Euphorie im Sitzen
Das Figaro-Studiokonzert von Suzanne Vega am 24. Januar 2014 in Leipzig
Das war schon respektabel, was die nordamerikanische Ausnahmesängerin und ihr nicht minder hochklassiger Elektrogitarrist Jerry Lennart da boten, in der Theaterfabrik Sachsen, welche in Leipzig situiert, jener inzwischen größten Stadt besagten Landes, weswegen das mit dem Namen schon in Ordnung geht, dem der Location meine ich.
Der Jahres-Tourauftakt erfolgte mit einem Studiokonzert für das Radio, eine neue Platte ist seit einigen Wochen draußen, was in einem Vierteljahrhundert Suzanne Vega bisher erst siebenmal geschah, die Dame veröffentlicht wohldosiert. Wie der MDR zu dieser Ehre kam, ist mir nicht ganz klar, beweist aber, dass die interessierte Fachwelt sehr wohl unterscheiden kann zwischen dem inzwischen auch bundesweit gut positionierten hiesigen Kulturradio und dem maximal mittelmäßigen Rest der Anstalt.
Zur (kostenlosen) Karte kam ich übrigens wie die ältliche Jungfer zum Kind, nach mehreren vergeblichen eigenen Versuchen wurde ich dann sozusagen adoptiert und mitgenommen. Am Ende kommt alles wie es kommen muss.
Das Anwärmen des natürlich vollbesetzten schönen Saals wäre so vermutlich gar nicht nötig gewesen, aber auch beim Öffentlich-Rechtlichen geht man inzwischen auf Nummer Sicher und überlässt auch den Jubel nicht dem Zufall.
Und da war sie dann nun, Suzanne Vega, deren Psychotherapeutinnenstimme ich bislang nur aus dem Radio kannte. Eine zierliche Person, im Outfit ein wenig an den „Blauen Engel“ erinnernd, den Marlene on the Wall einst verkörperte, wenn auch mit ohne Strapse.
Mit jenem Hit fing es auch an, man muss die Menschen dort abholen wo sie sind.
Von Anfang an herrschte eine Stimmung im Saal, die man mit kuschlig-weihevoll am ehesten beschreiben kann. Andächtige Stille, disziplinierter Beifall, Euphorie, aber im Sitzen.
(Ich hab leider generell ein Problem mit Sitzkonzerten, von der Staatskapelle vielleicht mal abgesehen, weil Musik dann doch irgendwie immer auch in den Körper geht und man diesem Gefühl dann gern Raum geben mag, und sei es durch gemessenes Schwanken wie die Eiche im Wind, aber es sollte heute nicht sein. So wiegte ich wenigstens den Kopf im Rhythmus der wirklich schönen Melodien.)
Suzanne Vega spulte ein Programm ab, das nicht wirklich überraschend war, aber man hatte nie das Gefühl einer Routineübung. Da war viel Professionalität auf der Bühne. Wenn man zudem das Glück hat, von einem begnadeten Gitarristen wie Jerry Lennart kongenial unterstützt zu werden, kann man auch als Duo einen Saal vollauf zufriedenstellen, zumal man bei den glücklichen Kartengewinnern ohnehin offene Türen einrannte.
Da macht es auch nichts, dass die neuen Songs so klingen wie die alten. Das ist halt der Suzanne-Vega-Sound, seit Jahrzehnten perfektionierte Wellness für die kultivierten Ohren. Als die E-Gitarre mal kurz etwas lauter wurde, war der emotionale Höhepunkt des Abends erreicht.
Vielleicht würde ich anders urteilen, wenn mein Thekenenglisch für das Verständnis der Texte ausreichen würde. Doch diese Dimension des Schaffens von Vega bleibt mir vorerst verschlossen. (Wenn ich es später noch richtig lerne, will ich mich gern korrigieren.)
Nach einer im Wortsinne guten Stunde das vorläufige Konzertende, drei Zugaben folgen noch. Der Beifall wird zum Schluss hin heftiger, „Luka“ und „Tom’s Diner“ tun ihre Wirkung. Dann noch Signierstunde im Foyer, und die neue CD gibt es vorfristig. Was will man mehr?
Äh, ein paar Überraschungen vielleicht. Ein musikalischer Kontrapunkt, eine Coverversion von Cash, von mir aus auch von Madonna, irgendetwas Unerwartetes. Gern auch ein Moment der Hässlichkeit im konstant Schönen.
So bleibt mir als Fazit, dass ich mich – unbestritten auf sehr hohem Niveau – dann stellenweise – Pardon, Verehrteste, halten zu Gnaden – dann doch stellenweise etwas gelangweilt habe.
PS: „In Liverpool“, mein Lieblingslied, hat sie übrigens nicht gespielt. Vermutlich ahnte sie meine Insubordination. Geschieht mir recht. Muss ich es halt nachher zuhause hören.
„Die Ausgewogenheit entpuppt sich schon dann als seifige Worthülse, wenn MDR Figaro etwa ein eigenes Studio-Konzert mit Suzanne Vega wochenlang vor und vermutlich wochenlang nach dem eigentlichen Event mit Musik der Künstlerin promotet – auf Sendeplätzen, auf denen eigentlich Vielfalt geboten sein sollte“:
http://mehrlicht.twoday.net/stories/640155007/