Der Krug hat sich zerbrochen


 Dienstag, 10. Januar 2012 um 23:45 

Eine öffentliche Probe ist eine feine Sache: Man lernt den Dramaturgen kennen, der Regisseur sitzt leibhaftig im Zuschauerraum und man sieht gewissermaßen in der Theaterküche beim Anrühren zu.

Die Parabel vom verzweifelt gegen die Aufdeckung seiner Sünden ankämpfenden Dorfrichter ist sicher hinlänglich bekannt und muss nicht nacherzählt werden. Einige Eindrücke zur (unfertigen) Inszenierung:

Die musikalische Einleitung ist klang- und stimmungsvoll, frohes Landleben. An deren Ende zerbricht ein Krug, Adam hinkt und stolpert davon. Er fiel? Nein, er fehlte. Das Spiel beginnt.

In die dörfliche Idylle aus Amtsmissbrauch und Korruption bricht unverhofft die fern geglaubte Obrigkeit in Person der Gerichtsrätin. Ja, -Rätin, heute ist die Moderne weiblich (hübsche Idee, hier die auch diesmal wunderbare Sonja Beißwenger als toughes Businessweibchen zu besetzen, deren Hochhackige schon visuell schmerzen). Das abrupte Ende des gemütlichen Lotterlebens ahnt der wendige Schreiber (jovial und heimtückisch Ahmad Mesghara) als erster, Adam ringt noch mit seiner Fassung und dem Kopfschmerz.

Der klägliche Versuch, im Ermittlungsverfahren in der Causa „Krug“ geordnete Verhältnisse vorzugaukeln, scheitert schon im Ansatz. Fortan ist Adam ein Getriebener, dem das Heft immer mehr entgleitet. Burghart Klaußner (rollen-, aber noch nicht ganz textsicher) gibt ihn so, dass man fast wünschen mag, es gelänge ihm, sich der Schlinge zu entziehen. Aber sein Fall ist nur eine Frage der Zeit.

Adam tänzelt (manchmal) und wütet (oft) in seinen Rückzugsgefechten, gibt sich selbst Durchhalteparolen aus, wähnt sich zwischendurch wegen eines vermeintlichen Nebenbuhlers des Mädchens Eve (Karina Plachetka zwischen verletzbar, trotzig und kämpferisch) gerettet und stolpert am Ende doch über seine Perücke und Tante Brigitte. Was dem einen seine BILD, ist dem anderen die Brigitte.

Am Ende kommt für Adam ein halbes Strafgesetzbuch zusammen, die Autorität des Staates schützt ihn nicht mehr, die Volksseele kocht und wird zornig. Der Schreiber probiert schonmal ob die Perücke passt.

Es könnte damit sein Bewenden haben, aber Kleist zieht den großen Bogen zur staatlichen Rekrutenaushebung noch zu Ende. Was dem kleinen Adam sein Druckmittel, ist der Gerichtsrätin ihr Staatsgeheimnis: Geht es nun dahin, wo der Pfeffer wächst? Oder doch nur zum „Stuben- und Revierreinigen“? Ehrlich gesagt, ich habe auch keine Ahnung.

Eve ringt in einer (szenisch nicht überzeugenden) Gewaltaktion der Rätin Walter die Versicherung ab, ihren Rupprecht (Waschtl Wendelin abwechselnd sehr naiv, sehr wütend und sehr fassungslos, also gut) nicht in Auslandseinsätze zu schicken, dann darf jene gehen, was sie jovial, aber eilig auch tut.

Am Ende fast schon zu idyllisch:

Des Mädchens Ehre ist wieder hergestellt, der Bräutigam geht stolz zum Ehrendienst mit Heimat-Garantie, der Schurke verschwand in der nächtlichen Winterwüste, die Obrigkeit ist unangefochten.

Für den Moment ist die Ordnung wieder hergestellt.

Aber den verwetteten Beutel Geld kann Frau Rätin sicher als Spesen absetzen, wenn es doch anders kommt, und der Ex-Schreiber und Neu-Dorfrichter hat sicher genug gelernt bei seinem Herrn.

Freuen wir uns deshalb auf „Der noch zerbrochenere Krug“. Oder so ähnlich.

 

Fazit:

Noch vier Tage Zeit bis zur Premiere, das wird sicher ein gutes Stück, auch wenn es nicht an den Don Carlos heranreicht (was aber auch verdammt schwer ist). Ich schau es mir auf jeden Fall noch mal an, wenn es sich „gesetzt“ hat.

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