Eine sehr spezielle Form von Wahlbetrug


Der unabhängige Kandidat Dirk Hilbert und die Dresdner FDP

Nein, dass die Herren der Dresdner FDP nicht clever wären und ihre Schritte nicht (vor allem werbe-) strategisch sorgfältig planen würden, habe ich nie behauptet. So glaube ich auch nicht an einen Zufall, der Herrn Holger Zastrow am 13. Mai auf facebook fröhlich vom „Liberalen Maifest“ in einem Dresdner Mittelklassehotel grüßen ließ, mit einem Gruppen-Selfie, wie man das heute halt so macht.
Das Fest sei ihm gegönnt, so viel zu lachen hat man als FDP-Mitglied heutzutage nicht mehr, und den Mienen einiger Abgebildeter nach gab es ja auch etwas Anständiges zu trinken, wenn nicht gar zu rauchen.

Interessant war allerdings, welcher Begleittext das Gruppenfoto zierte: „Viele Grüße vom Liberalen Maifest der FDP Dresden mit unserem OB-Kandidaten Dirk Hilbert. Gewohnt kämpferisch und nicht nur angesichts aktueller Umfragen bestens gestimmt, gehts in die heiße Phase im Dresdner OB-Wahlkampf. Läuft! #obwdd #FDP“.
Moment mal. Meint er jenen Dirk Hilbert, der laut amtlicher Veröffentlichung der Landeshauptstadt Dresden einen Tag zuvor bis zum Stichtag genug Unterstützerunterschriften gesammelt habe, um als Kandidat zur OB-Wahl zugelassen zu werden? Der als Erster Bürgermeister seine Parteimitgliedschaft ruhen lässt, um ein Kandidat für alle Dresdner zu sein? Dessen Wahlplakate in den Dresdner Stadtfarben gehalten sind, aber jeglichen Parteiverweis vermissen lassen?
Ich hab nochmal nachgesehen, vorsichtshalber, man will ja nichts Falsches behaupten. Aber es gibt tatsächlich nur einen Dirk Hilbert unter den sechs Bewerber_innen für das Amt. Dann wird er es wohl doch sein.

Nun wird die Dresdner FDP wissen, dass sie als Stadtratspartei ohne weiteres einen Kandidaten zur Wahl hätte aufstellen können, ohne mühevoll 240 Unterschriften einzutreiben. Daran kann es nicht liegen.
Doch erinnern wir uns: Herr Zastrow kommt aus der werbenden Zunft und hat schon oft das schlechte Bild „der Marke FDP“ beklagt (völlig zu Recht übrigens, auch wenn wir über die Gründe sicher sehr verschiedener Ansicht sind). Logisch, dass man dieses tote Pferd nicht reiten will im Wahlkampf. Zumal in einem, in dem die FDP – durch welch seltsame Fügungen auch immer – die Chance hat, einen OB-Posten in einer Halbmillionenstadt mit einem Parteimitglied zu besetzen.
Also ist Camouflage angesagt. Der Kandidat gibt sich überparteilich und unabhängig – die Parteilogistik wird er sicher dennoch in Anspruch nehmen. Und nachdem der Text auf dem Wahlzettel feststeht (Herr Hilbert tritt unter dem schönen Titel „Unabhängige Bürger für Dresden“ an), kann man am Tag danach die Katze auch aus dem Sack lassen.

Nun weiß ich über die Abhängigkeiten des Menschen Dirk Hilbert recht wenig, es ist ihm zu wünschen, dass sich jene in (legalen) Grenzen halten, und gutes Essen – wie sein Körperbau nahelegt – ist eine lässliche Sucht. Der Politiker Hilbert hat da aber dann doch einige Verpflichtungen, so ein Wahlkampf will bezahlt werden und das Salär eines Bürgermeisters ist nicht eben fürstlich. Da kommt eine Partei wie die immer noch recht vermögende FDP im Hintergrund sicher recht.
Nur wird damit die Beschreibung auf dem Wahlzettel zur Mogelpackung, wo Hilbert draufsteht, ist FDP drin. Seit dem Trojanischen Krieg weiß man um die Wirksamkeit solcher Tarnungen, und auch wenn es mir fernliegt, Herrn Hilbert mit einem hohlen Holzpferd zu vergleichen, entspricht dies sicher nicht dem Geist des Wahlgesetzes. Deswegen auch die harte Zueignung einer „sehr speziellen Form des Wahlbetrugs“, denn „Schummelei“ klingt mir dann doch zu harmlos. Vermutlich mag das alles halbwegs rechtens sein (und wenn nicht, wie im Fall Töberich, scheint es den FDP-Protagonisten auch egal), aber sauber ist es nicht.

Dresden ist ja immer für eine Provinzposse gut, und so könnte es durchaus dazu kommen, dass die FDP eine wichtige Wahl gewinnt, weil sich ihr Kandidat alle Mühe gibt, nicht mit ihr in Verbindung gebracht zu werden. Über seine fachliche Eignung mag man streiten, für mich hat er in immerhin schon vierzehn Jahren Wirtschaftsbürgermeister nicht viel gerissen, Dresden hängt inzwischen deutlich hinter Leipzig zurück. Richtig große Schnitzer sind ihm aber auch nicht unterlaufen (wenn man von den Querelen um die Besetzung des Amtsleiters für Wirtschaftsförderung mal absieht), er hat sich offenbar seine Strategie bei Mutti (Merkel) und Vati (Tillich) abgeschaut.

Und da Zwerg Ulberich erkennbar wenig Ambitionen hat, das zünftige Amt des kommandierenden Innen-Generals für Sachsen für den anstrengenden Job eines Dresdner Oberbürgermeisters aufzugeben und seine Rolle als Adabei gefunden zu haben scheint, der traurige Vogel von der AfD und die Tatjana aus dem Land der Finsterlinge sich um den Protestwähleranteil streiten werden und Lara Liqueurs Freibier sicher nicht für eine Mehrheit reicht, bleibt nur Eva-Maria Stange, dieses Szenario zu verhindern.
Jene tritt übrigens auch als Vertreterin einer Wählerinitiative an, macht aber keinen Hehl daraus, welche Parteien sie unterstützen. Und da jene auch die Mehrheit im Stadtrat bilden, wäre ihre Wahl nicht nur wünschenswert, sondern auch hilfreich für eine funktionierende Stadtregierung. Anderenfalls wird künftig jede Stadtratssitzung zur Kraftprobe zwischen dem OB und der Ratsmehrheit, Entscheidungen werden da sicher selten fallen.

PS vom 15.05. zu den Kommentaren:
Im Normalfall bin ich der Ansicht, dass sich jeder für sich selbst blamiert mit seinem Beitrag. Zwei hab ich dann aber doch gelöscht, von einem wirr scheinenden Herrn mit Hut und dem Titel 15. OB-Kandidat und einen, der Frau Stange was mit der SED-Keule überbraten wollte. Das war mir dann doch zu doof.
Zu allem Weiteren gibt es einen neuen Beitrag.

8 Kommentare

  1. Der Lars

    Wenn Hilbert Oberbürgermeister wird, „wird künftig jede Stadtratssitzung zur Kraftprobe zwischen dem OB und der Ratsmehrheit, Entscheidungen werden da sicher selten fallen.“

    Danke für diesen letzten Satz ihres Artikels! Genau deshalb werde ich für Hilbert stimmen. Diese Schollbach-Formation braucht dringenst einen Gegenspieler. Am meisten bin ich von den Piraten enttäuscht, die ich für liberal gehalten habe. Die SPD hielt ich für eine vernünftige Partei, die nicht jeden Müll mitmacht, und hatte Hoffnung in sie gesetzt, dass sie das Korrektiv der Vernunft in dieser Koalition sein würden.
    Beide Parteien sind in dieser Formation eine große Enttäuschung, also muß der OB das Korrektiv darstellen. Und das kann Fr. Stange einfach nicht.

    • DresdenFourFriends

      Stimmt – dann doch lieber FDP wählen, diese ehrliche Vereinigung, die nicht einfach mal die Steuern für Hotelbesitzer senkt, das Entwicklungshilfeministerium auch wirklich wie versprochen abschafft und nicht einfach mehr Leute einstellt (halt genau andersherum) aber wenigstens ihre gutbürgerlichen Ziele nach mehr Privatisierung von Gewinnen und solidarisierung der Verluste durchsetzt :o) Richtig so 😉

  2. Torsten

    Ich habe mir das Foto gerade angesehen. Ich hatte es schon geahnt: der freundliche und reife Herr Lohmeyer war bei der Party ja auch mit dabei und bei DIESER Gruppendynamik sind wahrscheinlich vor lauter Freundlichkeit und Reife ein paar Sicherungen durchgeknallt. Herr Hilbert kann so ein Foto jedoch einfach nicht bringen, wenn er (parteiunabhängiger) OB werden will. Sehr unprofessionell.
    Andererseits: Kann es sein, dass Zastrow gar nicht will, dass Hilbert gewinnt? Dieses Foto gibt Hilbert bestimmt keinen Rückenwind.

  3. Torsten

    Interessanter Aspekt das (Hilbert im Tarnanzug) jedenfalls. Der Eindruck, Hilbert sei der Kandidat der FDP entsteht m.E. durch Zastrows generell oft fahrlässigen Kommunikationsstil. Hilberts Leistung als Wirtschafts-Bürgermeister kann ich nicht beurteilen. Allerdings ist er mir in seiner Zeit als Interims-OB im Zusammenhang mit dem 13.2.(2013?) positiv aufgefallen, hat er doch damals tatsächlich den Eindruck erweckt, eine Menschenkette gegen Nazis sei nicht genug und Gespräche mit Dresden-Nazifrei seien wichtig. Das hat mir bisschen imponiert, gerade weil Orosz in der Beziehung immer so getan hätte, als würde sie vom Ekel übermannt, würde sie mit linken Leuten an einem Tisch sitzen müssen.

  4. Teichelmauke

    Eine sicher notwendige Anmerkung: Prinzipiell „genehmige“ (so heißt das wirklich auf wordpress) ich jeden Kommentar, solange er den Mindeststandards an menschliche Kommunikation genügt. Egal, ob er nun besonders klug ist oder nicht …

    • Hendrik

      Na dafür möchte ich mich doch mal ganz herzlich bedanken! Wow, eine Kommentarfunktion, die unkluge Kommentare zulässt. Ein Hauch von Demokratie.

      PS1: Ich möchte ja kein Krümelkacker sein, aber man hätte auch schreiben können: … „Egal, ob er [der Kommentar] meiner Meinung oder der Meinung meiner Partei entspricht.“.

      PS2: Löschen (bzw. „nicht genehmigen“ oder „Spam“ im Sinne von WordPress) geht auch. Bestätigt dann
      eben auch, dass der Namenszusatz „Bündnis90“ inhaltlich völlig überflüssig wäre.

  5. Hendrik

    Der Duktus des gesamten Artikel lässt die Abneigung des Verfassers zum OBM-Kandidaten Hilbert deutlich erkennen. Im letzten Absatz wird auch die letzte Fassade einer nicht vermuteten Objektivität fallen gelassen. Billiges Schubladen-Denken auf dem Niveau eines Spaziergängers.

    Hilbert ist erkennbares FDP-Mitglied seit Jahren. Jetzt lässt er seine Partei-Mitgliedschaft ruhen, um als unabhängiger Kandidat OBM von Dresden zu werden. Und die Bürger dieser gespaltene Stadt etwas parteiunabhängig zu einen. Was bitte ist daran verwerflich? Er geht den etwas schwierigeren Weg des Unterschriften-Sammelns (statt der erforderlichen 240 Unterschriften sind es gerade mal reichlich 300 geworden) statt auf Partei-Ticket ohne Unterschriften-Risiko zu fahren.

    Dann gibt es ein Foto zu fortgeschrittener Stunde plus den zitierten Text. Klug ist das nicht gerade von der FDP. Aber hat ihn Hilbert gepostet? Nein.

    Die anderen Boshaftigkeiten des Artikels sehe ich mal der Hoffnungslosigkeit für die Kandidatin der Stange geschuldet. Der Wunsch für eine im Gleichschritt mit dem aktuellen Stadtrat marschierende Oberbürgermeisterin wird bis zur Neuwahl des Stadtrates Makulatur bleiben. Dresden bleibt eine gespaltene Stadt.

    Zumindest die politisch eher unbedeutende Person des künftigen OBM wahrt das Ungleichgewicht.

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