wirr scheinenden Herrn mit Hut und dem Titel 15. OB-Kandidat und einen, der Frau Stange was mit der SED-Keule überbraten wollte. Das war mir dann doch zu doof.
Zu allem Weiteren gibt es einen neuen Beitrag.
Das Kerngeschäft der FDP ist die Symbolpolitik
Eine Betrachtung
Gleich eingangs muss ich mich korrigieren: Ich spreche von der sächsischen FDP. Von jener auf Bundesebene weiß ich es nicht, sie hat es schwer derzeit, wahrgenommen zu werden. Dafür tuten die sächsischen Freunde umso lauter.
Man kennt das aus dem Wald: Wer sich fürchtet, der pfeift. Je mehr Angst, desto größer der Lärm.
Die Angst bei jenen Sachsen, die sich frei und demokratisch nennen, muss sehr groß sein. Das „demokratisch“ will ich ihnen nicht absprechen (auch wenn die Landesliste zur letzten Bundestagswahl mit fünf Männern an der Spitze doch eine recht altmodische Demokratieauffassung offenbarte), aber frei? Frei von Angst sicher nicht.
Vor knapp fünf Jahren, als der Parteifreund „politische Großwetterlage“ sie mit einem heute kaum fassbaren Ergebnis von mehr als 13 Prozent in die sächsische Regierung spülte, konnte man vor Kraft kaum gehen. Nur Holger Zastrow hat wohl damals schon geahnt, was kommen würde und auf den stolzen Titel „stellvertretender Ministerpräsident“ verzichtet.
Selten zuvor hat sich seitdem eine Partei an der Macht derart entzaubert. Das Justizressort fand in der öffentlichen Wahrnehmung nicht statt, obwohl die sächsische Staatsanwaltschaft einen Skandal nach dem anderen produzierte. Wer kann auf Anhieb sagen, wie der sächsische Justizminister heißt? Eben. Ein gewisser Herr Martens ist es, ich musste auch nachschlagen.
Erst dieser Tage – die Landtagwahl zeigt sich am Horizont – tritt er mit einer hübsch designten Plakat-Kampagne zur modernen Verwaltung ans Licht. Doch diese ist genau das, was man hierzulande von der FDP kennt: Symbolpolitik.
Sein Parteifreund Morlok spielt auf dieser Klaviatur seit geraumer Zeit mit einiger Perfektion. Unsere Menschen haben lange darauf gewartet, an ihre Autos wieder die Kennzeichen aus den frühen Neunzigern zu pappen, als noch jedes Kaff den schönen Titel „Kreisstadt“ trug. Jene Autos können sie nun auch sonntags waschen. Was will man mehr als sächsischer Bürger und Kraftfahrer, wenn einem nun auch noch an Autobahnbaustellen von Smileys die aktuelle Stimmungslage vorgesagt wird? Friede, Freude, Eierkuchen.
Oder besser Eierschecke. Jene wurde PR-wirksam auf Autobahnraststätten vom Minister höchstpersönlich an berufsbedingt wochenendpendelnde Sachsen verteilt, in der vagen Hoffnung, bei diesen Heimatgefühle für dieses Bundesland zu entwickeln, in dem die FDP tapfer gegen den Mindestlohn kämpft. Das Gebäck ist sicher Geschmackssache, aber diese Aktion sorgte bestimmt für einige heitere Anekdoten am neuen Arbeitsplatz im Westen.
Die letzte Wohltat für unseren von Schwarz, Grün, Rot, Mittelrot und Grau (für mich die Farbe der AfD) bedrohten Freistaat: Holger Zastrow und Sven Morlok enthüllen Hinweisschilder an den Autobahnen rund um Dresden, der arme Dirk Hilbert musste auch mit. Auf jenen ist zu lesen, dass man jetzt in der Nähe von Dresden sei. Nun hat zwar jede Kuhbläke seit Jahren so ein Schildchen in schmutzigbraun, aber gerade für Dresden ist dies von immenser Bedeutung: Ich wage zu prophezeien, dass nun bald die ersten Schankwirtschaften hier öffnen werden, selbst Hotels sind schon in Planung. Bald wird sich Dresden nicht mehr retten können vor zufällig Vorbeifahrenden, die die überraschende Altstadtsilhouette angelockt hat. Und wir werden der FDP auf ewig dankbar sein.
Einen Punkt kann Herr Morlok mit Sicherheit auf der Habenseite verbuchen. Er hat den von den seinen Vorgängern schlecht verhandelten Vertrag zum City-Tunnel Leipzig konsequent erfüllt und darf sich nun mit der einzigen bedeutenden Infrastrukturmaßnahme bundesweit schmücken, die zu zwei Dritteln aus Landesmitteln bezahlt wurde. 600 Millionen Euro sind es gewesen, eine stolze Zahl. Dass jene dafür in Restsachsen fehlen und der Schienennahverkehr oftmals unter den Bedürfnissen bleibt (ob etwa der dringend nötige 15 min – Takt auf der S-Bahn-Linie 1 in Dresden jemals kommen wird, steht in den Sternen), nimmt man als sächsischer Patriot doch gern in Kauf.
Geld spielt ohnehin kaum eine Rolle, wenn es um die Parteiinteressen geht. Und so kann Herr Morlok auch eine windige Zusage für eine 90%-Förderung der Albertbrückensanierung in Dresden machen, wenn die im Sinne seines Vorsitzenden und Stadtratsfraktionschefs Zastrow geschieht, ohne jede Rechtsgrundlage übrigens.
Ging dieser Kelch gottlob am Steuerzahlenden nochmal vorüber, hat die Stadt Dresden nun die „Waldschlösschenbrücke“ an der Backe, deren Realisierung sich die hiesige FDP stolz an die Brust heftet (auf Bundesebene, vor allem im Auswärtigen Amt, war es übrigens auffällig still bei diesem international blamablen Thema). Allein die Unterhaltskosten der angeschlossenen Tunnel, die rund um die Uhr bewacht, belüftet und beleuchtet werden müssen, betragen über eine Million Euro im Jahr. Geld, das auch zur Sanierung des Dresdner Straßennetzes (über dessen Zustand die örtliche FDP wohlfeil schimpft) fehlt.
Letzter Geniestreich: Eine Dresdner Straße, die über eine fast durchgängig intakte Gründerzeitsubstanz und teilweise fast über Alleecharakter verfügt, soll für viel Geld zur Stadtschnelltrasse umgebaut werden, weil sie zufällig die kürzeste Verbindung vom (international bedeutungslosen) Flughafen Dresden zum Regierungsviertel darstellt. Auch hier hat sich die FDP weit herausgelehnt und kann und will nun nichts mehr annehmen, nicht einmal Vernunft.
Dass Herr Zastrow die DVB, jenes bundesweit gut angesehene Dresdner Nahverkehrsunternehmen mit hoher Kundenzufriedenheit, regelmäßig zur letzten Bastion des Bolschewismus erklärt, geht da fast als Unterhaltungskunst durch.
Wir wollen uns nicht falsch verstehen: Ein liberale und demokratische Partei hat in der Politik auf jeder Ebene ihre Berechtigung. Doch das, was die sächsische FDP anbietet und sich damit auch von der Mutterpartei abzugrenzen sucht, ist Sozialdarwinismus, vermischt mit Klientelbefriedigung und der erwähnten Symbolpolitik.
„Freiheit“ ist für Holger Zastrow und seine Schar das Recht des Stärkeren. Die Rechnung dafür wird es nach den Wahlen geben. Und die fällt deutlich höher aus als das dafür nötige Porto.
Der leuchtende Pfad der wahren FDP und eine Freilandgurkentruppe für Deutschland
Das werden sie also sein, die uns im sächsischen Wahlkampf neben den Neo-Altnazis auf dem rechten Flügel begegnen werden:
Ein Haufen alter (oder auch junger) Naiver, die sich hinter lucky Lucke versammeln, um Deutschland im Allgemeinen und ihre Sparbücher im Besonderen zu retten.
Und ein Tross machetenschwingender Wirtschaftskrieger, die – endlich befreit von jedem menschelnden großbürgerlichen Westliberalismus – nun endlich mal das Darwinsche Erkenntnisgebäude live ausprobieren wollen.
Eigentlich, was beide aber vehement abstreiten würden, passen die ganz gut zusammen (von den Dritten im Bunde will ich es dann doch nicht behaupten). Zumal die Neugründung ja de facto Fleisch vom Fleische ist, aus einer Rippe der FDP gemacht, wenn auch beleibe nicht aus der schönsten. Und wenn man Zastrow et. al. so hört, spricht auch nichts gegen eine Wieder-Vereinigung, ganz ohne Zwang.
Aber das steht noch nicht an. Später vielleicht, wenn die wahre FDP in hohem Bogen aus dem Landtag geflogen ist (und die AfD hoffentlich wieder eine hübsche 4,9 hingelegt hat (die B-Note zählt nicht)).
Aber dann ist wahrscheinlicher, dass Commandante Holger in den Untergrund des Marketings geht und nie wieder auftaucht daraus. Eine versemmelte Europawahl zuvor könnte man ja noch dem unlängst gekürten Spitzenkandidaten Krahmer in die Schuhe schieben (der zu nichts besser geeignet ist), aber danach gibt es keine Ausreden mehr. Und Nicht-Antreten als Klatschevermeidung scheidet auch aus.
Um den hinterlassenen Trümmerhaufen namens sächsische FDP müssen sich dann andere kümmern.
Wahltaktisch kann man sich das vom grünen Hochsitz aus gelassen anschauen:
In Sachsen sind neben der Reinheitspartei CDU (die, um nun doch mal einen immerhin noch informell maßgeblichen FDP-Vertreter zu zitieren, „auch einen Altkleidercontainer aufstellen könne“ – und ich ergänze, dies in einigen Fällen wohl auch schon getan hat) alle klein, und wenn sich im Spektrum rechts der Mittelmäßigkeit noch mehr Bewerber tummeln, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass alle draußen bleiben.
(Parteientheoretisch ist das Problem auf der anderen Seite [„links“ hört man ja manchmal nicht so gern] allerdings sehr ähnlich, auch wenn man da auf eine größere Grundgesamtheit setzt.)
Dennoch, liebe Freundinnenunfreunde, wäre es grundfalsch, die da drüben machen zu lassen und nun vorzugsweise auf die ohnehin schon mit ihrem hiesigen Personal gestraften Mitbewerber links einzudreschen. Die zerlegen sich schon selbst.
Doch wenn der FDP und auch der AfD in Sachsen niemand etwas entgegenhält – die CDU um Vati Tillich wird das nicht tun, sondern schlicht versuchen, bis zum Wahltermin nichts Konkretes mehr von sich zu geben, das irgendjemand nicht gut finden könnte – hält man das irgendwann für Sachsenvolkes Stimme, und alles rutscht unweigerlich ein Stück nach rechts, im Gleichschritt marsch. Und dann haben wir zwar den linken Teich fast für uns allein, aber er dürfte dann nur noch wenig Wasser führen.
Also:
Natürlich muss man die CDU stellen, wo man kann, auch wenn es oft dem Pudding-an-die-Wand-nageln ähnelt. Und ebenso natürlich muss man sich von den beiden „R“ abgrenzen, wo es notwendig ist.
Dennoch, „der Feind steht rechts“, um mal einen Klassiker zu zitieren.
Zastrows kalter Darwinismus ist in Sachsen (und anderswo) ebenso wenig tauglich wie die deutschzentrierten Proseminarssprüche der Retter von rechts. Wer anders sollte diese frohe, notwendige Botschaft zum Volke bringen als die Grünen?
Ach ja, der „leuchtende Pfad“:
Der ist auch als sendero luminoso bekannt und war eine der berüchtigtsten Terrororganisationen in Lateinamerika. Wer ständig die Machete im Munde führt, muss sich nicht beklagen, wenn man ihn beim Wort nimmt.
