Luise Millerowa wird im Pathos ertränkt


Gastspiel des „Prijut Komedianta“ St. Petersburg mit Schillers „Kabale und Liebe“ am 3.11.12 im Kleinen Haus Dresden (im Rahmen der „St. Petersburger Theaterspielzeit“)

Silence is sexy, das geniale Werk der Neubauten begleitet uns das ganze Stück über. Nur am Anfang ist offen, welche Stille gemeint ist.

Maximalbestuhlung im Saal, schwere Parfums und funkelnde Klunkern füllen diesen. Das Gastspiel ist fast ein Heimspiel, warum auch nicht?

Die Szenerie ist in ein Wohn-Tonstudio verlegt, Musiker Miller ist der Inhaber, gestraft mit seiner alt gewordenen Rockerbraut, gesegnet mit dem schönen Töchterlein Luise, auf das neben dem blassen Vorstandsassistenten Wurm auch der Oligarchensohn Ferdinand mehr als nur ein Auge geworfen haben. Nur letzterem gelingt die Eroberung des schönen Fräuleins, was dem Wurm aus den verschiedensten Gründen missfällt. Des (Firmen-) Präsidenten Walters Sohn wird im Hochzeits- und Machtpoker gebraucht.

Diese Translation in die Gegenwart scheint schlüssig, bezieht sich aber leider fast nur auf Bühne und Kostüm. Der durchgängig hohe Ton von Schiller passt einfach nicht mehr zum gewählten Ambiente, auch wenn er um einige zeitgerechte Sätze ergänzt wird. Zumindest mich begleitete das ganze Stück über ein gewisses Unbehagen ob dieser Differenz. Zumal auch noch einige unmotivierte Klamaukszenen dazu kamen, die dann gänzlich für Verwirrung sorgten.

Das Bühnenbild ist an sich eine gute Idee, nicht nur die Scheibe zwischen Studio und Aufnahmeraum gibt viel her. In letzterem findet die Hälfte aller Szenen statt, er ist auch Chefbüro, Managerfechthalle und Schlafgemach der Lady Milford. Nur … er ist weit im Hintergrund und von den vorderen Außenplätzen schlicht nicht einsehbar. Auch die Stimmen sind gedämpft, was allerdings bei den Über- oder besser Seitentiteln keine Rolle spielt. Jene, um auch das zu vermerken, schienen mir ein wenig lieblos erstellt, neben ärgerlichen Rechtschreibfehlern überforderte das Tempo der Einblendungen manchmal den Zuschauer. Auch das Timing war nicht immer glücklich.

Mal was Positives: Die Idee der absichtlich fehlgeleiteten SMS. Welche Scherereien damit verbunden sind, wussten sicher einige im Saal.

Die allgemein bekannte Handlung soll hier nicht nacherzählt werden, nur einige Anmerkungen: Lady Milford (wirklich reizend: Marina Iwanowa) war etwas eindimensional darzustellen, die Geschichte vom armen gefallenen Mädchen kaum glaubhaft. Eine Verführung mit dem Nerv-Klassiker „Je t’aime“ ist sicher nicht das Niveau der Lady, und die sich wie Kaugummi ziehende Szene mit Luise, in welcher die Milford zum Schönenreinengutenwahren bekehrt wird, empfand ich als Bestrafung. Des Zuschauers.

Generell gilt: Solange die Schauspieler (ob nun „Verdient“ oder nicht) in ihren Rollenklischees blieben, konnte man folgen. Sinneswandlungen oder Erkenntnisse nahm man (ich) ihnen aber kaum ab.

Eine Ausnahme vielleicht Ilja Del, dessen Ferdinand in seiner kalten Wut Größe gewann (die er dann aber wieder mit viel Pathos am Ende abzutragen hatte). Polina Tolstun (Luise) fand ich sehr gut in den Anfangsszenen, je dramatischer es wurde, desto mehr flüchtete sie jedoch in Stereotype.

Die Musik bediente sich aus dem reichen Repertoire der Rockklassiker, na gut, nicht überraschend, aber auch nicht störend. Und „Where did you sleep last night“ von Nirvana passt natürlich wie die Faust aufs Auge.

Das Ende ist schnell erzählt: Einige bewegende Bilder, aber auch oft Langeweile in den endlosen Dialogen, vereinzelt auch fast schon Fremdschämen ob der hölzernen Szenen. Die Cola-Vergiftung der Hauptakteure beendet gnädig das Spektakel.

Silence is sexy, yeah. But to much „Pathos“ is very unsexy, daragije Druhsja!

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