Getagged: Oberlausitz

Der kleine und der große Unterschied

Ein paar Tage lang konnte man sich der Illusion hingeben, die Schreck- und Freudenschüsse nach den Wahlen am letzten Mai-Sonntag könnten dazu führen, daß neue Wege eingeschlagen werden, um zu retten, was noch zu retten ist an Zivilisiertheit im Inneren und Ansehen in der Welt, grad im äußersten Osten von Sachsen:

Ein Salon-Nazi mit den meisten Stimmen bei der OB-Wahl in Görlitz, aber sehr weit von einer großmäulig prophezeiten absoluten Mehrheit entfernt und deutlich dahinter ein CDU-Bewerber, der grad mal 30% der Wähler*innen von sich überzeugen konnte und damit fast exakt das Ergebnis des Gegenkandidaten bei der letzten OB-Wahl 2012 erreichte – das Potential der CDU in dieser Region also bestenfalls zur Hälfte ausschöpfte.

Gleich dahinter mit nur 2,4 %-Punkten oder 641 Stimmen weniger eine Bewerberin, die es „trotz“ ihrer grünen Herkunft schaffte, ein breites Bündnis hinter sich zu versammeln, und eine Kandidatin der Linken, deren Anteil von 1.470 Stimmen oder 5,5% im Verhältnis ähnlich desaströs war wie jener der CDU (exakte Zahlen hier: https://www.goerlitz.de/uploads/OB2019_1WG.pdf )

Angesichts der Tatsache, daß die AfD zwar wieder stärkste Kraft in Sachsen geworden war (wenn auch mit deutlich geringerem Stimmenanteil als noch zur Bundestagswahl 2017 und diesen ersten Platz somit nur dank der andauernden Schwäche der CDU bekam) und die nächsten Wahlen schon fast vor der Tür stehen, waren sogar neue Töne zu hören. Selbst der großer politischer Phantasie unverdächtige MP sprach von einer „Vier-Parteien-Koalition“, die es dann eben zu bilden gelte.

Was hätte näher gelegen, als gerade in Görlitz einen ersten Schritt zu gehen und den potentiellen Partnern auch mal etwas anzubieten, wenn man machtpolitisch schon auf dem letzten Loch pfeift (oder in diesem Falle bläst – Herr Ursu ist gelernter Trompeter)?

 

Aber im Osten nichts Neues – für die CDU bedeutet Zusammenarbeit Unterordnung, auf der Gegenseite wohlgemerkt. So wird aus dem kleinen Unterschied von ein paar hundert Stimmen der große Unterschied der politischen Kultur – die Versorgung eines für den nächsten Landtag ausgesonderten Parteifreundes „im besten Alter“ ist wichtiger als ein Modell, daß Sachsen in den nächsten Jahren vor dem Schlimmsten bewahren könnte. (Ob dies von allen in der CDU auch gewollt ist, darf allerdings bezweifelt werden)

Über die Selbstüberschätzung und mangelnde Weitsicht der Linken, die (auch) zu dieser Situation geführt hat, könnte ein eigener Beitrag zu schreiben sein, in dem viel von Traurigkeit die Rede wäre, aber das ist hier nicht das Thema.

Hier geht es um den Krug der Union, der wohl zum letzten Mal zum Wasser ging an der Neiße, bevor er dann im September bricht.

Und so darf der wackere Octavian weiter auf seinen Thron-Anspruch beharren, ohne daß ihn irgendein Augustus in Dresden zurückpfeifen würde – Herr Kretschmer arbeitet sich derweilen lieber am Vergleich von Unvergleichbarem ab und ergänzt seine ohnehin schon beachtliche Stilblütensammlung. Ohne die Größe einer Franziska Schubert, der „Staatsräson“ die eigenen Ambitionen unterzuordnen, hätte man wohl dank der Dimpflichkeit der Sachsen-CDU (eigentlich ein bairischer Fachbegriff, der aber selbst dort nur noch selten zum Einsatz kommen muss, „Bräsigkeit“ ist vermutlich geläufiger) dann in Görlitz den ersten AfD-OB in Deutschland gehabt. Danke, CDU, für gar nichts.

Spannend wird aber, wie sich Herr Kretschmer oder wer auch immer im September dann die sächsische Karre aus dem blaubrauen Dreck ziehen soll, sich die Bildung einer Regierung jenseits der AfD vorstellt. Glaubt er, man müsse nur rufen, damit alle potentiellen Partner die dargebotene Regierungsbeteiligung brav apportieren?

Das kann er tun – Glauben ist Privatsache. Und zugegebenermaßen ist in zwei Fällen der inhaltliche Trieb vermutlich deutlich schwächer ausgeprägt als der institutionelle – man darf davon ausgehen, daß für Ministertitel einige programmatische Großmütter geopfert würden, sofern diese noch lebend aufzufinden sind bei SPD und FDP. Nur werden aus drei Rittern von der traurigen Gestalt noch keine Musketiere.

Da macht offenbar einer die Rechnung ohne den vermeintlich vierten im Bunde – nebenbei gesagt übrigens die einzige Partei, die sich in Sachsen als Sieger fühlen darf nach der Wahl am Sonntag. Alle anderen sind teilweise massiv abgeschmiert im Vergleich zu 2017, https://wahlen.sachsen.de/europawahl-2019-wahlergebnisse-6931.php zu https://wahlen.sachsen.de/bundestagswahl-2017-wahlergebnisse-5073.php – und komme mir niemand mit den vielen Kleinparteien als Grund: deren Konkurrenz betraf alle.

Ein Strippenzieher wie Kretschmer sollte wissen, daß Politik – vornehm ausgedrückt – aus Kompromissen besteht. Und wenn jetzt ein Ursus minimus blind nach dem Honig der Macht tappt, soll er das halt tun (und das hoffentlich nicht auch noch verkacken) – aber um so größer wird der Teil des Bärenfells sein, den die Strategen der CDU abgeben müssen, um ein Regierungsmäntelchen zu schneidern.

 

PS: Falls jetzt einer bei der CDU anfängt nachzuzählen, welche Ministerien wohl dran glauben müssen nach der Wahl – gerne, ein bißchen Grusel schadet nicht.

Aber es geht in erster Linie um die Programmatik. Da wird manch bittre Träne fließen bei den Verteidigern des „Weiter-So“, des ungehemmten Zukunftsverbrauchs, des Polizeistaats, der autofixierten Verkehrspolitik, der industriellen Landwirtschaft, kurz bei allem, was der CDU und ihren Hintersassen heute lieb und teuer ist. Denen kann man dann nur empfehlen, in Rente zu gehen und nach Görlitz zu ziehen. Soll schön dort sein, an sich.

Dar Commandante Teichelmauke kimmt zurick!

Wir alle erinnern uns noch der dramatischen Stunden am Buß- und Bettag des letzten Jahres, als ein Trupp von Freischärlern aus der Oberlausitz unter der Führung von Commandante Teichelmauke aus Langeweile die Radeberger Brauerei eroberte und mit dem „Kommando Klecker-Hans“ das MDR-Funkhaus besetzte. Zumindest zu besetzen glaubte, allerdings hatten die Kämpfer die Adresse verwechselt und waren beim unweit gelegenen freien Sender „coloRadio“ gelandet. Dort war der Widerstand naturgemäß gering, und als das letzte Eibauer gemeinsam getrunken war, zog sich der Stoßtrupp zur Beratung und in die Berge zurück. Und weil auch die Produkte der Radeberger Bierfabrik sich jenen der Äbrlausitz unterlegen zeigten, nutzte die Vulksbefrrreiungsoarmee die Grruppenrrrückfoahrkoarrte und es zog wieder Ruhe ein im Frrrei-, äh, Freistaat.

Doch im Untergrund schwelte es weiter … Und nun scheint der Tag des Aufbegehrens nicht mehr fern zu sein.

 Soeben (dreiviertelsieben im Frühfrühling 2014) sendete Al-Hamsterradio (werktags auch coloRadio genannt) auf allen seinen Wellen eine Audio-Botschaft, die einem Live-Mitschnitt der gestrigen Ansprache des verschollen geglaubten Commandante Teichelmauke an seinen engsten Führungszirkel im Inneren des Valtenbergs entstammt. Hier ist exklusiv die erste Abschrift, zum Teil ins Neu-Hochdeutsche übertragen:

  

(Feuerknistern, Gemurmel, leise Rülpser und Hochrufe, Flaschenbierklingeln, dann feste Schritte zu hören, kurze Stille)

 „Genussn, iech hoab anne grußartche Wiesjon fier unsr Vulk.

 Ich werde mich nun in Teichelmauke legen und ihr in Bälde als Teichelmaukilus, der Schaum- bzw. Sauerkrautrindfleischbreigeborene entsteigen.

Ich werde die Völker der ehemaligen Kreise Zittau, Löbau, Görlitz, Niesky und Bautzen einen und hinter mir versammeln, auf Dresden marschieren, den Neumarkt verhaften und den Stanislaus besetzen sowie die RRÄ – Räterepublik Äbrlausitz – ausrufen. Wir wählen den Doppelstatus „eingetragener Staat und gGmbH“. Meine Männer graben sich im Anschluss tief in die dortigen Würstchenbuden ein.

Dann boassiert erschtmoal goar nischt.

 Als Stanislaus nach zwei Wochen als vermisst gemeldet wird, kann ich ihn dann endlich der örtlichen Polizeidienststelle übergeben. Schon am nächsten Montag beruft er einen Krisenstab ein, der aus Frau von Schorlemer, seiner Gattin und ihm besteht, und bietet Verhandlungen an.

 Das mir nach kurzer Zeit angebotene Amt des Semperoper-Intendanten schlage ich wegen Unterforderung und Überbezahlung (oder umgekehrt) aus. Neue Geiseln brauch ich auch nicht, schon gar nicht von der FDP. Die Verhandlungen geraten ins Stocken. Steinmeier droht zu kommen.

 Aber die Hilflosigkeit der Regierung rührt mich dann doch noch rechtzeitig, außerdem geht das „Eibauer“ am Neumarkt zur Neige. Deshalb lasse ich mir schließlich Bautzen abhandeln, im Gegenzug kommt die Äbrlausitz in den Grenzen von 1648 frei. Was hätten wir auch mit dem Sorben-Kaff gewollt?

Freies Geleit für meine Truppen und jährlich die Einnahmen des Striezelmarktes für die nächsten 99 Jahre als „Tribut der Freiheit“ sind auch Bestandteil des Gesamtpakets, das Stanislaus und ich am folgenden Sonnabend abend im MDR gegenüber Helene Fischer als „ausgewogen und jeweils gerade noch vertretbar“ bezeichnen. Zum Glück hab ich die Strumpfmaske noch auf, so sieht mein Grinsen keiner.

 Das Folgende ist Routine.

Ich lass mich auf der Rückreise an der Autobahnkirche Uhyst zum Eier-Toller wählen und trete mit meinem Volk der Bunten Republik Neustadt (BRN) bei. „Nach meiner Kenntnis gilt das ab sofort“, höre ich mich der Presse antworten. Dann wird es wohl so sein.

Wegen der Vielzahl der Häupter meiner Lieben vereinbaren die Improvisierte Provisorische Regierung der BRN und wir, also ich, eine demokratische Quotenregelung: Die Äbrlausitzer erhalten kein aktives Wahlrecht in der BRN, dafür werde ich Frühstückspräsident auf Lebenszeit.

 Dann suche ich mir noch eine Statthalterin aus, die in Zittau für mich regiert, und beziehe meine Dienstsynakirmoschengoge in der (von dr Äbrlausitz aus gesehen) Exklave Neustadt. Nur um Reisekosten zu sparen, lasse ich verlautbaren, das ist ja viel dichter am Verkehrslandeplatz Drässdn Inter-Nazional. Fürs Erste begnüge ich mich dann mit dem „Stellenplan B“, der lediglich 80 Bedienstete und Zofen zur Absicherung der Wahrnehmung meiner Amts- und Repräsentationsgeschäfte vorsieht. Und trete umgehend meinen harten Dienst an.

 Ich bitte Euch nun um Zustimmung zu diesem Ploan. Gibt-es-Gegenstimmen-das-ist-nicht-der-Fall. Eenstimmch oagenumm. Ich doanke fiers Vertrrraun.“

 (Hochrufe und Flaschenbierklingeln werden deutlich lauter, vereinzelt ist Tischfeuerwerk zu vernehmen, vor der Höhle offenbar Böllerschüsse oder Liquidation der potentiellen Gegenstimmen)

 

 Nach Informationen von Al-Hamsterradio soll sich der Commandante inzwischen in die Teichelmauke begeben haben.