Getagged: Gwisdek

Mehr als Berlin: Müller’s Haifischteich

Hai-Alarm am Müggelsee“, ein Film von Leander Haußmann und Sven Regener, 2013, gesehen in der Schauburg Dresden

Ich bin – wie so oft vorher –skeptisch. Der hl. Franziskus der deutschen Filmkritik hatte sich sehr abfällig geäußert, und es macht sicher keinen Spaß, einem halben Dutzend Leute, die sich durch „Herr Lehmann“ unsterblich gemacht haben, dann doch beim künstlerischen Tod zusehen zu müssen. Aber ich bin auch neugierig.
Zudem bin ich heute abend stolzer Besitzer einer ausgewachsenen schlechten Laune, das Traumpaar Regener / Haußmann hat also nicht die besten Voraussetzungen. Doch sie sollen ihre faire Chance kriegen.

Zu allem Überfluss wird die Latte im Werbeblock hochgehangen: Almodovar hat jetzt eine Komödie gedreht, „Fliegende Liebende“ heißt sie und macht einen sehr sympathischen Eindruck im Trailer.
Und dann noch ein Fehlstart: Film mit Ton ist ok, aber mit Bild wär er noch schöner.

Schließlich beginnt es doch. Friedrichshagen am Müggelsee. Ein Mann geht ins Wasser. Kurze Zeit später fehlt ihm eine Hand.
Auf der anderen Seite der Welt wird ein Hippie-Haifischjäger mit selbstgebastelter Greencard durch smarte Cops verhört: Wie foltert man Haie? Mit Waterboarding natürlich. Ich muss erstmals grinsen.
Selbiger wird ausgewiesen und schippert mit seinem Hausboot dann über die Weltmeere, nach Hause, zum Müggelsee. Das ist hübsch gezeichnet, bislang gibt es nichts zu meckern am Film.

Michael Gwisdek als Badeverhinderungsmeister. Szenen mit ihm können gar nicht schlecht sein.
Snake Müller, so heißt der Großfischjäger und Surfpaddler, bekommt sein Bier macchiato. Eine erste zarte Annäherung an das Fräulein vom Amt, jenem für Stadtmarketing.
Frank Castorf gibt sich auch die Ehre und säuft mit einem lieben Kollegen Ouzo beim Griechen.

Krisensitzung im Rathaus, es wurde eine herrenlose Hand gefunden. Henry Hübchen – auch einer aus der Kategorie Gwisdek – als stuhlklebender und wahlkämpfender Bürgermeister von Friedrichshagen präsidiert einer Versammlung des Grauens aus der ganz normalen Kommunalpolitik, vom schleimigen Großbesitzer (Benno Fürmann) bis hin zur stillwütigen Übermutter. Detlev Buck gibt das, was er am allerbesten kann, den ständig überforderten Polizisten Müller, und komplettiert das unfehlbare Trio.

Wer über den Gemeinderat nicht lachen kann, hat nie einen solchen erlebt. Vera vom Stadtmarketing (Anna Maria Hirsch) öffnet den Werkzeugkoffer und spielt Bullshit-Bingo. Von den drei Varianten bleibt erstmal b) übrig, wir machen weiter wie bisher. Später wird das präzisiert, weiter wie bisher, aber mit Arbeitskreis.

Die Handlung selbst ist nicht wirklich wichtig. Es reihen sich Szenen an Szenchen, jede mit schrägem Witz versehen, mal besser, mal ganz gut. Haußmann und Regener geben als running Gag ein musizierendes Polizistenduo und sind omnipräsent, auch als unparteiisches Taucher-Duo und als Kreuzberger Haifischimitate.

Man kann auch einiges lernen: Casablanca gibt es jetzt in Farbe und 3D, ein Lagerfeuer am Strand wird größer, wenn man die zugehörige Gitarre reinschmeisst. Haie kann man mit Bier fernhalten. Und Zigaretten-holen-gehen ist für einen Nichtraucher dasselbe wie Scheidung.

Der Friedrichshagener ist der Italiener Berlins, auch das ein Merksatz. Der Witz erschließt sich erst, wenn man jenen verschnarchten Teil von Köpenick (und damit auch irgendwie von Berlin) näher kennt.

Gabi Müller (Annika Kuhl), Historikerin und die Ex vom Snake (Uwe Dag Berlin spielt sich vermutlich selbst und muss sich gar keine Mühe geben, großartig zu sein) findet heraus, wie der Hai in den See gelangte: Ein RGW-Ringtausch bescherte der DDR einen kubanischen Zierhai im Tausch gegen Schafskäse, der (über die Zoffjets) von den Bulgaren erworben wurde. Und wenn das liebe Haustier größer wird, landet es halt in der freien Wildbahn, das kennen wir ja auch von anderen Arten … Der Fischexperte Müller von der HU (Tom Schilling rollenbedingt etwas eindimensional, aber gut) staunt.

Die Auslösung des Hai-Alarms ist nur noch Sache eines Formulars. Die gelbe Flagge wird gehisst, der Müggelsee wird großräumig zum Sperrgebiet erklärt. Der Bürgermeister, natürlich auch er ein Müller, trägt Helm und freut sich über die Wahlkampfhilfe.
Sogar die Rainbow Warrior wird gesichtet, sie kommt – dank eines Übermittlungsfehlers – wegen den Walen. Der Bürgermeister versteht natürlich „Wahlen“ und bekommt feuchte Hände.
Katharina Thalbach als wirre Alte ergänzt kongenial das bunte Treiben, es macht einfach Spaß zuzusehen.

Wenn wir schon Hai-Alarm haben, können wir auch das Straßenfest im sicheren Teil der Krisenregion wiederholen. Und es läuft und läuft und läuft … Der Gemeinderat besäuft und schlägt sich.

Soweit ist also alles in Ordnung, man hat sich im Ausnahmezustand eingerichtet. Aber der (nicht nur) Strandbadbesitzer tanzt am Ufer einen Zorbasschen Sirtaki, der gesperrte Müggeldamm versteppt langsam. Eine Gegenbewegung gründet sich, „Hopp hopp hopp, Hai-Alarm Stopp!“. Bürgermeister Müller-Wendig stellt sich an die Spitze derselben und fordert vom Drachen- oder besser Haifischtöter Snake Müller Taten oder zumindest das Eingeständnis eines Fehlalarms, sonst fluten die Wutbürger den Müggelsee mit Bier.

Showdown an Bord des Hausboots. Eigentlich hat man sich schon friedlich geeinigt, aber Marketing-Maus Vera (die sich, nachdem sie sich vom Fischersmann ins Netz wickeln ließ, einen veritablen Zickenkrieg mit dessen Ex liefert) hat ein wenig manipuliert: Statt weißem steigt roter Rauch auf, das Bier ergießt sich in Strömen. Schaum-Alarm! Viel Schaum um ganz viel Nichts! Das kommt marketingmäßig ganz wunderbar.

Snake Müller hat nun die Schnauze voll und will zurück nach Hawaii. Der kurze Kampf zwischen der kühlen Ex und der siegestrunkenen Maid um die freie Koje ist schnell entschieden, letztere geht über Bord.
Und die beiden schippern in den Sonnenuntergang, aus dem Unterdeck taucht noch der falsche Grieche, der Wirt vom Castorf auf, auch er ein Müller, wie Snake ein Teil des haifischaussetzenden Brüderpaars von damals.
Und der Müggelsee ist schaumbedeckt.

Es lässt sich ahnen (und ließ sich vorher auch auf facebook mitverfolgen), wie viel Spaß die Crew beim Drehen hatte. Das überträgt sich auf den Saal, selbst meine hartnäckige schlechte Laune verzieht sich klammheimlich.
Die Musik fällt ein bisschen ab, da ist man Besseres gewohnt vom Regener. Aber was will man mehr von einem Film? Ich meine, von einem, der unterhalten will und nicht die Lösung der Weltprobleme verspricht? Ich bin’s zufrieden.