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Die Metaphernschlacht im böhmischen Wald
„Die Räuber“, Friedrich Schiller, in der Regie von Sebastian Baumgarten gesehen am 20. April 2012 im Staatsschauspiel Dresden
Aus Schillers Frühwerk wird in der Regie von Sebastian Baumgarten ein Franz-zentriertes, mit zeitgeschichtlichen Metaphern vollgeladenes Schauspiel. In einer grandiosen Bühne kämpfen die ungleichen Brüder um ihre Rolle im Leben und die Gunst des zweifelnden Vaters. Durch die besondere Heraushebung von Franz und Amalia gewinnt Baumgarten einen eigenen Blick auf die Geschichte, der allerdings von einem Zuviel an Bezügen und Zitaten wieder verstellt wird.
Es ist eher eine Opernausstattung, finde ich, Bühne und Kostüme lassen die Herkunft des Inszenierungsteams erahnen. Was ja nicht schlecht sein muss.
Begonnen wird mit einer fulminanten Überraschung: Der sechsfache Hausknecht verwirrt anfangs, bereichert aber dank seiner / ihrer animalischen Beweglichkeit das Bühnenspiel ungemein. Erstes Bravo.
Man kommt recht schnell zur Sache mit Franzens Intrige. Der alte Graf von Moor will den Einflüsterungen seines Zweitgeborenen, den er immer verachtete und ihn das auch spüren ließ (die klassische schwere Kindheit) aber noch nicht recht lauschen, zumal ihm mit der vorlesenden Schwiegertochter in spe Amalia Angenehmeres winkt. Ob man diese nun unbedingt aus „Emmanuelle“ vortragen lassen muss, sei dahingestellt.
Der Graf wurde diesmal von Albrecht Goette vom Blatt gespielt, Dieter Mann war erkrankt. Aber es war dennoch zu sehen, dass die eingeschmolzene Rolle eines (hierfür überqualifizierten) Gaststars nicht bedurft hätte. Die Handlung trugen andere Figuren.
Noch winkt der „böse“ Franz nach seinen Ausbrüchen verlegen ins Publikum. Das soll sich bald ändern.
Szenenwechsel. In einer Leipziger Drill-Station (Warum eigentlich? Hier folgt doch die Ursache der Wirkung?) erhält der „gute“ Karl den verhängnisvollen Brief, der seine Terroristenkarriere begründet. So weit, so plausibel.
Franz umwirbt derweil mit den Mitteln des Schwanensee die treue Amalia, die aber standhaft bleibt. Deren Figur (Sonja Beißwenger voll gefordert in der anspruchsvollen Rolle) ist stark aufgewertet im Stück, sie verkörpert das Reine und Gute und ist damit in der Unterzahl.
Dennoch hat die Welt sich umgedreht, nur ist der erste Platz in Vaters Herzen derzeit nicht vergeben. Karl muss endgültig weg, das ist klar, und doch will Franz es nicht gern selbst getan haben. Der Plan muss nochmal in die Intrigenschmiede.
Franz als armer Tor? Im Spielplan verrutscht? Auch schön, Faust hatten wir lange nicht am Hause.
Gesucht wird nun ein Werkzeug, ein Pferd aus Troja, um des Vaters Herz zu stürmen. Der Zombie Hermann (muss ich wohl nochmal nachlesen) steht bereit. Zwar glaubt der Alte die Geschichte vom heldenhaften Ableben seines gefühlt einzigen Sohnes, mobbt Franz aber weiter. Und am Tode des armen Karl will er nicht schuld gewesen sein, erst recht nicht Franz, der nur mal kurz Hände waschen muss.
Nun hacken fünf Zwerge Holz im Takt zu Melodien aus Winnetou. (Ja, ich weiß, das Bild soll ein anderes sein, aber das hier ist ja mein Bild) Über den seltsamen Auftritt der Nonnen breiten wir den Mantel des Schweigens. Der Räuber, Brandschatzer und GEZ-Betrüger Karl von Moor wandelte sich wohl zwischenzeitlich zum Stülpner Karl oder allgemeinverständlich zum Robin Hood. Dann sind es sieben, die nach getaner Räuberarbeit friedlich das Abendessen einnehmen, kalorienarm und alkoholfrei. Nur ein Schneewittchen fehlt zum Idyll.
Der alte Mordbube Schufterle muss gehen, er passt nicht mehr zum gelifteten Markenauftritt. Allein, es ist zu spät, die Bande ist umzingelt. Karl ist fortan für die Durchhalteparolen zuständig, und da keiner der Genossen den Chef ausliefern will, kommt es bald zum großen Showdown. Aber erstmal ist Pause.
In der Vermutung, einen erholten Zuschauer vorzufinden, lässt Regisseur Baumgarten dann aus allen Rohren Metaphern in die Menge feuern.
Wir ertragen eine Grundsatzrede des Franz mit den üblichen Versatzstücken. Damit man es auch nicht falsch einordnet, gibt es Bilder von brennenden Büchern und Reichstagen dazu. Aha. Die lauwarme Symbolik des 33-45-89 ist ein erstes Buh wert.
Das zweite gibt es für das simple Bild mit Kampftrommeln und Runenschrift, das allein durch Lautstärke imponiert.
Irgendwann in der ersten Halbzeit wurde der Kapitän ausgewechselt, sprich Graf von Moor ging von uns. Ich gestehe, ich hab es nicht mitbekommen. Jedenfalls steigt jener wieder aus der Gruft und verleitet Amalia zu einer seltsamen Sprecharie. Der mit sauteuren Rosen auf der Szene erscheinenden Franz erhält von ihr mit ebenjenen eine ordentliche Tracht Prügel. Dann wird’s aber unappetitlich. Für alles zusammen Buh Nummer Drei.
Zurück im Wald, Karl ist den Häschern wie auch immer mit geringen Verlusten entronnen. Was den böhmischen Recken nicht glückte, gelingt dann aber einem Paterchen mit einer rührenden Geschichte, die Karl verdammt an die eigene erinnert. Spontan beschließt er, gen Franken, nach Hause zu ziehen.
Eh es untergeht: Das Bühnenbild ist eine wundersame Allzweckkonstruktion, die gefühlt ein Dutzend Szenenbilder ermöglicht. Bravo Zwo ist fast zuwenig des Lobes.
Jenes Bühnenbild muss dann auch irgendwie Afrika abbilden. Hm. Das wird schon alles seinen Sinn haben.
Die Wiederbegegnung mit Amalia findet teil-inkognito mit Karl als Großwildjäger statt. Dann gibt es noch eine angedeutete Titanic-Bug-Szene, ist ja grad Jahrestag. Ich ahne, das nimmt kein gutes Ende.
Zumindest für Spiegelberg, den Vize der Räuberkompanie, tritt dies schnell ein. Seine eigene Meuterei überlebt er nicht. Die Kameraden sind treu wie … ich kenn mich da nicht so aus.
Franz hat offenbar auch eine Farm in Afrika. Aber das bekommt ihm nicht, er wird vor Angst fast wahnsinnig und klärt vorsichtshalber seine Beziehung zur Religion. Richtig weiter bringt ihn das nicht, er bringt sich aus Angst vor dem Tode um. Offiziell heißt das „er richtete sich selbst“, in praxi versaut er erst seine Unterwäsche und haucht nachher recht unspektakulär sein Leben aus. Franz Moor hat seine Schuldigkeit getan, er kann vergehen.
In der Folge setzt ein Massensterben ein, das Geschehen wird unübersichtlich. Der Schweizer ist offenbar eher ein Samurai, Amalia leistet ihren Beitrag zum Thema „Sterbehilfe“, einige andere werden auch noch vermisst. Man weiß nicht recht, wer am Ende noch am Leben ist, aber zum Schlussapplaus sind alle wieder da.
Ist das zu albern? Mag sein, aber mit dem Ausflug nach Afrika ging mir die Ernsthaftigkeit flöten, tut mir leid.
Die unfreiwillige Krönung: Der fiese Räuber Namenlos wird zum Geburtshelfer und nimmt das Kindlein der sterbenden Amalia, nun ja, entgegen. Die angedeutete Entbindung der A. verdient den Peinlichkeitspreis 1. Klasse. Am Nabelschnürchen.
Der alte Moor vergeht nicht und lebet ewiglich, lernen wir in der Schlussszene. Sogar mit neuer Amalia. Aber nun kann uns nichts mehr erschüttern. Ende, der Applaus herzlich, aber nicht so üppig wie gewohnt.
Zu zwei Hauptdarstellern ist noch nichts gesagt worden: Matthias Reichwald hat den ihm gelassenen Raum meist genutzt, die Motive von Karl traten aber nicht so klar zutage, wie ich es mir gewünscht hätte. Das ist aber vor allem eine Frage der Regie.
Wolfgang Michalek war unbestritten der Star des Abends, der die Szenerie dominierte. Die Monologe waren grandios, im Spiel mit den anderen blieb er aber seltsam blass. Dennoch eine hervorragende Leistung.
Nein, es war nicht so, dass ich nur „böhmische Wälder“ verstand, wie Amalia so hübsch sagte. Es ist auch nicht so, dass mir das Stück gar nicht gefallen hätte. Ich hatte mir nur mehr versprochen.
„Die Räuber“ sind Allgemeingut am Theater, selbst ich hab schon drei Inszenierungen davon gesehen. Es ist sicher schwer, noch etwas Neues hineinzuinterpretieren. Aber willkürlich die Zeitgeschichte ins Stück zu pressen, reim dich oder ich fress dich, kann es auch nicht sein. Weniger wär hier mehr gewesen.
Übrigens, auch mal interessant: Vergleichende Rezensionsstudien.
Was sonst nur die Presseabteilung für die hauseigene Wandzeitung macht, hab ich für den Privatgebrauch getan (nein, ich hab nicht abgeschrieben oben, höchstens ganz wenig, und wenn überhaupt, dann nicht mit Absicht).
Erfreulicherweise wird unser Viertelprovinz-Theater immer öfter überregional wahrgenommen, und der Name Baumgarten ist stets für einen Skandal gut. Trotzdem gab es außer den drei üblichen Verdächtigen (SächsZ, DNN und nachtkritik.de) bis dato nur eine Besprechung in der Frankfurter Rundschau (wortgleich in der Berliner Zeitung) und eine in der Freien Presse aus Chemnitz, die ich fand.
Einig sind sich alle, ein opulentes Werk gesehen zu haben und finden Begriffe wie Schauspiel- bzw. Ton-, Musik- und Bildergemälde, Gesamtkunstwerk oder Deutschland-Installation. Allerdings werden auch Bezeichnungen wie inszenatorischer Budenzauber, Symbolwald oder Mammutabend verwendet, die das Unbehagen über ein Zuviel an Metaphern ausdrücken.
JedeR RezensentIn ergeht sich in Lobpreisungen von Wolfgang Michalek, hier soll nur die schönste wiederholt werden: „Er ist ein Böser, der in jedem Moment anders böse ist“. Wirklich unbestritten ist das ein Michalek-Abend, dem allerdings zu Gute kommt, dass das Stück von Regie und Dramaturgie konsequent auf Franz Moor ausgerichtet wurde.
Alle anderen Darsteller laufen mit einem respektvollem Abstand ein, auch der sonst hochgeschätzte Matthias Reichwald und Alt- und Gaststar Dieter Mann. Lediglich die FR sieht Sonja Beißwenger als Amalia auf Augenhöhe und erkennt Facetten, die den Kollegen offenbar verborgen blieben.
Das Gesamturteil der Rezensenten liegt dicht beisammen. Einig ist man sich, dass man immer noch einen Schiller sah (was nicht selbstverständlich sein soll), dessen Vorlage dramaturgisch geschickt in Richtung Franz gedreht wurde. Die aktuellen Bezüge waren nicht immer schlüssig, die Menge an Bezügen und Anspielungen drückte die Handlung teilweise beiseite. Gewisse Längen nach der Pause bemerkten drei der Schreiber, mit der Dauer von immerhin drei Stunden waren alle nicht recht glücklich.
Dennoch ging keiner unzufrieden nach Hause, man sah ein interessantes, diskussionswürdiges Stück und zum Teil erstklassige Schauspielerleistungen.
Tja, wenn man also genug Rezensionen nebeneinander legt und noch die eigene laienhafte Meinung hinzu nimmt, kriegt man fast ein objektives Bild, oder?
Egal, ob Objektivität oder qualifizierte Subjektivität: Ich empfehle hinzugehen und sich selbst ein Bild zu machen. Das nächste Mal .. siehe Spielplan. In diesem Theater.
Fröhlicher Nachruf auf das Käthchen von Dresden
„Das Käthchen von Heilbronn“, von Heinrich von Kleist, in der Regie von Julia Hölscher, gesehen am 5. Juni 2012 im Staatsschauspiel Dresden (letzte Vorstellung)
Warum schreibt man über letzte Vorstellungen? Weil man es vorher nicht gemacht hat. Weil es angebracht ist. Weil es gut war und das auch gesagt werden muss. Weil man sich bedanken will.
Theobald Friedeborn, Waffenschmied in Heilbronn, hat es nicht leicht im Leben. Erst stirbt die Frau, dann dreht die Tochter beim Anblick eines Ritters durch und stürzt sich aus dem Fenster. Kaum halbwegs genesen, läuft sie davon und fortan dem Grafen Wetter vom Strahl wie ein Hündchen hinterher. Das kann nur mit Zauberei zugehen. Der Kaiser soll es richten.
Eine nüchterne Szenerie bei Gericht, vor dem Vorhang. Der Kaiser hört den Theobald an, der vom Strahl, angeklagt als Mädchenverderber, ist peinlich berührt, kann nichts entgegenhalten und nichts erklären. Käthchen wird als Zeugin geladen, erkennt das Gericht aber nicht an, ihr hoher Herr ist der Graf. Also muss der das Verhör machen, was er auch hochnotpeinlich tut und trotzdem am Ende mit blütenweißem Hemde dasteht. Käthchen antwortet auf jede Frage in hilfloser Verwirrtheit, am Ende ist man so klug als wie zuvor. Also Freispruch aus Mangel an Beweisen, Theobald nimmt sein widerstrebendes Kind mit, aber nicht für lange, wie wir ahnen. Der Ärger fängt erst an.
Diese erste halbe Stunde ist übrigens ein schöner Beleg dafür, dass man ein Bühnenbild nicht immer braucht. Vier erstklassige Schauspieler reichen aus, dann entsteht das Bild von ganz allein im Kopfe.
Graf Wetter hat eigentlich andere Sorgen. Ihm gehört ein Ländchen, das einen unklaren Grundbucheintrag zu haben scheint. Zumindest bemüht sich Kunigunde von Thurneck nach Kräften, dieses zu erlangen und setzt hier entschlossen die Waffen der Frau ein (um sich mal auf dieses Niveau zu begeben). Zwei wackere Ritter hat sie schon im Kampf gegen den Grafen Wetter vom Strahl verschlissen, eh sie im Walde von ebenjenem dem enttäuschten Liebhaber Burggraf von Freiburg abgejagt wird. Es dauert eine Weile, ehe alle Beteiligten wissen, wer das Gegenüber ist, aber dann wird flugs das Kriegsbeil begraben. Kunigunde orientiert sich hurtig und erfolgreich um. Der kundige Zuschauer mag da an die Büchse der Pandora denken, die der Wetter da auf die heimische Burg schleppt, aber es ist zu spät. Er hat schon angebissen.
Käthchen erscheint wieder auf der Burg. Aber da ist ja schon das Fräulein Kunigunde. Der Graf jagt sie vors Tor, sie kampiert im Unterholz nahe der Burgmauern, bis ihr Vater erscheint und nach einem Befehl des Grafen Wetter an Käthchen sein Töchterlein wieder mitnimmt. Aber nun will sie ins Kloster, was ihm auch nicht die beste Lösung dünkt. Zurück darf sie jedenfalls auf des Grafen Geheiß nicht mehr. Für einen solch bedingungslosen Gehorsam sorgen sonst nur Religion, Ideologie oder diverse Substanzen. Aber dabei ist der Aufwand deutlich größer. Ach, die Lie-hi-hiebe …
Der Rheingraf vom Stein tritt auf, noch ein Bekloppter mehr im Rund. Auch er ein abgelegter Verehrer, auch er voller Rachegelüste. „Töten, töten!“ So richtig glaubt er seinem Rufen auch nicht, aber die Regeln sind nun mal so. Die Ritter sind bitter, wenn die Ehre nicht stimmt. Also rüstet er zum Überfall auf Schloss Thurneck, wo die frisch Verlobten inzwischen angekommen sind. Dort schweben diese auf einer rosa Wolke, bis nun wieder Käthchen Überall auftaucht und einen Brief präsentiert, den sie (Achtung, Kleistscher Kunstgriff) in dem ihr zugedachten Kloster erbeutet hat und der den feigen Anschlag ankündigt. Eh der Graf sie ernst nimmt (eigentlich tut das nur der Knappe Gottschalk), brennt die halbe Burg. Der Rheingraf ist angekommen und erklärt beiläufig, dass jetzt Krieg wäre.
Und nun die Schlüsselszene, oder zumindest eine davon. Kunigunde beklagt tränenreich den Verlust eines Bildes, das der Graf ihr verehrte, Käthchen Immerbereit stürzt sich ins Feuer und rettet dieses auf wundersame Weise. Doch sie erntet Undank: Nicht das Bild entbehrte Kunigunde, sondern das schlichte Futteral. Graf Wetter zweifelt erstmals an den sozialen Kompetenzen seiner Braut.
Zwischenzeitlich ist der Angriff abgewehrt, und in den Trümmern des Schlosses findet sich doch tatsächlich besagtes Futteral. Gottschalk entdeckt darin die Schenkungsurkunde fürs Ländle an Fräulein Kunigunde, ein Verlobungsgeschenk des Grafen. Aha! Da liegt der Hund begraben! Das ist des Pudels Kern! Wir erkennen zum einen Kunigundes praktischen Sinn und zum anderen, dass in diesem Falle Licht und Rauch eine tolle Szene perfektionieren. Das Publikum wird einigermaßen erschöpft in die Pause entlassen.
Erwähnte ich schon, dass ich der letzten Aufführung beiwohnte? Das Käthchen lief fünfundzwanzigmal, nun ist Schluss. Eigentlich schade, aber … Na ja, dazu später. Die zweite Hälfte beginnt metaphysisch. Graf Wetter weiß nicht recht, was ihm geschieht und vor allem nicht warum. Käthchen schläft rührend süß auf der Wiese, doch bevor der Graf auf dumme Gedanken kommen kann, spricht sie im Traum mit ihm. Ergebnis des angeregten Disputs: Irgendwie müssen sie beide parallel denselben Traum gehabt haben, sind sich gegenseitig erschienen, sie dabei von kaiserlichem Blute. Geht denn das? Alles ein bisschen viel für ihn. Käthchen des Kaisers Tochter? Und nu?
Aber Friedrich Wetter, Graf vom Strahl, stellt sich fortan aktiv seinem Schicksal. Auch dies eine Schlüsselszene, es offenbaren sich die Parallelwelten. Der Knappe Gottschalk (sehr ironisch Christian Friedel) hat das Talent, mit einem Satz die weihevolle Stimmung platzen zu lassen. Dann entdeckt Käthchen auch noch zufällig das eher nicht so süße Geheimnis von Kunigunde, deren Schönheitsoperationen wohl nicht immer ganz nebenwirkungsfrei waren. Diese schwört Rache, die natürlich ihre Zofe ausführen muss. Allein dazu kommt es nicht mehr. (Ohne ihre Gottschalks und Rosalies wären die hohen Herren übrigens ziemlich aufgeschmissen, aber das nur am Rande.)
Der Kaiser (wie lästig ihm das alles ist, zeigt überzeugend Ahmad Mesgarha) ist not amused über die Andichtung einer Vaterschaft, das greift ja auch in Erbregelungen ein. Theobald als angeblich Gehörnter soll es richten und muss als Duellant ran, in seinem Alter. Ein Gottesurteil soll es werden. Und wird es auch. Graf Wetter (Wolfgang Michalek sehr glaubhaft in der Wandlung vom Irritierten zum Liebenden) zwingt den armen Ex-Vater nur durch seinen Blick in die Knie. Damit wäre auch das geklärt.
Nun steht eine Hochzeit vor der Tür. Der Bräutigam steht fest, die Braut eigentlich auch, aber … Das Schicksal dreht sich. Ein leutseliger Kaiser erinnert sich eines Festes vor knapp 17 Jahren in ebenjenem Heilbronn und an die amouröse Begegnung mit einer Gertrud. Nun muss Theobald wieder leiden, denn Gertrud hieß seine Verblichene. Deren Tochter wird spontan mit dem Titel „Katharina von Schwaben“ versehen, schon mal nicht schlecht für den Anfang. Dann wird sie noch dem Grafen als Braut zugeführt, nun ist es ja auch standesgemäß. Theobald (authentisch in seiner Verzweiflung Torsten Ranft) wird mit lebenslang Kost und Logis abgefunden, immerhin, eine Belohnung für die Aufzucht des Kuckuckskindes.
Nun wird ordentlich geknutscht und Liebe gestanden, dann auch geheiratet. Es zieht sich jetzt ein wenig. Kunigunde (gewohnt zickig Rosa Enskat) ist bei der Feierei übrig und sehr allein, selbst ihre Rosalie walzert mit. Ein wunderschönes Käthchen (Annika Schilling in einer Rolle, die Kleist für sie geschrieben haben könnte, anrührend und begeisternd) sitzt am Ende an der Bühnenkante und kann ihr Glück kaum fassen.
Vorhang. Riesengroßer Applaus.
Eigentlich ist die Geschichte ja hanebüchener Unsinn (auch Goethe war da übrigens meiner Meinung). Da wird ein Mädchen allein vom Anblick eines Ritters willenlos. Da fliegt ein Todkranker durch die Silvesternacht, da holt ein junges Ding barfuss ein Bildchen aus einem brennenden Haus. Alles macht der Cherub. Und dann entpuppt sich die Prinzessin Kunigunde noch als eine Art Homunkulus. Ziemlich starker Tobak. Wie zu lesen ist, war auch Kleist der Meinung, dass da noch ein wenig Feinschliff nötig wäre. Aber die Zeit hatte er ja nicht mehr. Trotzdem – oder gerade deshalb – eine wunderbare Spielwiese für die Inszenatoren.
Und die haben sie weidlich genutzt. Es war eine sehr unterhaltsame Aufführung, ohne in Klamotte abzurutschen, wie in letzter Zeit einige Male vorgekommen. Die „25.“ hätte für mich nicht der Schluss sein müssen, auch die Begeisterung des zugegebenermaßen nur halbvollen Saals am Ende gibt mir Recht.
Aber alles hat natürlich ein Ende, und schafft dann Platz für Neues. Also wünsche ich mir für die Zukunft ähnliche Inszenierungen, von Julia Hölscher und mit Annika Schilling, Wolfgang Michalek, Torsten Ranft und all den anderen. Aber erstmal „danke“ bis hierhin.
Kunst im Wasser-Bau
Das ORNÖ war 2012 nochmal in das Wasserwerk Saloppe gezogen und tat gut daran. Der altehrwürdige Bau mit seinen vielen Zimmerchen und den großen, tiefen Hallen bot den idealen Hintergrund für eine Ausstellung aktueller Kunst, die ich vorab schon mal als gelungen und sehenswert bezeichnen möchte.
Empfangen wird man von einer hübschen Arche Noah, einer Doppelskulptur und einer Komposition aus Klobecken und Badewanne. Letztere entfaltet ihre Wirkung sicher erst bei Dunkelheit und fließendem Wasser, weshalb ich mich hier mit einer Bewertung zurückhalten muss. Ich kam schlicht zu früh.
Den linken Eingang wählend, stehe ich vor recht großformatigen Bildern, eines davon namens „Silicon Valley“ lässt ein winziges Männchen mit einer Hebebühne das Dekollete einer überdimensionalen Dame erobern. Naja. Die Spaßgesellschaft verlangt offenbar ihr Recht. Der realistische schweizer Kesselwagen sagt mir mehr zu, ebenso wie das Mädchen mit Krähe.
(Ich muss mich hier entschuldigen, dass ich meist weder die Künstler noch die Namen der Werke exakt wiedergebe. Die Suche nach Hinweisen ist mühselig, ich hatte meinen Faultag und einen Katalog oder wenigstens einen Flyer mit einem Ausstellungsplan gibt es nicht. Auch nicht im Netz, schade. So beschränke ich mich in der namentlichen Nennung auf die, die mir am besten gefielen.)
Einer davon ist Stephan Popella. Seine vier Gemälde in einem separaten Raum gleich links begeistern mich alle, am meisten das, was ich für mich „zweifelnder Jugendfreund vor Generalsekretär“ nenne.
Gleich daneben der für mich am stimmigsten durchkomponierte Raum, die Künstlerin möge mir verzeihen, dass ich vergaß, ihren Namen zu notieren.
Viktoria Graf fällt mir im Obergeschoss noch auf, mit einem wieder sehr assoziationsreichen Bild, dazu ein Mädchen im roten Kleid mit wehendem Haar und die um einen Tisch versammelten Holzskulpturen.
Im ersten großen Raum angelangt, sollte man sich umgehend nach scharf rechts wenden, sehenswerte Bilder und Fotografien (?). Der kleine Junge vor dem Pferdekopf weckt mein Interesse.
Ich steige in die Tiefen des Wasserwerks, eine Künstlerin namens Peggy – Ähh – (auch hier wieder Tschuldigung) bewacht höchstselbst die ihr zugewiesene Industriegrotte und vertreibt sich die Zeit mit Malen. Zu dieser frühen Stunde sind noch recht wenige Besucher unterwegs, da ist der Wachdienst entspannt. Am besten gefällt mir hier eine Art senkrechtes Triptychon voller Weiblichkeit. Das wird mir sicher niemand verübeln.
Auch sehr schön: Ein Trinkbrunnen mit Mosaikkacheln. Der war allerdings schon vorher da und bleibt sicher auch noch länger.
Nun ereilt mich aber ein Ärgernis: Minutenlang grübele ich, was wohl die drei grünen Fingermonster für eine Bedeutung haben, bis es dämmert. Der Sponsor lässt grüßen. Ästhetisch ist dies ein Schlag in die Fresse des Besuchers, aber zumindest zeigen sie deutlich, wo der Unterschied zwischen Kunst und Gewerbe liegt. So hat halt alles sein Gutes, und die Nebenkosten müssen ja auch irgendwie bezahlt werden.
In einem Hinterraum treffe ich auf eine kopflose Figur, deren äußere Beschaffenheit an Fußballleder erinnert. Hübsche Assoziationen fallen mir da ein, es ist wohl nicht nötig, die noch extra aufzuschreiben?
Noch ein Lieblingsbild: Eine Dame in Dunkelblau beim Lippennachziehen, sie wendet mir den Rücken zu, aber im schrägen Spiegel seh ich ihr Gesicht. Sehr anregend.
Auch der sich nach hinten überbeugende Frauenkörper in der Mitte des Raums ist ansprechend, allerdings von grünglibberigen Sitzpfoten umgeben. Muss man sich halt wegdenken oder die Dinger beiseite räumen.
In der dritten und letzten Abteilung, direkt über der Freitreppe fällt zunächst eine wellenartige Installation aus Teebeuteln ins Auge. Vielleicht ist es auch eine Rutsche. Seltsamerweise riecht es gar nicht nach Tee.
Kay Pyta hat einen Raum am Ende der Etage mit seinen Fotografien gestaltet. Ach Augenblick, verweile doch, du bist so schön … Und die Fotos erst. Gänsehaut.
Ganz oben unterm Dach dann noch ein Raum, der sich mit der Flu-huut befasst (hätten wir zum Jubiläum das also auch bespielt), mir aber nicht so zusagt. Interessante Zeichnungen von Constanze Deutsch kommen noch, und die Stadtpläne aus Buchstaben, die die jeweiligen Viertel abbilden. Ganz originell, aber eher Gebrauchskunst, auch wenn die Sonderdrucke sicher dekorativ sind.
Nach knapp zwei Stunden steh ich wieder im Hof. Das hat Spaß gemacht. Mein zweiter Besuch wird sicher am Abend stattfinden, dann gibt es sicher noch ganz andere Eindrücke.
Hiermit wärmstens empfohlen, das Ganze.
(Nur leider nicht mehr besuchbar, seit Ende August ist Schluss)
In echt
„Kleider machen Leute“, eine Fotoausstellung von Herlinde Koelbl im Deutschen Hygiene-Museum Dresden, leider schon Geschichte
Die Idee ist gut. Das Gegenüberstellen von Menschen in ihrer Berufskleidung mit sich selber im Freizeitlook bringt Erkenntnisse. Der einen und der anderen Art.
Das Ganze ist etwas militärlastig, klar, hier geht nichts ohne Uniform. Und reichlich „hohe Tiere“ dabei, zu reichlich. Manchmal schälen sich erstaunliche Menschen aus der martialischen Umhüllung, es gilt zumindest ein Vorurteil zu begraben.
Es wiederholt sich allerdings häufig, der 20. Soldat mit immer demselben Text ist nicht mehr interessant.
Überhaupt, die Texte. Man hat den Abgebildeten meist keinen Gefallen getan, als man sie über sich schreiben ließ. Banal und erwartbar das meiste, zum Teil auch peinlich. Von der angekündigten Empathie der Fotografin hab ich da nichts bemerkt, ich würde eher „Zur-Schau-stellen“ dazu sagen.
Die Ausstellung hat eine klare Botschaft: Der Mensch ist in der Uniform am besten angezogen. Wenn man ihm die Wahl der Kleidung selbst überlässt, kommt oft nichts Gutes dabei raus. Ich hab schon lang nicht mehr so viele schlecht angezogene Leute gesehen.
Auch psychisch gibt die Uniform Halt und Stärke. Während die Portraitierten sich im Berufskleid der Würde ihres Standes bewusst sind und das auch in ihrer Körperhaltung ausdrücken, wirken sie auf den privaten Aufnahmen meist linkisch und verkrampft. Nur wenige sind so cool wie der Rechtsanwalt, der keine Freizeitkleidung besitzt und sich folglich nackt präsentiert.
Wie schon geahnt, erscheint Bischof Müller privat in seiner Ballonseide auch äußerlich als das, was er sonst nur innerlich ist: Ein prolliger Spießbürger. Man muss ihm dankbar sein für soviel Offenheit.
Ein Jäger sieht seinem Hund ähnlich, ein Investmentbanker legt sein aufgeschweißtes Lächeln auch privat nicht ab.
Die meisten haben offenbar eine Flucht in die Uniform vollzogen, Identitätsstiftung findet durch Arbeit und Amt statt, weil da sonst nicht viel ist. Wenn sie die Uniform ins Private verlassen, ist dies keine Befreiung, sondern der Verlust der schützenden Hülle.
Ist das repräsentativ? Möglich. Zumindest macht es nachdenklich. Braucht der Mensch wirklich diese Herdensymbolik für sein Selbstvertrauen? Das Sein bestimmt das Bewusstsein, ja … Aber das Sein ist doch nicht die Uniform, die man anhat?
Die Fotoschnipsel vor der Tür sind lustig, verspielt und machen Lust, sie den gesehenen Bildern zuzuordnen. Ein versöhnender Abschluss.
Von Göttern und Bestien
„Die Leidenschaften“, ein (Ausstellungs-) Drama in fünf Akten im Deutschen Hygiene-Museum Dresden
Nein, ich bin kein Museumspädagoge. Auch keine promovierte Kulturhistorikerin. Aber wenn eine Ausstellung so eindeutig auf die darstellende Kunst Bezug nimmt, fühl ich mich doch angesprochen. Und zuständig, auch hier einige Eindrücke aus Laiensicht der aufhorchenden Öffentlichkeit zur Kenntnis zu bringen.
Das Vorspiel findet in einem barock-plüschigen Foyer statt, es scheint nur ein Garderobier zu fehlen. Immerhin gibt es die Platzanweiserin, auch wenn es an Sitzgelegenheiten mangeln wird in der Folge.
Akt Eins, Einführung ins Thema. Eine nüchterne Küche, auch die anderen Räume des (emotionalen) Haushalts sehr spartanisch und aufgeräumt. Ich lerne als erstes, dass der Zorn in der Nase sitzen soll laut Altem Testament und muss unwillkürlich niesen. Der Kindermund in der Ecke ist beim ersten Hören interessant, ab dem zweiten nervt er, nicht nur durch Lautstärke. Schnell weiter.
Die ausgestellten Gefühlsmasken aus dem japanischen Theater wären auch heute hilfreich, finde ich, zumindest für Menschen mit unterentwickelter Mimik. Wo gibt es die denn?
Angstschweiß riecht anders. Ich überlege, wie ich dies durch einen Versuch überprüfen kann. Die experimentelle Psychologie hält auch hier sicher ein Vorbild bereit, näher beschrieben wird aber nur der klassische Pawlow und andere Formen der Konditionierung.
Witzig im besten Sinne: Das riesige Krokodil und das Schälchen Mandeln. Dass Kaninchen zu den sensibelsten Tieren gehören, ist mir neu. Das Killer-Viech bei Monty Python muss da wohl aus der Art geschlagen sein.
In der zwoten Abteilung (oder auch Akt) befindet sich ein Teil der Einrichtung in beträchtlicher Schieflage, könnte jederzeit außer Kontrolle geraten. Die Gegenseite ist stabil. Die Schlacht der Definitionen: Sind die Leidenschaften nun der Wind, der die Segel des Lebens füllt oder der Krebsschaden für die praktische Vernunft? Führt Selbstbeherrschung zur Vervollkommnung oder müssen die Triebe ausgelebt werden, um den stoischen Idealzustand zu erreichen? Such dir was aus.
Auch der Dalai Lama und der Papst kommen zu Wort und haben gewohnt Nichtssagendes-Gutklingendes beizutragen.
Akt Drei, es scheint ein Orkan durchs Haus gebraust zu sein. Man wird mit „Psycho“ empfangen, auch sonst sind einige Erschröcklichkeiten zu sehen, aber der Putzdienst ist wohl grad durch, alles blitzeblank.
Gegen Angst gibt es immerhin das „Keine-Angst-Licht“, bei Trauer ist das schwieriger. Die Sammlung von Kotztüten ist beeindruckend. Aber das Personal ist ebenso freundlich wie aufmerksam, und mir ist auch gar nicht mehr schlecht.
„Little death“ ist hier der im Zeitraffer gezeigte Verwesungsprozess eines Hasen, das kannte ich bisher anders, aber ein Museum ist ja zur Bildung da.
Der Ekel ist laut Freud Ausdruck verdrängter Triebe, besonders der bürgerlich konditionierte Mensch sei dafür anfällig. Hm, klingt plausibel.
Erwähnenswert weiterhin der „Brustmilchstuhl“ (bitte medizinisch verstehen) und eine original Toilettentür aus einer original Dresdner Schule mit originalen Sprüchen darauf. Ein Feld, das die Wissenschaft m. E. bisher unzureichend beackert.
Nun mein Lieblingsexponat: Der Mimosengarten zum Selbstanbau. Das hab ich mir schon immer gewünscht.
Das sagenumwobene Westpaket (leider ohne den unverwechselbaren Geruch von Sonderangebotskaffee und billigen Seifen) steht hier neben einem Modell der Milchdrüsen mit und ohne Beanspruchung. Warum auch nicht, alles hat mit allem zu tun.
Meinen Sonderpreis erhält der Fernsehbeitrag über Zinedine Zidane und seinen heiligen Zorn. Immer wieder schön anzusehen, wenn auch tragisch im Ausgang. Dann hat wohl die Philosophenschule doch recht, die meint, wir sollten uns im Zaume halten?
Vierter Akt, die Ordnung ist wieder hergestellt. Auch ein Beichtstuhl steht bereit. Für Wohlverhalten gibt es einen Bienchenstempel.
Hilfreich dabei, den Bürger zu Ruhe und Obrigkeitstreue zu geleiten, sind u.a. Erziehung, Religion, Arbeit, Ehe, Unterhaltung und Recht und Ordnung. Diese werden ausführlich beschrieben, der Teil zum Sex, der auch dazu gehören soll, fällt dagegen spärlich aus.
Die Schandmaske eines Wildschweins für Mitbürger, die sich entsprechend benehmen, sollte ins Strafgesetzbuch. Man muss sich aber freikaufen können davon, durch Hundehaufen-Einsammeln zum Beispiel.
Im fünften Akt bekommen wir eingangs wieder erklärt, was jetzt zu denken ist. Das finde ich minderwitzig. Der Text ist sicher gut gemeint, aber … mir wär es neutraler deutlich lieber gewesen.
Die Idee, auf das bisher durchschrittene Haus nunmehr von draußen zu schauen, ist allerdings grandios und spricht den Voyeur in dir und mir an.
Das „Berner Gebrüll“ kann ich, liebe Museumsleute, nicht mehr hören. Und ich bin mir sicher, dass ich die Mehrheit bin. Es ist einfach genug damit. Gefühlt zehntausendmal hat Rahn dann doch geschossen, und irgendein zehntausendmal den Ball verlierender Bozcik wurde in Ungarn sicher zu Festungshaft verurteilt. Dass Deutschland Weltmeister ist, weiß ich inzwischen, aber auch, dass seitdem noch einige Weltmeisterschaften ins Land gegangen sind. Also, lassen wir alle in Frieden ruhen. Oder nehmen wir zur Abwechslung mal „Liebe junge Väter, taufen sie ihren Sohn ruhig Waldemar …“, ohne jetzt das Geschlechterbild im Sozialismus diskutieren zu wollen.
Die Emphatie wird u.a. vor dem Haus auf den Mülltonnen präsentiert, was sagt uns das? Ein Fenster bleibt verhüllt, dahinter wohnt sicher die Phantasie. Das ist mir das liebste.
Einen Moment glaubt man, wieder im Foyer zu stehn, sehr schöne Idee. Man muss dann aber doch den Rückweg durch die Ausstellung antreten, was dem Konzept einigen Abbruch tut. Wem wird schon nach dem Ende einer Oper das Ganze noch mal im Schnelldurchlauf rückwärts gezeigt? Ohne räumliche Gegebenheiten zu ignorieren, aber das ist schade.
Sehr sehenswert, sehr anregend, vielleicht ein bisschen zu klinisch rein, die Fülle der Exponate doch etwas fragwürdig. Soweit in Kürze, die Idee des Schauspiels in fünf Akten und die Übertragung des Themas auf einen Haushalt sind aber für sich genommen schon großartig genug, um unbedingt zu einem Besuch zu raten. Bis zum Ende des Jahres ist noch Zeit.
