Gundi goes global und bleibt lokal
Ein Gundermann-Gedenkabend am 19.10.12 im Theaterhaus Rudi, Dresden-Mickten
Hütte voll im bluutschen Rudi, schon kurz nach Sieben. Der Gundermann-Freund ist pünktlich und vollzählig angetreten. Der „große“ Saal birst vor Menschen, dass es im großzügigen Souterrain noch eine Bühne gibt, muss sich erst rumsprechen.
Einige Musikschaffende versuchen sich oben wie unten an Gundi’s Werk. Das Ohr bedient sich bei Bedarf aus der Erinnerung, so wird auch das Verhunzte schön. Es wird inbrünstig mitgesungen und es kommt zu ersten Umarmungen. Einige Extremisten vollziehen gar das gefürchtete Mitklatschen.
Global geht Gundi deswegen, weil jetzt auch ein Holländer-Michel zur Gilde der Nachsänger gehört. Nach Schwaben ein weiterer Expansionserfolg. Und auf Russisch und Französisch soll es Gundi auch schon geben. Heute gehört uns Holland, morgen … Ach Quatsch. Blödes Zeilenfüllgebrabbel.
Im Keller werden auch Amateure und Debütanten auf die Bühne gelassen. Einer spielt und singt ähnlich schlecht wie Bob Dylan, wird aber sicher nicht so berühmt, diese Nische ist ja schon besetzt.
Die fast Einzige, die ich auf der Programmliste kenne, ist Barbara Thalheim. Deren Auftritt lässt ein bißchen auf sich warten, aber dann: es beginnt klassisch und wird dann aktueller, bleibt aber gut. Sicher ein schönes Konzert, wenn auch ein bißchen belehrend, was mir dann doch auf den Senkel geht. Ab in den Keller.
Dort darf ich immerhin die Sängerin auf die Wange küssen, als Ersatz-Muserich, traut sich sonst keiner. Nicht nur deshalb scheine ich einen interessanten Auftritt von Judith Reimann verpasst zu haben.
Aber auch der folgende Barde ist hörbar, schade, dass sich nur zehn Leute im geräumigen Keller verlieren. Dann wechselt es zu Betroffenheitslyrik, also wieder nach oben. Frau Thalheim immer noch am Set, nun fast rockig. Klingt gut. War aber schon die Zugabe.
Die Pausenmusik zielgruppengerecht klassischer Ostrock, modern abgemischt, was ihn nicht unbedingt besser macht.
Dann Herr Kondschak aus Tübingen, einer der Priester der Szene. Er hat seine Tochter mitgebracht, was in jeder Hinsicht erfreulich ist. Gott ist eine Frau, hab ich dabei gelernt.
Während der Herr Vater nur gelegentlich an Dieter Birr erinnert, tanzt Tochter Merle sehr schön und singt auch. Inhalt? Naja, … auch dabei, manchmal. Ein vertonter Lebenslauf, nichts Überraschendes. Manchmal aber doch ein bewegender Moment, für den es sich lohnt zu bleiben. Und „Stilles Glück“ ist dann sicher der Höhepunkt des Konzerts. Dann noch Gundi’s „Linda“ mit Geige, leicht verheult geh ich zum Rauchen.
Die Party (ja, werte Herren aus einer bekannten Nachtgaststätte, solche Partys gibt es auch) beginnt mit dem alten Skoda Octavia. Na gut, es ist eher eine Session. Und Platz zum Tanzen ist auch kaum. Aber die Sache nimmt Fahrt auf, als ich weiche (muss morgen früh raus) geht es offenbar erst richtig los. Schön für die Zurückbleibenden.
Im Nachgang: Was ist der heutige Gundi-Fan für einer, so im Durchschnitt? Schwierig, zu heterogen ist diese Gruppe. Ein klassischer Typus davon ist um die Fünfzig, Alt-Ossi, durchaus angekommen im neuen Leben, Mittelschicht, tritt bevorzugt in gemischtgeschlechtlichen Paaren auf, mit dem Hang zur Lagerfeuer- Nostalgie. Weeßte noch? In zehn Jahren werden sie sich erzählen, wer auch schon tot ist.
Aber es gibt auch viele andere.
Der Akademikeranteil und jener der Linken-Mitglieder scheint deutlich überdurchschnittlich zu sein, egal, das sind ja auch Menschen.
Es gibt auch einen Verein namens „Seilschaft“, wusste ich bisher nicht. Die passende Vokabel dazu heißt wohl rührig, zumindest hat jener zum 15. Todestag ein beachtliches Programm in mehreren Städten auf die Beine gestellt. Das Rudi ist zudem mit goldenen Worten des Meisters tapeziert, eine hübsche Idee.
Die Mitglieder des Vereins laufen stolz mit Hostessen-Schildchen rum, die sie als solche kenntlich machen. In den meisten Fällen hätte man das auch so gesehen.
Es ist vermutlich nicht mehr weit bis zur Ersten Gundischen Freikirche, aber warum auch nicht? Es gibt banalere Gründe fürs Glauben.
Ich geb heute kein endgültiges Urteil ab, ein Bericht muss reichen. Bin befangen und ein bißchen gerührt. Die Musik von Gundi fängt auch mich immer wieder ein, und die Party war größtenteils doch unterhaltsam.
Schön geschrieben und gut nachvollziehbar. Leider nicht jugendfrei, weshalb ich den Laptop jetzt zuklappen muss…
Gruß, Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
Ich bin mir zwar keiner Schuld bzgl. der Jugendunfreiheit bewusst, aber danke für das Lob.