Love kills.
„Medea“ von Euripides in der Regie von Michael Thalheimer, Gastspiel des Schauspiel Frankfurt/M. am Staatsschauspiel Dresden, 16. Februar 2013
Die Bühne (der Dresdner Olaf Altmann) ist nicht möbliert, lediglich ein riesiger, schwarzer Monolith im Hintergrund, der auf halber Höhe ein Podest besitzt. Auf jenem wird sich Medea die ganzen zwei Stunden über aufhalten, in ihrer eigenen Welt, unerreichbar für alle anderen. Erst zur finalen Meuchelei kommt der Klotz nach vorn gefahren und nimmt dem Chor, dem Boten und Jason den Platz zum Spielen und die Luft zum Atmen.
Das Licht (Johan Delaere) kommt meist von der Seite, die Menschen werfen dadurch furchterregende Schatten. Es wechselt abrupt, wenn eine neue Szene beginnt und reißt den Protagonisten aus dem Dunkel, wohin der vorige verschwindet.
Jeder Auftritt außer jenem zu Beginn, als die Amme sich hereinschleppt und mit ihrem Schatten auf dem Klotz wie ein Totenvogel aussieht, ist unspektakulär und wirkt gerade deshalb. Es gibt zwischen den Spielern eine einzige (!) Berührung während des Stücks, und diese basiert auch noch auf Medeas Lüge. Ansonsten ist jeder mit sich allein.
Auch der Einsatz der Musik (Bert Wrede) und des scheinbar nicht mehr entbehrlichen Mediums Video (Alexander du Prel) ist sparsam: Eine Schilderung der Geschichte von Medea und Jason in Piktogrammen, sehr beeindruckend, untermalt von anfangs gediegener, später grauenhafter Musik. Das ist alles.
Die Geschichte von Leidenschaft, Undank, Eifersucht und maßloser Rache ist keine, die man gerne nacherzählt. Deshalb lasse ich das auch, ich bin so frei.
Thalheimer hat auf jede Aktualisierung verzichtet, das ist plausibel. Allerdings ist gerade dieser Stoff durchaus in der Gegenwart anzutreffen, Amoklauf, Kindstötung etc. sind so selten nicht. Er könnte durchaus auch in einer Einwanderfamilie spielen, warum nicht in einer muslimischen, sozusagen die Umkehrung des Ehrenmords. Nur mal so ein Gedanke.
Die Darsteller sind durchweg ein Genuss. Hervorzuheben für mich Bettina Hoppe, die allein den Chor der Frauen spielt (auch dies entspricht dem reduktivem Ansatz), Viktor Tremmel, der als Bote das Streben von Kreon und seiner Tochter herzerweichend schildert (und über dessen Besuch in Dresden ich mich besonders gefreut habe, er gab vor einigen Jahren hier einen grandiosen Woyzeck) sowie Marc Oliver Schulze, bei dessen letzter Szene ich den Eindruck hatte, hier wird Munchs „Der Schrei“ auf die Bühne gebracht.
Und natürlich ganz oben thronend Constanze Becker, die sich die Seele aus dem Leib spielt. Unter vielen guten für mich die beste Szene, als sie Jason täuscht und ihm Reue und Einsicht vormacht.
Außer, das für meinen Geschmack manchmal zu viel deklamiert wird, hab ich nichts zu bekritteln.
Michael Thalheimer hat vor dreizehn Jahren hier „Das Fest“ inszeniert. Ein Fest war das heute auch, die Einladung zum Theatertreffen nach Berlin ist völlig nachvollziehbar.
Danke, auch für die Idee, genau dieses Stück nach Dresden zu holen. Da hat die Intendanz eine gute Nase bewiesen.
Das ist aber eine sehr, sehr schöne, so aufschlussreiche . geradezu plastische rezension zum „medea“-gastspiel in dresden – vielen dank!